Japan hält trotz fast komplett geschmolzener Brennstäbe in Fukushima am Krisenplan fest. Spezialfloß soll verstrahltes Wassers aufnehmen.
Tokio. Japan lässt sich nicht beirren. Trotz der beunruhigenden Nachricht über fast komplett geschmolzene Brennstäbe in Fukushima hält Japan am Krisenplan für die Atomruine fest. Zwar könne man die Vorgehensweise leicht ändern, jedoch nicht den Ablauf, gab sich der Premier Naoto Kan am Montag vor einem Parlamentsausschuss zuversichtlich. Auch der Chef des Atombetreibers Tepco, Masataka Shimzu, verkündete vor dem Ausschuss, er bleibe beim Zeitplan vom 17. April. Dieser besagt, das AKW werde in sechs bis neun Monaten unter Kontrolle sein.
Am Dienstag will der Betreiber Tepco einen aktualisierten Krisenplan vorlegen. Darüber hinaus will er damit beginnen, radioaktives Wasser aus dem Turbinengebäude von Reaktor 3 abzupumpen. Das Wasser ist offenbar aus dem Reaktor ins Tiefgeschoss des Turbinengebäudes gesickert. Es werde in eine Entsorgungsanlage für Atommüll auf dem AKW-Gelände gebracht, berichteten japanische Nachrichtenagenturen.
Großteil der Brennstäbe geschmolzen
Tepco hatte am Sonntag bekanntgegeben, dass in Reaktor 1 bereits im März, kurz nach dem Erdbeben und Tsunami, ein Großteil der Brennstäbe geschmolzen ist. In Reaktor 2 wird bereits seit längerem verstrahltes Wasser aus dem Turbinengebäude geholt. Diese Arbeiten laufen weiter.
Unterdessen ist ein riesiges Tankfloß auf dem Weg nach Fukushima. Es kann bis zu 10 Millionen Liter radioaktiv verseuchten Wassers aufnehmen. Das Floß wurde in einer Werft in Yokohama extra für den Einsatz an der Atomruine umgebaut. Das stählerne Tankfloß trifft voraussichtlich in ein bis zwei Wochen in Fukushima ein. Es ist 136 Meter lang und 46 Meter breit. Bisher diente es im Hafen der Stadt Shimizu in der Provinz Shizuoka als schwimmende Insel für Angler.
Verstrahltes Wasser behindert die Sicherungsarbeiten
Das verstrahlte Wasser in den Atommeilern behindert die Sicherungsarbeiten. Es wird geschätzt, dass sich im Turbinengebäude des Meilers Nummer 3 etwa 22.000 Tonnen verseuchte Brühe angesammelt haben. In Meiler 2 seien bereits von anfangs rund 25.000 Tonnen etwa 5550 abtransportiert worden, hieß es unter Berufung auf den Betreiber Tepco. Insgesamt sollen 10.000 Tonnen in die Entsorgungsanlage gepumpt werden.
Die Atomanlage Fukushima wurde nach dem Megabeben vom 11. März und dem anschließenden Tsunami zerstört. Später wurde Wasser in die Meiler geleitet, um die überhitzten Reaktorkerne zu kühlen. Arbeiter installieren zurzeit auch zusätzlich Behelfstanks für schwach verstrahltes Wasser. Bis Ende des Monats sollen auf diese Weise zusätzlich Kapazitäten von 28 000 Tonnen entstehen.
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Arbeiter bricht im AKW Fukushima tot zusammen
In Japan kehrt auch zwei Monate nach dem verheerenden Erdbeben und dem Tsunami keine Ruhe ein. Die Unglücksregion wird von starken Nachbeben heimgesucht, viele Menschen leben noch immer in Notunterkünften, Unzählige werden vermisst. Ununterbrochen arbeiten Reparaturtrupps in der Atomruine Fukushima unter lebensgefährlichen Bedingungen bis zur Erschöpfung. Jetzt ist dabei erstmals ein Arbeiter ums Leben gekommen. Der zwischen 60 und 70 Jahre alte Mitarbeiter einer Vertragsfirma kollabierte und verlor das Bewusstsein. Der Mann war gerade mit dem Transport von Materialien an einer Abfallbeseitigungsanlage im AKW beschäftigt, wie der Betreiber der Atomanlage, Tepco, am Sonnabend bekanntgab. Radioaktive Substanzen seien an ihm jedoch nicht festgestellt worden, auch habe er keine Verletzungen aufgewiesen.
Seit Freitag hatte der Mann in der Atomanlage gearbeitet und zum Zeitpunkt des Unfalls Schutzkleidung getragen, wie der Betreiber weiter mitteilte. Er sei einer Strahlenhöhe von 0,17 Millisievert ausgesetzt gewesen, hieß es. Eine Stunde nach Dienstbeginn am frühen Sonnabendmorgen (Ortszeit) sei er kollabiert. Er sei in bewusstlosem Zustand in ein Sanitätszimmer und anschließend in ein Krankenhaus in der Stadt Iwaki gebracht worden, wo sein Tod festgestellt wurde.
Ein Kollege von ihm, der an seiner Seite arbeitete, habe über keine gesundheitlichen Beschwerden geklagt. Es ist der erste Todesfall während der Reparaturarbeiten in dem vom Erdbeben und Tsunami vom 11. März zerstörten Atomkraftwerk. Der Betreiberkonzern Tepco setzte am Samstag seine Arbeit zur Errichtung eines Ersatz-Kühlsystems im Reaktor 1 fort. Dort war ein großer Teil der Brennstäbe geschmolzen.
Nicht lange nachdem der Arbeiter bewusstlos zusammengebrochen war, suchte erneut ein stärkeres Erdbeben die Unglücksprovinz Fukushima heim. Berichte über Schäden oder Verletzte durch das Beben gab es jedoch nicht. Auch wurde keine Tsunamiwarnung ausgegeben. US-Messungen hatten bei der Erschütterung eine Stärke von 6,2 ergeben, japanischen Behörden zufolge war lag die Stärke bei 5,7. Das Epizentrum befand sich in rund 30 Kilometern Tiefe vor der Küste Fukushimas.
Am selben Tag fuhr der Betreiberkonzern Chubu Electric auf Regierungsanweisung den letzten Reaktor in der zentraljapanischen Atomanlage Hamaoka herunter. Die Regierung hatte angesichts der Katastrophe im AKW Fukushima Druck auf den Betreiber ausgeübt. Das Kraftwerk Hamaoka in der Region Shizuoka liegt über einer geologisch kritischen Erdplatte und könnte bei einem weiteren Erdbeben ähnlich wie am 11. März die AKWs in Fukushima gefährdet sein. In den nächsten zwei bis drei Jahren soll die Anlage mit einem Wall gegen Tsunamis geschützt werden.
(Mit Material von dpa)