Stuttgart/Hamburg. Was die Hamburger nach dem Sieg in Stuttgart fürs neue Jahr planen und worauf sie aufbauen können, um den Klassenerhalt zu schaffen.
Die Feier fiel flach. War ohnehin nie geplant. Stattdessen kamen die Spieler des FC St. Pauli am Sonntag noch mal im Trainingszentrum an der Kollaustraße zusammen, um kleinere Blessuren zu behandeln. Wunden lecken vor Weihnachten. Und dann schnell in alle Himmelsrichtungen zur bis zum 30. Dezember dauernden Minipause zerstreuen.
Man könnte ja fast annehmen, das große Weihnachtsgeschenk für alle Fans, der 1:0-Sieg des Aufsteigers am Sonnabend bei Vizemeister VfB Stuttgart, sei eine Illusion gewesen wie der Weihnachtsmann. Tatsächlich ist die eher nüchterne Einordnung des Überraschungserfolgs dem festen Glauben im Kiezclub geschuldet, dass einem selbst zum Ende dieses für den Verein so besonderen Kalenderjahres nichts geschenkt wird.
FC St. Pauli feiert Weihnachten über dem Strich
Vielmehr ist in der Bundesliga doch das Gegenteil der Fall. Die Kiezkicker verschenkten zu viel. „Wir haben bisher drei, vier Punkte zu wenig geholt. Es gab viele Spiele, aus denen wir mit Lob gegangen sind, aber den Kürzeren gezogen haben“, resümierte Cheftrainer Alexander Blessin dann auch über die bisherigen 15 Partien. In Stuttgart hatte sich das Glück gewendet. Die Schwaben waren erwartungsgemäß die überlegenere Mannschaft, hatten die viel größeren Chancen. Aber, und das ist wichtig bei der Analyse: St. Pauli war nicht schlecht.
Hauke Wahl tat sich zwar schwer damit, von einem verdienten Sieg zu sprechen, meinte aber: „Wir haben alles reingeworfen. Mit der Art und Weise, wie wir gekämpft haben, war das vielleicht verdient.“ Dann wies der Innenverteidiger direkt auf die durch Uli Hoeneß wissenschaftlich belegte Theorie hin, wonach der Weihnachtsmann kein Osterhase ist, sich die Saison also im Frühjahr und nicht schon im Winter entscheidet: „Wenn man unsere Leistung sieht, ist das nicht schlecht. Mit 14 Punkten sind wir aber nicht zufrieden, das reicht am Ende nicht.“
Warum auch 2025 ein gutes Jahr für die Kiezkicker werden kann
Als 14. dürfen die Braun-Weißen die Feiertage trotzdem genießen. Von der direkten Abstiegszone haben sie sich auf sechs Punkte distanziert, die TSG 1899 Hoffenheim und der 1. FC Heidenheim bilden die Pufferzone zum Relegationsplatz. „Der Sieg war extrem wichtig fürs Gefühl“, sagte Blessin.
Die Indizien, dass auch 2025 Glücksgefühle für die Millerntor-Elf bereithält, verdichteten sich in Stuttgart. St. Pauli konnte sich einmal mehr auf Grundtugenden wie unbändigen Kampf sowie auf den herausragenden Torwart Nikola Vasilj verlassen, agierte aber auch clever und gereift.
Morgan Guilavogui entwickelt sich zum Schlüsselspieler
Defensiv standen die Gäste tiefer im Block, pressten nicht zu ambitioniert. „Wir haben gemerkt, dass das ganz gut funktioniert“, sagte Carlo Boukhalfa. Ungeachtet dessen, waren es in vorderster Linie dennoch Torschütze Johannes Eggestein, Morgan Guilavogui und Oladapo Afolayan, die „gegen den Ball einen unfassbaren Job machen. Sie machen uns das Leben leichter, ich ziehe meinen Hut“, sagte Mützenträger Wahl. „Wenn du siehst, wie sich die Jungs reinwerfen, setzt das Kräfte frei, das willst du dann auch“, ergänzte Boukhalfa.
Vor allem Guilavogui kommt mit seinem Tempo dabei eine Schlüsselrolle zu. „Morgan gibt uns eine andere Statik. Wir können dann lange und kurze Bälle spielen, er sorgt für Tiefgang und Variabilität“, lobte Blessin den Franzosen. Verteidiger David Nemeth bezeichnete ihn als „extrem wichtig“.
St. Paulis Weihnachtsfeier soll im Frühjahr nachgeholt werden
Doch auch der Wunschzettel bleibt nicht leer. In Schönschrift darauf geschrieben steht: Chancenverwertung. Eggestein verschoss einen Elfmeter, Afolayan vergab zwei Hochkaräter; ein Muster, das sich durch die bisherige Saison zieht. „Fußball ist ein Spiel von Zentimetern. Wir müssen diese Zentimeter auf dem Platz addieren, um uns mehr Vorteile zu erarbeiten“, sagte Afolayan, dem selbst bei einem Pfostenschuss Zentimeter fehlten.
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„Es geht aber auch darum, gegnerische Chancen früher in der Entstehung zu ersticken“, meinte Boukhalfa. Und erstmal geht es ums Regenerieren. „Um dann“, so Afolayan, „wieder Vollgas zu geben.“ Wenn dieser Neujahrsvorsatz durchgehalten wird, kann St. Pauli im Mai zwar nicht Weihnachten feiern, aber ausgiebig den Klassenerhalt.