Hamburg. Der Star des FC Bayern München wird für die Hamburger zur ultimativen Herausforderung. So kann diese gemeistert werden.
Im Internet soll es ja alles geben. Doch Harry Kane ist diese eine Lücke im System. Der Fehler in der Matrix. In welchen Suchmaschinen oder Videoportalen man auch sucht, in welchen Abwandlungen man die Frage „Wie ist Harry Kane zu verteidigen?“ stellt, Ergebnisse: Null. Komma Null.
Selbst die Nachfrage bei der Künstlichen Intelligenz liefert wenig Hilfreiches für den FC St. Pauli, der am Sonnabend (15.30 Uhr) im Millerntor-Stadion Kanes FC Bayern München empfängt. ChatGPT empfiehlt, darauf muss man erstmal kommen, die Schwachstellen des Engländers zu analysieren: „Er ist zwar ein kompletter Spieler, hat aber vielleicht in bestimmten Situationen, wie beim Kopfballspiel oder in der Defensive, Schwächen, die du ausnutzen kannst.“ Vielleicht Schwächen, ganz genau und herzlichen Dank auch. Final sieht selbst das Programm ein: „Harry Kane ist ein äußerst talentierter Stürmer, und ihn zu verteidigen kann eine Herausforderung sein.“
Wie der FC St. Pauli Harry Kane stoppen kann
In der Bundesliga momentan die ultimative. Elf Treffer hat der amtierende Torschützenkönig in neun Spielen bereits erzielt, dazu sieben Vorlagen beigesteuert. Kane zu kontrollieren – eine „mission impossible“ also?
„Nee“, sagt Olufemi Smith, „unmöglich ist im Fußball ja nichts.“ Dann lacht der Uefa-Pro-Lizenz-Inhaber, der von 2019 bis 2023 den Regionalligisten Eintracht Norderstedt trainiert hat. „Sich um Kane zu kümmern, ist eine der denkbar schwierigsten Aufgaben im Fußball“, meint der 46-Jährige. Dafür benötige es keine Künstliche Intelligenz, sondern Schwarmintelligenz.
Hamburger Trainer Olufemi Smith: „Es kann nur im Kollektiv funktionieren“
„Es kann auf jeden Fall nur im Kollektiv funktionieren. Eine gute Kommunikation ist entscheidend, um die richtigen Abstände zu halten und die Übergaben zu organisieren“, sagt Smith. Was den Kapitän der englischen Nationalmannschaft so besonders unberechenbar macht, ist seine für einen klassischen Torjäger eher untypische Spielweise. Der Vize-Europameister ist eben der Fehler in der Matrix.
„Er ist immer online“, würde St. Paulis Cheftrainer Alexander Blessin vermutlich über Kane sagen. Der 31-Jährige hält sich nicht ausschließlich im Zentrum auf, sondern lässt sich häufiger fallen, um dann blitzartig in den Strafraum einzudringen. „Die Gefahr besteht darin, ihm im Eins-gegen-Eins überall hin zu folgen, was dann Räume für seine Mitspieler öffnet, die er haargenau findet. Genau das wollen er und die Bayern provozieren“, sagt Smith, der momentan auf Suche nach seiner nächsten Trainerstation ist und zuletzt bei Daniel Thioune in Düsseldorf hospitierte.
St. Paulis stabile Verteidigung gegen den FC Bayern München entscheidend
Dort also, wo die Fortuna bereits vergangene Saison Bekanntschaft mit einer sehr gut organisierten Defensive St. Paulis machte. Die Verteidigung der Kiezkicker ist der Hauptgrund, weswegen Smith glaubt, dass nicht nur im Fußball, sondern auch bei Braun-Weiß gegen Rot-Weiß nichts unmöglich ist: „Die Eingespieltheit der drei Innenverteidiger Hauke Wahl, Eric Smith und Karol Mets ist ein großer Vorteil, die Abläufe stimmen einfach. Mit Nikola Vasilj haben sie dazu einen Torwart von gehobenem Bundesliga-Format.“
Durch ein stabiles und vor allem im Zentrum sehr kompaktes 5-4-1 ohne Ball ist es den Hamburgern bereits viermal gelungen, zu null zu spielen. Das Arbeitspensum der Außenverteidiger Manolis Saliakas und Philipp Treu ist enorm gewesen. Für Treu offenbar zu viel. Er zog sich am Sonnabend beim 2:0 gegen die TSG 1899 Hoffenheim eine muskuläre Verletzung im linken Oberschenkel zu und wird bis auf Weiteres nicht zur Verfügung stehen. Ihn ersetzt der verlässliche, aber offensiv nicht ganz so potente Lars Ritzka.
Nicht nur Kane: Auch Michael Olise, Kingsley Coman und Jamal Musiala überzeugen
Kleiner Zusatz: Da die Fünferkette aus einem Griechen, einem Schweden, einem Esten und zwei Deutschen besteht, wird Englisch miteinander gesprochen. Kane kann also genau verstehen, wie er und seine Mitspieler um die Wirbelwinde Jamal Musiala, Michael Olise und Kingsley Coman vom Tor abgeschirmt werden sollen.
Gerade die besagten Außen Olise und Coman dürften St. Pauli enorm beschäftigen. Schon Hoffenheim bereitete dem Aufsteiger auf diese Weise Schwierigkeiten. Allerdings brachte den Kraichgauern ihre Strategie, die der Blog „Millernton“ sehr passend „Flanken, Flanken, Flan-gähn“ beschrieb, rein gar nichts. Sollten die Bayern darauf zurückgreifen, wären wir schon wieder bei Kane angelangt. Mit seiner Kopfballstärke ein dankbarer Abnehmer hoher Bälle.
Unter Vincent Kompany sind die Bayern in Topform
Maximal undankbar ist es hingegen, gerade zu diesem Zeitpunkt auf die in Topform befindlichen Münchener zu treffen, die Ex-HSV-Verteidiger Vincent Kompany offenbar aus der Lethargie und Frustration der vergangenen, titellosen Saison herausgecoacht hat. Doch selbst der Spitzenreiter hat seine Schwächen, was Aston Villa (0:1) und der FC Barcelona (1:4) in der Champions League schonungslos aufdeckten. „Die Konterabsicherung ruckelt noch ein wenig. Wenn St. Pauli in den Umschaltmomenten gut die Tiefe bespielen kann, liegt darin eine kleine Chance“, vermutet Smith.
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Ein Weiteres dürfte die Kulisse auf dem Heiligengeistfeld beitragen. Rund um den Kiezclub sind fast alle Protagonisten heiß auf das ungleiche Duell. „Bayern soll zu uns kommen, die Atmosphäre vom Millerntor genießen. Und dann schauen wir mal, was rauskommt“, sagte Blessin schon Minuten nach dem Hoffenheim-Sieg. Wenn wirklich alles glattläuft, kommt ja vielleicht das erste Lehrvideo heraus, wie man Harry Kane verteidigt. Produziert vom FC St. Pauli.