Sinsheim/Hamburg. Beim Sieg gegen Hoffenheim glänzt der Aufsteiger defensiv erneut. Aber was bedeutet das für die Mission Klassenerhalt?
Vielleicht hat Alexander Blessin am Sonntagnachmittag seine Meinung revidiert und noch richtig Freundschaft geschlossen mit seinem „Kumpel“. Dann nämlich, wenn der Trainer des FC St. Pauli sah, wie der 1. FC Nürnberg den HSV phasenweise an die Wand spielte. Dann könnte Blessin gedämmert haben, dass er womöglich Kompliment mit Kritik verwechselt hatte. Aber am Sonnabend wollte sich der 51-Jährige noch den Kollegen vorknöpfen, der Hoffenheims Coach Pellegrino Matarazzo vor der Partie gefragt hatte, ob St. Pauli oder Pokalgegner Nürnberg, mit Verlaub, nur ein Zweitligist, der gefährlichere Kontrahent sei.
„Das fand ich despektierlich, da stelle ich mich vor meine Mannschaft. Wer war der Kumpel, der das gefragt hat?“, interessierte Blessin. Niemand wagte sich aus der Deckung. Was den mutmaßlichen Kraichgauer Frechdachs nicht maßgeblich von Blessins richtigen Kumpels, seinem Team, unterschied, die bei der TSG 1899 einen 2:0 (1:0)-Sieg vor allem über die Ziellinie verteidigten. Bevor das zu despektierlich klingt, sei ein zusätzliches Adjektiv erlaubt: verdient verteidigten.
Nur 15. oder immerhin? Wie gut ist der FC St. Pauli wirklich?
Denn die Leistung gegen Hoffenheim reiht sich nahtlos ein in die überwiegend überzeugenden Auftritte der Kiezkicker, an deren Ende inzwischen die Frage steht, ob der Aufsteiger eigentlich lediglich 15. ist oder immerhin? Die Antwort darauf ist ebenso eine kleine Detektivaufgabe wie Blessins Suche nach dem Kumpel. „Wir sind eine harte Nuss zu knacken und hatten bei neun Spielen sieben richtig gute Performances, wo teilweise mehr hätte rauskommen müssen“, ist der Coach überzeugt. Zugleich sei in Sinsheim der nächste Entwicklungsschritt erfolgt.
Nuance um Nuance werden die Hamburger besser. Nun fanden sie den bislang passendsten Mix aus stabiler Defensive und mutigem Pressing. „Wir haben die richtigen Momente ausgewählt, um nach vorne zu verteidigen“, lobte Blessin. Kapitän Jackson Irvine, der beide Treffer vorbereitete, unterstrich: „Alle von uns müssen für alles in dieser Liga hart arbeiten. Genau das ist uns ausnahmslos gelungen. Keiner hat gepennt.“
Defensiv sind die Kiezkicker bereits auf gutem Bundesliga-Niveau
Das ist aber auch Voraussetzung für den Klassenerhalt, da St. Pauli nicht über die „brutale individuelle Qualität“, so Carlo Boukhalfa, von Konkurrenten im Abstiegskampf des Kalibers von Hoffenheim verfügt. Besonders offensiv machte sich das in der bisherigen Saison bemerkbar. Dass die Gäste am Sonnabend keine Frühaufsteher waren, hätte die komplette Geschichte der Partie schon umschreiben können. Über die defensiven Außenbahnen hatte der Kiezclub anfangs massive Probleme. „Da war unser Timing zu spät, wir haben die Außenspieler nicht begleitet, nur auf den Ball geschaut“, sagte Blessin. Doch seine Freunde fingen sich schnell, standen danach viel stabiler, was ihren Reifeprozess verdeutlichte.
Längst beantwortet ist durch Spielweise wie mittlerweile auch Resultate die Frage, ob St. Pauli der Klassenerhalt gelingen kann. Was allen voran an der guten Defensive liegt. Die Braun-Weißen haben die viertwenigsten Gegentore kassiert (elf), spielten vor allem dank Torwart Nikola Vasilj schon viermal zu null und liegen auch bei den aussagekräftigeren statistisch erwarteten Gegentreffern („expected goals against“) auf Platz acht (12,64).
Jackson Irvine: „Wir sind ein ausbalanciertes Team“
Offensiv war diesmal die Effizienz das Erbaulichste. „Klar standen wir tief und hatten wenig Ballbesitz. Aber der Sieg war nicht so ganz unverdient“, fand Blessin. Irvine verwies noch mal darauf, „dass wir gezeigt haben, wie dominant wir auch mit dem Ball sein können. Wir sind ein ausbalanciertes Team.“
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Der Beweis dafür muss allerdings in ausreichender Konstanz noch angetreten werden. Dann lässt sich die These stützen, dass Platz 15 etwas zu tief in der Tabelle ist. Was sich definitiv festhalten lässt: Besser als Nürnberg ist St. Pauli auf jeden Fall, Kumpel.