Der dritte Fall für „Tatort“-Ermittler Thorsten Falke brachte Darsteller Wotan Wilke Möhring die bislang schwächste Quote, die gleichwohl für den Tagessieg genügte. Die Handlung funktionierte leidlich bis mittelgut.

Hamburg. Es ist die Maschine, die den Ermittlern im „Tatort: Kaltstart“ die Grenzen aufzeigt. Oder besser: die Mensch-Maschine, denn Drohnen, neueste Ausgeburten des Technikstrebens, sind Jäger in der Luft, die einer Steuerung bedürfen. Wo sich die Kommandozentrale befindet, ist völlig egal; wichtig ist, dass die namenlos bleibenden Gegenspieler von Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und Katharina Lorenz (Petra Schmidt-Schaller) die Szenerie immer im Blick haben: den Tiefseehafen in Wilhelmshaven, die Docks, das Meer.

Leider kommen die großen Pötte nicht. Wirtschaftskrise, Frachtverkehr eingebrochen. Die Lkws der Spediteure stehen in den Garagen, die Hafenarbeiter malochen nur in der Kurzfrequenz oder wurden weggeschickt. Eine riesige Fehlinvestition, die den Jadebusen langsam und quälend austrocknet.

Es wird noch schlimmer: Bei einem Mordanschlag auf einen Menschenschleuser kommen auch zwei Kollegen von Falke und Lorenz ums Leben. Die gehören jetzt zur Bundespolizei und müssen wegen des Mordes früher zum Dienst anrücken. In Falkes drittem Fall war nach Hamburg und Langeoog nun also die Küste der Handlungsort – ein Fall fürs niedersächsische Fremdenverkehrsamt war der Möhring-„Tatort“ zumindest im Falle Wilhelmshavens jedoch nicht: Was für eine Tristesse. Obwohl die Vogelperspektive auch leeren Docks eine gewisse Erhabenheit angedeihen lässt. Von oben, mit den Augen der Drohne, sieht der gebeutelte Landstrich doch ganz beeindruckend aus.

„Kaltstart“ funktionierte als Kriminalfall so leidlich bis mittelgut, weil weder die Kommissare noch die Zuschauer sich einen Reim auf das Geschehen machen können. Das ist ja öfter so in der an eigenwilligen Plots so reichen Renommierserie der Öffentlich-Rechtlichen, in der mit Vorliebe aktuelle Themen aufgegriffen werden. Neben Drohnen-Grusel und Hafendesaster war es mit der Flüchtlingsproblematik hier gleich noch ein drittes, das dem „Tatort“ ein Debatten-Update verpasst. Das war ein bisschen viel, klar – auch für Möhring und Lorenz. Ging es hier um afrikanische Migranten, die vom Staat aus Containern befreit werden? Oder war der Menschenhandel nur ein Mitnahmeeffekt, weil eigentlich Waffen geschmuggelt werden?

Und wer war der dunkelhäutige Mann, der auf einem Internetvideo zu sehen war und einmal auch den Weg der Polizisten kreuzte? Die waren gelinde gesagt ratlos, weil ihr rätselhafter Gegenspieler immer über ihr Tun Bescheid wusste. Im Hintergrund hatte ein Waffenkonsortium mit Drohnen-Gewalt die Fäden in der Hand. Das unsichtbare Auge sah alles, und so war am Ende beinah jeder Ermittlungsschritt purer Zufall. Wie unbefriedigend.

Instinktbulle ohne Sinn für Logik

Wobei der Instinktbulle Falke ja eh kein Meister der Logik ist, wie immer war sein weiblicher Sidekick fürs Denken zuständig. Möhring kann das ja gut, den emotional dampfenden Bullen spielen. Den Drehbuch-Baustein „Persönliche Verwicklung“ musste deshalb er setzen: Einer der beiden getöteten Polizisten war eine Kollegin, mit der Falke ein Verhältnis hatte. Umso cholerischer trat er vor seiner Mannschaft auf, in der gerade der Kollege Carstens (Sascha Alexander Gersak) das eruptive Wesen des neuen Chefs zu spüren bekam. Wem bis jetzt noch nicht klar war, wie hart-zart der Bulle mit Herz ist, dem gab diese genau deswegen sehenswerte „Tatort“-Folge eindeutige Handreichungen: Den originären Proletarier Falke („Das sind Arbeiterhände. Die hab ich von meinem Vadder. Der war Schweißer bei Blohm & Voss.“) berührte auf seine Weise alles. Das Schicksal der Kongolesen („Stellt einen Asylantrag!“) und das seines demolierten Autos („Wir müssen in die Werkstatt“). Die tote Geliebte, die vielleicht doch gar nicht so sehr auf eine unkomplizierte Bettbeziehung aus war: „Warum hat se nix gesagt?“

Rührende maskuline Einfalt also, neben die sich habituelle Ungeduld gesellt. Wenn’s gar nicht anders geht, duzt Falke jeden Verdächtigen, auch den bekloppten Unternehmer (großartig: Andreas Patton), der über all sein geschäftliches Unglück den Kontakt zur Außenwelt komplett verloren hat und in leeren Lagerhallen Tennis spielt. Kollegin Lorenz jedenfalls ist Falke zugetan: Die Rauen werden gestreichelt, das war schon immer so.

Auch was den Publikumszuspruch angeht, war das schon immer so: Auch mit der Episode „Kaltstart“ holte der ARD-“Tatort“ einmal mehr die Bestquote am Sonntagabend. Gleichwohl bedeuteten 9,57 Millionen Zuschauer (26,6 Prozent Marktanteil) den bislang schwächsten Wert für Möhring. Den Premierenfall „Feuerteufel“ hatten noch 10,0 Millionen Zuschauer (27,7 Prozent) eingeschaltet, die zweite Folge „Mord auf Langeoog“ sogar 10,74 Millionen Zuschauer (29,5 Prozent).