Ein Abhörskandal um das britische Boulevardblatt “News of the World“ hält Justiz und Öffentlichkeit in Atem. Jetzt ist ein neues Detail enthüllt worden.
London. Einer der größten Abhörskandale Großbritanniens hat einen tragischen Beigeschmack bekommen: Journalisten sollen nicht nur die Mobiltelefone von Prominenten wie den Schauspielern Sienna Miller oder Jude Law angezapft haben, sondern auch die Handy-Mailbox eines vermissten und später tot gefundenen Mädchens. Mit Hilfe von Privatdetektiven sollen die Reporter des Boulevardblattes „News of the World“ sogar Nachrichten auf der vollen Mailbox gelöscht haben, um Platz für neue zu machen und so an mehr Informationen zu kommen. Damit waren bei Familie und Freunden der Vermissten falsche Hoffnungen geweckt worden, das Mädchen sei noch am Leben und habe die Nachrichten selber gelöscht. Außerdem könnten die Ermittlungen der Polizei dadurch behindert worden sein, berichteten mehrere britische Medien am Dienstag übereinstimmend.
Der Abhörskandal bei „News of the World“ beschäftigt die Polizei seit Jahren. Mit Hilfe privater Ermittler und Hacker hatten Journalisten des Sensationsblattes Handyleitungen geknackt und nach Informationen abgehört.
Bereits im Januar 2007 waren ein Privatdetektiv sowie der frühere Königshaus-Reporter der Sonntagszeitung zu mehrmonatigen Haftstrafen verurteilt worden, nachdem sich herausgestellt hatte, dass sie die Telefone von Bediensteten der britischen Königsfamilie abgehört hatten. Im Januar dieses Jahres hatte Scotland Yard die Ermittlungen erneut aufgenommen. Derzeit haben Prominente wie Jude Law oder der Ex-Fußballer Paul Gascoigne noch Verfahren gegen die Zeitung laufen.
Die Eltern der 2002 im Alter von 13 Jahren entführten Milly gaben über ihren Anwalt bekannt, dass auch sie jetzt gegen „News of the World“ vor Gericht ziehen wollen. Zuvor hatten Ermittler von Scotland Yard Millys Eltern kontaktiert und ihnen von dem Verdacht gegen „News of the World“ berichtet.
Hinter „News of the World“ steht das zum Medienkonzern von Rupert Murdoch gehörende britische Unternehmen News International. Dort hieß es, man sei in „großer Sorge“ und werde eine eigene, interne Untersuchung beginnen.
Zur Zeit des Milly-Falles war Rebekah Brooks Chefredakteurin des Blattes. Sie ist mittlerweile Vorstandschefin von News International, zu dem auch die renommierte „Times“ gehört. Sie sei „erschüttert und entsetzt“ über die Vorwürfe, teile Brooks am Dienstag in einem Statement mit. Sie habe von derartigen Vorfällen in ihrer Zeit als Chefredakteurin nichts gewusst.
Es werde eine umfassende interne Untersuchung geben, deren Ergebnisse zuerst die Familie von Milly erfahren solle, schrieb Brooks weiter. News International habe der Polizei volle Kooperation angeboten. „Sollten sich die Vorwürfe als wahr herausstellen, dann kann ich versichern, dass es die härtesten Konsequenzen geben wird, da dieses Unternehmen solch beschämendes Verhalten nicht duldet.“
Großbritannien reagierte am Dienstag geschockt auf die neuen Vorwürfe. Premierminister David Cameron sagte, falls diese richtig seien, handle es sich um eine „unglaublich schreckliche Tat“. Der Mörder von Milly war im Juni zu lebenslanger Haft verurteilt worden.