Hamburg. Dem Kiezclub entgehen Millionen, die ausgerechnet der HSV einnehmen kann. Der Verein würde das gern ändern, kann es aber wohl nicht.

Seit dem späten Sonntagabend hat St. Pauli wieder Ruhe. So könnte ein billiger Ein-Euro-Gag beginnen. Wie in jedem Witz steckt auch hier jedoch ein Fünkchen Wahrheit drin. Der Winterdom hat dicht gemacht. Freilich tritt im pulsierende Stadtteil dadurch nur kurzfristig und geringfügig so etwas wie Entspannung ein. Musik dröhnt von überall her, ein permanentes Grundrauschen sollten Anwohner nicht mit einem Tinnitus verwechseln.

Aber Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel, auch was die Lautstärke betrifft. Das Millerntor-Stadion des FC St. Pauli ist als reine Sportstätte genehmigt, der Lärmschutz ein riesiges Thema – das den Bundesligisten um Möglichkeiten und Moneten bringt. Im Verein würde man das gern ändern, doch aktuell sind den Braun-Weißen weitgehend die Hände gebunden.

Keine Konzerte und keine Frauen-EM im Millerntor-Stadion

Auch für die Europameisterschaft der Frauen 2029, um deren Ausrichtung der Deutsche Fußball-Bund (DFB) neben Dänemark/Schweden, Polen, Portugal und Italien beworben hat, mussten die Hamburger passen. Das hat allerdings andere Gründe.

Nachdem die Stadt Hamburg beim DFB hinterlegt hatte, Austragungsort zu sein, bekundete neben dem HSV anfänglich auch der FC St. Pauli Interesse, Spiele im Millerntor-Stadion auszutragen. Obwohl ein Frauensportevent an einem Ort, der für Vielfalt und Gleichberechtigung steht wie kaum ein zweiter im Profifußball, sehr gut zum Image des Vereins passen würde, hatte sich dieses Thema schnell wieder erledigt.

FC St. Pauli hätte für die Uefa Sitzplatzbestuhlung anbringen müssen

„Der FC St. Pauli ist grundsätzlich offen gewesen, über eine Austragung am Millerntor zu sprechen. Es hat sich aber schnell bei der Ausschreibung gezeigt, dass die Anforderungen für internationale Spiele am Millerntor nur sehr schwer zu realisieren wären – vor allem für den Verein“, teilte Mediendirektor Patrick Gensing (50) mit.

Im Vorwege der EM hätten mehrere Räumlichkeiten der Mantelbebauung des Stadions der Uefa zur Verfügung gestellt werden müssen, es wären kleinere Maßnahmen im VIP-Bereich angefallen, vor allem hätte eine aufwendige und kostspielige Sitzplatzbestuhlung vorgenommen werden müssen. Grundsätzlich sei es aber denkbar, das Stadion im Fall einer erfolgreichen DFB-Bewerbung als Trainingsstätte zur Verfügung zu stellen.

Taylor Swift bringt dem HSV eine Million Euro ein

Heimspiele und Training – platt gesagt, viel mehr geht im Stadion nicht, was allenfalls die Greenkeeper goutieren dürften. Der FC St. Pauli würde seine Heimat hingegen schon gern hin und wieder für externe Veranstaltungen vermieten. In diesem Fall ist ausnahmsweise mal der HSV ein Vorbild, in dessen Volksparkstadion die Musik für gutes Geld spielt. Im Sommer 2023 nahm der Zweitligist durch Konzerte und ein Heimspiel der Footballer der Sea Devils allein rund 1,2 Millionen Euro ein, in diesem Jahr haben, abgesehen von einem weiteren Sea-Devils-Spiel und fünf Partien der Fußball-Europameisterschaft, zwei Auftritte von Taylor Swift nicht nur die Ohren klingeln lassen, sondern auch eine Million Euro in den HSV-Kassen.

Taylor Swift Hamburg
US-Popstar Taylor Swift (34) trat im Sommer zweimal im Volksparkstadion auf. © Funke Foto Services | Marcelo Hernandez

Wenngleich St. Pauli ein natürliches Habitat für Kulturveranstaltungen ist, gilt das explizit nicht fürs Millerntor-Stadion. Da ein Konzert- und Veranstaltungsbetrieb nicht beantragt wurde, liegt nur für den Sportbetrieb ein Lärmschutznachweis nach der Sportanlagenlärmschutzverordnung vor. Der Kiezclub steht zwar im kontinuierlichen Austausch mit den Behörden, um gegebenenfalls Veranstaltungen umzusetzen. „Gleichwohl sind wir an rechtliche Vorgaben und Auflagen in Hinsicht unter anderem auf Lärmschutz gebunden“, sagt Gensing.

Symphoniker-Konzerte und Theater-Aufführungen im Millerntor-Stadion möglich

„Wir sind mit dem FC St. Pauli dazu immer wieder in Gesprächen, Konzerte werden wir im Millerntor-Stadion aber auch in Zukunft nicht genehmigen können, jedenfalls nicht regelmäßig“, sagte Elsa Scholz, Pressesprecherin des Bezirksamts Mitte, dem Abendblatt dazu bereits Mitte April. Ändern könnte eine Überdachung des Stadions die Lage in Bezug auf Genehmigungen. Solche Pläne sind bei den Braun-Weißen akut aber weder vorgesehen noch umsetzbar. Das könnte sich perspektivisch durch die Einnahmen aus der neuen Genossenschaft, die auch in die Stadion-Infrastruktur investiert werden sollen, zwar ändern, das ist allerdings noch Zukunftsmusik.

Hörbare Musik wäre aktuell nur in kleinem Rahmen möglich. Von der Stadt ist zu hören, dass beispielsweise die Rathauskonzerte der Symphoniker Hamburg oder Theatervorführungen im Millerntor-Stadion aufgeführt werden könnten. Derzeit wird die Arena bereits für Events ähnlicher Größenordnung wie die Millerntor Gallery und Sommerkinos genutzt. Witzveranstaltungen gab es noch keine.

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