Hamburg. Fan Andrea Dengler bastelt St. Paulis Profis jedes Jahr einen besonderen Kalender. Was Blessin, Bornemann, Saliakas und Co. bekamen.
Andreas Bornemann darf dieses Jahr Heiligabend ein Geschenk mehr öffnen. Nein, das ist keine Metapher für einen neuen Stürmer, den der Sportchef des FC St. Pauli verpflichten möchte. Das kleine Päckchen unter Bornemanns Baum kommt von einem ganz besonderen Fan. Andrea Dengler bastelt seit acht Jahren für alle Spieler und Funktionäre des FC St. Pauli einen Adventskalender. Und in diesem Jahr steht der Name des Sportchefs auf dem 24. Türchen.
„Er trinkt ja gerne Wein“, weiß Dengler, „deswegen habe ich ihm ein Buch über Weine und eine Tafel dunkle Schokolade eingepackt.“ Dengler kennt die Vorlieben und Geschmäcker ihrer Lieblinge inzwischen ziemlich gut: „Ich führe mit jedem Einzelnen Gespräche, um herauszufinden, worüber er sich freuen könnte.“
FC St. Pauli: Fan bastelt Adventskalender für die Spieler
Angefangen hat alles 2016 unter dem damaligen Trainer Ewald Lienen. Zur Weihnachtszeit wollte Dengler damals ein bisschen Ablenkung zum tristen Liga- und Trainingsalltag schaffen. Damals standen die Kiezkicker wochenlang auf dem letzten Tabellenplatz der Zweiten Liga und konnten sich erst durch eine Siegesserie kurz vor Saisonende retten.
„Das war damals ein bisschen nach dem Motto: Zuckerbrot und Peitsche“, erinnert sich Dengler. „Im Training gab es die Peitsche, bei mir das Zuckerbrot.“ Seitdem bekommt jeder Spieler aus dem Profikader, Trainer, Betreuer, Ärzte und Mitarbeiter aus der Medienabteilung ein personalisiertes Türchen in ihrem Adventskalender, der deshalb auch mehr als 24 Türchen hat.
Adventskalender kostete 550 Euro
„Dieses Jahr habe ich 55 Päckchen verpackt“, erzählt Dengler, die im Schnitt 10 Euro pro Geschenk kalkuliert und somit allein in diesem Jahr mindestens 550 Euro für den Kalender ausgegeben hat. „Wenn ich sehe, wie die Jungs sich freuen, ist es mir das wert“, sagt sie, die mindestens einmal pro Woche aus Bargteheide zum Trainingsgelände an die Kollaustraße fährt.
Dort platziert sie jedes Jahr Ende November ihren Kalender im Aufenthaltsraum der Spieler. Oder wie Dengler es formuliert: „In den heiligen Hallen.“ Schon beim Aufhängen hätten in diesem Jahr einige Profis neugierig geguckt und sofort nachgeschaut, wann sie an der Reihe seien, erzählt Dengler. „Da wird der Mann zum Kind.“
St.-Pauli-Trainer Blessin: „Danke, Andrea!“
Zum ersten Mal durfte auch Alexander Blessin in diesem Jahr sein Türchen öffnen. „Ich wusste, dass er gerne Gesellschaftsspiele spielt, „Scotland Yard“ zum Beispiel“, berichtet Dengler. Also hat sie dem Cheftrainer des FC St. Pauli das Spiel „Inkognito“ eingepackt.
„Ich kannte es nicht und habe es noch nicht gespielt“, gesteht der Trainer, „aber über die Feiertage werde ich es ausprobieren. Ich habe mich natürlich sehr gefreut.“ Überhaupt sei es „sagenhaft“, wie viel Zeit und Akribie Dengler in den Kalender gesteckt habe: „Ich habe sie bisher noch nicht gesehen, deswegen einmal so: danke, Andrea!“
St. Pauli: Saliakas bekam griechischen Käse
Über ein besonderes Geschenk durfte sich auch Rechtsverteidiger Manolis Saliakas freuen. Der Grieche ist einer von Denglers Lieblingsspielern: „Er kommt ja von Kreta, das ist seit vielen Jahren unser Lieblingsurlaubsziel“, erzählt sie, die sogar ein bisschen Griechisch spricht. „Wenn St. Pauli meine zweite Familie ist, dann ist Kreta meine zweite Heimat.“
Hinter Saliakas‘ Türchen versteckte sich ein Stück griechischer Graviera-Käse: „Den konnte ich ja nicht einfach einpacken und in den Beutel legen“, sagt Dengler. Der Käse hätte nach ein paar Tagen wohl einen etwas unangenehmen Geruch während der Kaffeepause verbreitet. Ein kleines Holzbrett gab‘s zum Käse gleich dazu. „Das habe ich ihm dann nach dem Training direkt in die Hand gedrückt.“
Dengler: „St. Pauli ist meine zweite Familie“
Für den frischgebackenen Vater Eric Smith gab es in diesem Jahr zwei Babystrampler, ein Paar Socken und etwas Nervennahrung, Hauke Wahl durfte sich über Manner-Waffeln und Oreo-Kekse freuen, und David Nemeth kann über die Feiertage sein neues Backgammon-Spiel ausprobieren. „Die haben sich alle sehr darüber gefreut.“ Und wenn sich die Spieler freuen, dann freut Dengler sich gleich mit.
Seit 1991 besitzt sie eine Dauerkarte für die Nordtribüne, früher im Stehplatzbereich, heute sitzt die 60-Jährige lieber. St. Pauli, das sei für sie wie eine Familie. Die Familienverbundenheit geht über den Tod hinaus. Seit ein paar Jahren nimmt sie eine Fahne für eine verstorbene Freundin, die ebenfalls St.-Pauli-Fan war, mit ins Stadion: „So ist sie dann auch immer mit dabei“, sagt Dengler.
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Dengler erzählt, dass sie es auch nicht immer leicht gehabt habe. „Deswegen möchte ich etwas zurückgeben“, sagt sie, die jedes Jahr bei einer Weihnachtsfeier für Obdachlose mithilft. Und natürlich gehe es gut bezahlten Profifußballern finanziell deutlich besser als den meisten anderen Menschen, das weiß auch Dengler: „Ich möchte ihnen einfach eine kleine, persönliche Freude machen und ein wenig Weihnachtsstimmung verbreiten.“
Ihr eigener Weihnachtswunsch ist natürlich klar: der Klassenerhalt. „Außerdem wäre es schön, wenn die Mannschaft so zusammenbleibt und alle Spieler gesund werden und bleiben.“ Einen Wunsch, der nichts mit St. Pauli zu tun hat, hätte sie dann auch noch: Mit ihrem Mann möchte sie am ersten Weihnachtstag tanzen gehen.