Leverkusen. Nach der Niederlage bei Bayer Leverkusen sind die Kiezkicker frustriert. Welche Detailarbeit nun im Vordergrund steht.

Nächster Schritt Stillstand. Bei Jackson Irvine und Hauke Wahl ging erstmal nichts mehr. Minutenlang verharrten die Routiniers im Rachen der BayArena zwischen Spielfeldaufgang und Kabineneingang. Fast so, als befürchteten sie, es gebe drinnen die gleiche Haue, die der FC St. Pauli draußen anfangs von Bayer Leverkusen bezogen hatte, ehe er sich dann bravourös wehrte und den Doublesieger beim 1:2 (0:2) am Sonnabend noch arg ins Wanken brachte.

Angst war es aber nicht, die Irvine und Wahl fesselte, sondern Ärger. „Wir haben über den Spielbeginn diskutiert, als uns die Aggression gefehlt hat. Das kann nicht sein, wir haben mehr drauf, wie wir dann auch gezeigt haben“, sagte Irvine wenig später, verbal schon in der Lage zum nächsten Schritt. Der wirklich bedeutsame nächste Schritt sei es aber, endlich mal etwas Zählbares von einem der Topclubs mitzunehmen.

FC St. Pauli trauert verpassten Chancen gegen Topclubs hinterher

Es ist ja einerseits so, wie Philipp Treu sagt: „Dass wir mit den großen Mannschaften mithalten können, ist beachtlich. Das können die Teams hinter uns in der Tabelle nicht so.“ Oder so, wie es Trainer Alexander Blessin formuliert: „In letzter Instanz rechnet man hier nicht mit den Punkten, aber man kann zumindest zeigen, hey, wir sind da.“

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Peter Nemeth (52/r.) ist bei St. Pauli für die offensiven Standards zuständig. Der Slowake gilt als Experte auf diesem Gebiet und dürfte bald erste Fortschritte verzeichnen. © WITTERS | UlrichHufnagel

Und dann blickt man ins Gesicht von Jackson Irvine, der wie ein bedröppelter Pudel – oder im Fall seiner Gesichtsbehaarung bedröppelter Schnauzer – dreinschaut und sagt: „Ich bin richtig enttäuscht, wir sind richtig enttäuscht.“ Muss man nach einer knappen Niederlage in Leverkusen erstmal sagen? Sollte man sogar sagen. „Denn dieser Antrieb macht unsere Mannschaft aus“, meint Irvine. Auch Johannes Eggestein kann mit Stolz auf den ordentlichen Auftritt wenig anfangen. „Davon können wir uns nichts kaufen“, so der Stürmer.

Jackson Irvine: „Wir müssen mental den Schalter umlegen“

Da das Geld zum Kaufen von Punkten (oder Spielern) nicht so flüssig sitzt, müssen die Kiezkicker auf Bundesliga-Beutetour gehen. Nur wie? „Mental müssen wir einen Schalter umlegen. Noch mehr an uns glauben, aber vor allem taktisch so konzentriert sein, dass uns deutlich weniger Fehler unterlaufen“, visualisierte Irvine den nächsten Schritt in der Evolution seiner Mannschaft.

In Leverkusen war die individuelle Klasse des Meisters hauptsächlich verantwortlich für St. Paulis Pleite. Doch die Gegentreffer waren vermeidbar. „Beim 0:1 müssen wir handlungsschneller sein, die Räume befüllen“, sagte Blessin. Diese schwierig zu verteidigenden Zwischenräume, bei denen es einer klaren Kommunikation bedarf, gingen in den Pressingmomenten der Hamburger oft ein kleines Stück zu weit auf. Topteams wie Bayer genügen winzige Lücken.

Ungefährlichkeit bei Standards ein großes Thema für St. Pauli

In der zweiten Halbzeit stellten die Braun-Weißen auch deshalb auf ein mannorientiertes Eins-gegen-Eins-Pressing um, das deutlich besser funktionierte. Selbst dann, wenn St. Pauli sehr hoch verteidigt. Blöd nur: Zu diesem Zeitpunkt stand es bereits 0:2, weil die Gäste zum dritten Mal in dieser Saison im Anschluss an eine Ecke einen Gegentreffer kassiert hatten. Diese Anzahl ist nach 13 Spieltag im Rahmen.

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Eric Smith (27) fehlt die Präzision bei seinen Standards. © Witters | Ulrich Hufnagel

Das größere Thema im permanenten Katz-und-Maus-Spiel bei Standards ist die offensive Ungefährlichkeit des Aufsteigers dabei. Noch kein Tor folgte unmittelbar auf einen ruhenden Ball, vergangene Saison war das noch eine große Stärke, wenngleich in Liga zwei. Eric Smith fehlt mitunter die Präzision, auf die bisherigen Varianten nach Ecken, Einwürfen und Freistößen wusste die Konkurrenz zumeist die passenden Antwort. Standardsituationen lassen sich jedoch gut trainieren und sind daher ein logischer nächster Schritt auf dem Weg zum konstanteren Punkten.

Die Idee mit dem Ball fehlt noch

Die höhere Schule, weil wesentlich komplexer, wäre es, noch progressivere – ein tolles Wort, um viel und nichts zugleich zu sagen – Ideen mit dem Ball zu entwickeln. „Wir müssen mitunter klarer sein, ob wir zirkulieren oder sofort in die Tiefe spielen. Sonst ist jeder zweite, dritte Ball gleich wieder beim Gegner“, bemängelte Blessin.

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Es ist also ein kleiner Marsch an nächsten Schritten zu absolvieren. Ist er zu absolvieren? Absolut. Irvine und Wahl fanden schließlich auch noch die Kabine.