Hamburg. Bremens Fußball-Geschäftsführer erläutert vor dem Bundesliga-Nordduell am Millerntor, wie sich der SVW vom Zweitliga-Abstieg erholte.
An Werder Bremens bisher letzten Bundesliga-Sieg beim FC St. Pauli kann sich Clemens Fritz noch grob erinnern. „Doppelpack Pizarro und wir haben am Ende 3:1 gewonnen. Wenn es wieder so ausgeht, wäre ich zufrieden“, sagt Fritz und lacht, als ihn das Abendblatt am Donnerstagvormittag erreicht.
Abgesehen von der Partie am 23. April 2011 am Millerntor machte der heutige Ehrenspielführer noch 287 weitere Pflichtspiele für die Grün-Weißen. Zu einem Auswärtsspiel auf St. Pauli kam es in der Zwischenzeit allerdings nur noch beim Zweitligaduell im Jahr 2022 (1:1), an diesem Sonnabend (18.30 Uhr) kehrt Werder Bremen erstmals wieder zu einem Bundesligaspiel ans Millerntor zurück. Fritz ist mittlerweile nicht mehr Rechtsverteidiger, sondern Fußball-Geschäftsführer – und hat großen Respekt vor dem Aufsteiger.
Werder Bremen gelang der direkte Wiederaufstieg
„Spiele am Millerntor sind immer besonders, das Stadion ist eng, es ist immer laut. Ich bin auch fest davon überzeugt, dass es am Sonnabend ein Spiel auf Augenhöhe wird. Wir lassen uns von der Tabelle nicht blenden“, sagt er. „St. Pauli wählt häufig den spielerischen Ansatz, hat eine gute Intensität und ein gutes Umschaltspiel.“
Wie schwer es ist, sich in der Zweiten Liga durchzusetzen, musste Werder in der Saison 2021/22 selbst erfahren. Im Gegensatz zu anderen Traditionsclubs wie dem HSV, Schalke 04, Fortuna Düsseldorf und Co. gelang der Mannschaft von der Weser aber der direkte Wiederaufstieg.
Trainer Ole Werner spielte eine entscheidende Rolle
„In der Zweiten Liga spielt die Hälfte der Mannschaften um den Aufstieg. Wir haben selbst gemerkt, dass es als Absteiger kein Selbstläufer ist, nach einem Jahr wieder aufzusteigen“, sagt Fritz. „Als der HSV abgestiegen ist, hat man nicht gedacht, dass die Verweildauer in der Zweiten Liga so lang sein würde. Gefühlt rechnet man auch jedes Jahr damit, dass der HSV wieder aufsteigt. Bei St. Pauli muss man einfach sagen, dass sie in den vergangenen Jahren hervorragende Arbeit geleistet haben.“
Die entscheidende Personalentscheidung für den direkten Wiederaufstieg war Trainer Ole Werner. Ende November 2021 übernahm der frühere Holstein-Kiel-Coach an der Weser, zuvor war Markus Anfang in Folge staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen wegen einer Impfpass-Fälschung in Corona-Zeiten zurückgetreten. „Als Ole Werner zu uns kam, war es ziemlich turbulent bei uns, wir hatten damals eine Lücke zu den Aufstiegsplätzen. Er hat dann schnell Klarheit und Ruhe in die Mannschaft gebracht“, erinnert sich Fritz.
Niclas Füllkrug sorgte für über 17 Millionen Euro
Ähnlich wie St. Pauli baute Werder in seinem Aufstiegssommer die Mannschaft kaum um, setzte stattdessen auf den Zweitligakader. Bis auf Kapitän Ömer Toprak blieben sämtliche Stammspieler. „Von außen gibt es immer den Wunsch nach Neuzugängen, insbesondere nach einem Aufstieg. Deshalb sah es in der Außendarstellung bei uns erst so aus, als hätten wir zu wenig getan. Heute kann man sagen, dass uns unser Weg recht gibt“, sagt Fritz.
Hinzu kommt, dass Trainer Werner zahlreiche Spieler schlicht besser gemacht hat. Neben Akteuren wie Romano Schmid (24) und Marvin Ducksch (30), deren Marktwerte von 4 auf 13 Millionen Euro (Schmid) beziehungsweise von 2,5 auf 9 Millionen Euro (Ducksch) geklettert sind, ist vor allem Niclas Füllkrug (32) zu nennen. Als Werner übernahm, lag dessen Marktwert bei 1,5 Millionen Euro, eineinhalb Jahre später wechselte er als Nationalstürmer für 15 Millionen Euro plus Bonuszahlungen in Höhe von 2,25 Millionen Euro zu Borussia Dortmund.
Investoren-Bündnis sorgt für weitere finanzielle Mittel
„Uns war klar, dass wir nach der ersten Bundesligasaison nach dem Wiederaufstieg Transfereinnahmen generieren müssen. Sportlich und menschlich hatte Niclas Füllkrug einen riesigen Wert für uns, der Transfer nach Dortmund hat am Ende aber alle Seiten glücklich gemacht. Mit den Transfereinnahmen konnten wir wieder neu in die Mannschaft investieren“, sagt Fritz.
Über ein regionales Investoren-Bündnis, das 18 Prozent der Anteile an der ausgegliederten Kapitalgesellschaft sowie zwei Aufsichtsratsmandate übernahm, erhielt der SVW im Januar weitere 38 Millionen Euro. „Mit unserem Budget bewegen wir uns aktuell immer noch im unteren Drittel der Bundesliga. Das regionale Bündnis als strategischer Partner hat uns sehr geholfen, um die nötige wirtschaftliche Beinfreiheit zu bekommen“, sagt Fritz. Auch durch das frische Geld sind die Ansprüche in Bremen wieder gestiegen.
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In der vergangenen Saison verpassten die Grün-Weißen als Achter die Qualifikation für Europa um nur zwei Tore. Auch aktuell liegt Werder als Zehnter nur zwei Punkte hinter dem sechstplatzierten BVB. „Europa ist kein Ziel für diese Saison. Trotzdem streben wir alle danach, den Verein weiterzuentwickeln“, sagt Fritz. „Mittelfristig ist es unser Anspruch, wieder europäisch zu spielen.“ Ein weiterer Schritt dafür wäre am Sonnabend ein Sieg am Millerntor – diesmal allerdings ohne einen Doppelpack von Claudio Pizarro.