Hamburg. Der Spanier ist mehr als ein Titel-Trainer. Mit Ideen aus seiner Heimat macht er Bayer stark – und dem FC St. Pauli die Aufgabe hart.
Das Estadio Municipal de Anoeta in San Sebastián wurde am 13. August 1993 eröffnet. Offiziell … Das erste Tor fiel bereits Tage zuvor, als sich ein gewisser Xabier „Xabi“ Alonso Olano, damals elf Jahre alt, sein Bruder Mikel und einige Freunde Zugang zur offenen Baustelle verschafften und ihre eigene Version des großen Eröffnungsspiels austrugen. Um die noch unfertigen Tribünen kümmerten sie sich nicht. Es ging nur um Fußball. Roh, leidenschaftlich, pur. Anschließend führten die Jungs improvisierte Interviews im Stadion.
31 Jahre später hat sich daran wenig geändert – zumindest, was Alonsos Ansatz zum Fußball betrifft. Der Spanier ist noch immer Purist wie Pragmatiker zugleich. Ach ja, hochdekorierter Titelsammler als Spieler und Doublegewinner mit Bayer Leverkusen als Trainer ist Alonso inzwischen auch. Seine Mannschaft spielt Fußball, wie er ihn als Kind auf der Baustelle lernte: strukturiert, spitzbübisch, spitzenmäßig. Kurzum: Die ultimative Herausforderung für den FC St. Pauli, der an diesem Sonnabend (15.30 Uhr/Sky) in der BayArena beim Deutschen Meister antritt.
Xabi Alonso: Hamburger schreibt Buch über den Meister-Trainer
Wenn es um Leverkusen geht, geht es aktuell auch immer um Alonso, der der Trainer-Shootingstar des Weltfußballs geworden ist. Kein Verein würde ihm eine Anstellung verwehren. All dieses Theater um ihn ist dem 43-Jährigen dabei gar nicht so recht. „Als Trainer gibt es Parallelen zu ihm als Spieler. Es geht ihm immer darum, andere besser zu machen. Er hat mal gesagt, wenn er selbst der Beste auf oder neben dem Platz war, habe er die anderen nicht gut genug eingesetzt“, sagt Tim Stegmann (35).
Dem Hype um den Weltmeister und zweifachen Europameister hat sich der Verbandssportlehrer des Hamburger Fußball-Verbands intensiv gewidmet. Stegmann, der in Spanien Fußball studiert hat (ja, das geht), hat „Xabi Campeón – Das Meister-Trainer-Buch“ geschrieben, in dem er den Fußball Alonsos seziert, aber auch den Familienmenschen skizziert.
Seine Familie und das Baskenland prägen den Weltmeister
Sein Vater Periko, früher Spieler beim FC Barcelona und Real Sociedad, und das Baskenland waren prägend. „Eine Region, in der harte Arbeit, Bescheidenheit und Demut sehr hochgeschätzt werden“, sagt Stegmann. Überproportional viele Basken haben sich ausgehend von diesen Werten zu erfolgreichen Trainern im Fußball entwickelt. Mit Alonso an der Spitze. Stegmann beschreibt ihn Perfektionisten, immer getrieben von seiner Erziehung und dem Bewusstsein, wo er herkommt.
Wo er auf dem Platz hinwill, unterscheidet sich dagegen von Spiel zu Spiel. „Ausgehend vom grundlegenden System, das Bayer ausmacht, ist er sehr variabel. Er fragt sich vor jeder Partie, was heute benötigt wird“, sagt Stegmann. Das beste Beispiel hierfür ist das jüngste. Beim 1:0-Sieg im DFB-Pokal-Achtelfinale am Dienstag beim FC Bayern München bildeten in Jeremie Frimpong, Florian Wirtz und Alejandro Grimaldo drei ungelernte Stürmer das Angriffstrio. „Weil sie über die spielerischen Charakteristika verfügen, die Bayer für dieses Spiel in der Startphase benötigt hat. Das ist eine sehr bewusste Facette von Alonsos Fußball, dass er weniger auf die Position schaut, sondern mehr darauf, wie die Spieler glänzen können“, sagt Stegmann, der lange im Nachwuchsleistungszentrum des VfL Wolfsburg arbeitete.
St. Paulis Trainer Alexander Blessin: „Alonso hat die Balance gefunden“
„Er hat das hervorragend gemacht“, sagt St. Paulis Trainer Alexander Blessin (51) über Alonso, auf den er erstmals trifft. Sicher komme dem Ex-Star des FC Liverpool, von Real Madrid und vom FC Bayern seine Reputation und der Erfahrungsschatz aus Spielertagen zu Gute. „Aber es ist immer die Frage, wie man es den Jungs näher bringt. Er hat die Balance gefunden, was schwierig ist“, sagt Blessin, der wie Alonso eher zur Pragmatik denn der Dogmatik tendiert.
Dass aus einem sehr guten Spieler nicht automatisch ein herausragender Trainer wird, schien Alonso viel schneller begriffen zu haben als sein Umfeld. „Von extern dachten alle, er sei früher bereit, als er sich selbst gefühlt hat“, sagt Stegmann. Seine Coachinglaufbahn begann Alonso dann auch Superstar-untypisch bei der U 14 von Real Madrid, betreute anschließend die zweite Mannschaft von San Sebastián. Der Bogen zurück in seine Heimatregion spannt sich an dieser Stelle nicht nur geografisch. Auch von der Herangehensweise, die Dinge fleißig von Grund auf zu lernen und korrekt vorzugehen, tritt der Baske in Alonso deutlich hervor.
FC St. Pauli vor großer Herausforderung bei Bayer Leverkusen
„Man muss Leverkusen Respekt zollen“, sagt Blessin. Mit Alonso sei der Werksclub im Herbst 2022 ein Risiko eingegangen. „Aber hier zeigt sich, dass Bayer nicht nur bei Spielern, sondern auch Trainern ein gutes Scoutingsystem hat.“ Sein eigenes Scouting von Alonsos Leverkusen hat Blessin abgeschlossen. Die gute Nachricht: Zumindest Alonso selbst kann kein Tor gegen St. Pauli erzielen, weder im Estadio Anoeta noch der BayArena. Die schlechte: Ob auf der Baustelle oder im Fußballtempel, er wusste fast immer sein Spiel durchzusetzen.
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Bayer Leverkusen: Kovar – Tapsoba, Tah, Hincapie – Xhaka – Frimpong, Palacios, Aleix Garcia, Grimaldo – Tella, Wirtz.
FC St. Pauli: Vasilj – Wahl, Smith, Nemeth – Saliakas, Irvine, Boukhalfa, Treu – Afolayan, Eggestein, Guilavogui.