Flower Power ist dem Hass auf die Jung-Millionäre des Silicon Valley gewichen. Mitarbeiter von Google und Co. treiben die Mieten – es rumort in den Straßen von San Francisco.
San Francisco. Paula Tejeda lebt mitten in der „Kampfzone“. Im Herzen von San Franciscos Mission District betreibt die 54 Jahre alte Geschäftsfrau seit 20 Jahren eine Snackbar mit chilenischen Spezialitäten. Das Viertel ist für seine bunte Mischung aus Studenten, Künstlern, Arbeitern und Immigranten bekannt. Und neuerdings auch für explodierende Mieten, Häuserräumungen und einen erbitterten Kulturkampf, der immer mehr Bürger gegen Tech-Giganten wie Google und Apple aufbringt.
Tejeda warnt: „Es wird zu Krawallen kommen, so viele Menschen sind schon an der Armutsgrenze. Dieser Tsunami muss gestoppt werden.“
Der Technologie-Boom in San Francisco und im rund 60 Kilometer entfernten Silicon Valley hat der Region Zigtausende Arbeitsplätze, lukrative Investments und viele neue Millionäre beschert. Die Kehrseite: rasant steigende Mieten und Gentrifizierung, Spekulanten, die ganze Häuserblocks in Luxusobjekte verwandeln, und Eigentümer, die längjährige Mieter auf die Straße setzten, um von dem Boom zu profitieren.
Nach 17 Jahren hat Tejeda nach eigenen Angaben kürzlich ihre „gerade noch bezahlbare“ Mietwohnung verloren, sie setzt sich mit Hilfe der Mietergewerkschaft zur Wehr. San Francisco, ehemals ein Magnet für Künstler, Aussteiger und Einwanderer und frühere Festung der Flower-Power-Bewegung, steht dem teuren Manhattan in Mietpreisen nicht mehr nach. Eine kleine Zweizimmerwohnung für 2750 Dollar im Monat (über 2000 Euro) ist inzwischen die Norm. Für einen gutverdienenden Programmierer oder Softwareingenieur ist das kein Problem. Sie zahlen gerne etwas mehr, um in der hippen Stadt zu leben, statt zwischen Techburgen und Einkaufszentren in Silicon Valley.
„San Francisco wird eine Stadt, in der sich nur noch Reiche vergnügen, wenn sie abends von ihren Tech-Jobs zurückkehren“, prophezeit Erin McElroy. Die 31 Jahre alte Aktivistin rief mit Sozialarbeitern und Bürgern im vorigen Sommer die „Heart of the City“-Bewegung ins Leben.
Private Luxusbusse, die jeden Tag Tausende Tech-Arbeiter von San Francisco zu den IT-Firmen in Silicon Valley fahren, waren die erste Zielscheibe ihrer Proteste. „Wir stoppten einige Busse, aber dachten nicht, dass dies so viele Schlagzeilen machen würde“, sagt McElroy.
Die wiederholten „Google-Bus“-Blockaden, zuletzt im Januar, sind längst Symbol des Kampfes in den Straßen von San Francisco geworden. Nicht nur Google, auch Facebook, Apple und weitere IT-Giganten mit Sitz in Silicon Valley nehmen die Berufspendler an vielen Haltestellen in der Stadt mit. Eine gute Stunde dauert die Fahrt gen Süden hinter verdunkelten Scheiben, mit Wi-Fi, Snacks und Kaffee an Bord. Einer Studie der Universität Berkeley zufolge sind die typischen Pendler männlich, um die 30, mit einem Jahreseinkommen von mehr als 100.000 Dollar.
Mit ihren Laptops und Smartphones sind sie an den Haltestellen leicht auszumachen. Die polierten Luxusbusse halten an öffentlichen Haltestellen, wo die meist klapprigen Stadt-Busse ihre Fahrgäste aufnehmen. Das ist den Aktivisten ein Dorn im Auge. Zum Nulltarif halten die Privatbusse in Sonderzonen, wo Normalbürger einen Strafzettel in Höhe von 271 Dollar zahlen müssten.
Mit Protestsprüchen wie „Fuck off Google“ und „Zweiklassensystem“ rückten Demonstranten im Dezember und Januar an und blockierten Busse. An einigen Stellen eskalierte der Protest, eine Fensterscheibe ging zu Bruch, Reifen wurden aufgeschnitten.
Die Stadtverwaltung horchte auf. Nach Beschluss des Stadtrats Ende Januar müssen die Busunternehmen ab Juli für jeden Haltepunkt einen Dollar pro Tag zahlen. Als „Beleidigung“ wiesen McElroy und andere Aktivisten diesen Betrag zurück. Die Stadt würde den Tech-Firmen weiter Privilegien und Steuervergünstigungen einräumen, statt ihre Bürger vor überzogenen Mieten und Räumungen zu schützen. Die Aktivisten drohen mit weiteren Aktionen. Die Lage ist angespannt.
Die Pendler an den Haltestellen wollen nicht reden. „Kein Kommentar“, ist die typische Antwort. Auch Firmen wie Google und Facebook halten sich mit öffentlichen Äußerungen bedeckt und suchen stillschweigend nach Alternativen zu dem kontroversen Bus-Shuttle. Wie der „San Francisco Chronicle“ kürzlich berichtete, probieren sie nun auch den Weg über das Wasser der Bucht. Mit großen Katamaranen werden demnach Mitarbeiter versuchsweise an den Arbeitsplatz gebracht.
Der für den Mission-Bezirk zuständige Stadtrat David Campos hofft, dass die Kluft in San Francisco zu überwinden ist. Ende Januar hätten sich sieben Tech-Firmen mit Bürgern zusammengesetzt und ein „produktives“ Gespräch geführt, sagte Campos der Nachrichtenagentur dpa. Einzelheiten könne er aber nicht nennen, wehrte er diplomatisch ab.
Tejeda und McElroy machen sich weiter gegen Mieterhöhungen und Rauswürfe stark. Für sie geht es auch ums eigene Überleben in ihrer Stadt. „Wir haben zusätzliche Wände in unsere Drei-Zimmer-Wohnung gezogen, denn nur zu fünft können wir uns die Miete leisten“, sagt McElroy. Für ein Mini-Zimmer zahlt sie 653 Dollar. Tejeda sorgt sich um ihr Geschäft. „Wo gehe ich hin, wenn meine Angestellten hier nicht mehr leben und arbeiten können? Jeder fürchtet, dass er als nächstes dran ist.“