Hamburg. 2022 wechselte das hochtalentierte Eigengewächs nach Hoffenheim. Jetzt spricht er über seine Leiden, Ziele und ein neues Projekt.
Es war zwar kein Freitag, der 13., sondern Sonnabend, der 13. Juli dieses Jahres, als für Finn Ole Becker alles, was er sich für die neue Bundesliga-Saison vorgenommen hatte, von einem Moment auf den anderen vorerst nur noch Makulatur war. Im ersten Testspiel der TSG 1899 Hoffenheim beim Nachbarclub FC-Astoria Walldorf (7:1) zog sich der 24 Jahre alte Mittelfeldspieler eine derart schwere Meniskusverletzung im linken Knie zu, dass er drei Tage später in Innsbruck operiert werden musste.
Dreieinhalb Monate später arbeitet Becker weiter in der Reha akribisch für sein Comeback. An diesem Sonnabend (15.30 Uhr, Sky und Liveticker abendblatt.de) trifft Hoffenheim in der Bundesliga auf den FC St. Pauli, bei dem Becker von 2011 an alle Nachwuchsmannschaften durchlaufen hatte und bereits im Alter von 18 Jahren unter dem gerade als Cheftrainer verpflichteten Jos Luhukay sein Zweitliga-Debüt gab, ehe er nach insgesamt 84 Zweitliga-Einsätzen mit vier Toren und sechs Vorlagen im Sommer 2022 nach Hoffenheim wechselte.
Finn Ole Becker wird das Duell zwischen seinem aktuellen und seinem Ex-Club also nur von außen verfolgen können. „Wenn ich Fußball schaue, tut es mir natürlich schon sehr weh, weil ich unbedingt wieder auf dem Platz stehen möchte. Denn das ist es, was ich liebe. Die Zeit ist also nicht einfach, mir fehlt das Fußballspielen enorm“, sagt Becker im Gespräch mit dem Abendblatt.
Bundesliga: St. Pauli tritt Sonnabend bei der TSG Hoffenheim an
Dass er jetzt das Spiel gegen St. Pauli verpasst, schmerze ihn natürlich besonders. „Das Rückspiel im Millerntor-Stadion habe ich mir schon dick im Kalender markiert“, sagt er. Dies ist für das Wochenende 14./15./16. März angesetzt, also knapp hinter dem ominösen 13. Tag des Monats.
„Ich habe eine lange und sehr schöne Zeit bei St. Pauli verbracht“, blickt Becker ohne Groll auf die elf Jahre zurück, in denen er vom talentierten Jungen zum Zweitligaprofi reifte und auch in den Nationalteams von der U 18 bis zur U 21 das DFB-Trikot tragen durfte. So sehr sich St. Paulis Sportchef Andreas Bornemann aber auch bemühte, Becker über den Sommer 2022 hinaus an den FC St. Pauli zu binden, hatte der Millerntorclub letztlich keine Chance, als Hoffenheim die Chance ergriff, den Linksfuß ablösefrei zu verpflichten. Insider sprechen davon, dass Becker der Wechsel ins Kraichgau mit einem Handgeld von einer Million Euro zusätzlich schmackhaft gemacht wurde.
„Lange und schöne Zeit bei St. Pauli verbracht“
Becker selbst betont hingegen, dass rein sportliche Gründe ausschlaggebend waren. „Ich persönlich hatte damals einfach ein gutes Gefühl und wollte unbedingt in die Bundesliga wechseln, nachdem ich mit meinem Heimatverein den Aufstieg verpasst hatte. Für mich hat sich der Schritt zu diesem Zeitpunkt also richtig angefühlt“, stellt er klar und widerspricht der These, dass für ihn seinerzeit ein oder zwei Jahre in der Zweiten Liga bei St. Pauli für seine sportliche Entwicklung sinnvoller gewesen wären: „Das lässt sich von außen immer so leicht sagen.“
In Hoffenheim aber traf Becker auf eine immense interne Konkurrenz im Mittelfeld. Neben etablierten Bundesligaprofis wie Christoph Baumgartner, Thomas Delaney, Sebastian Rudy, Dennis Geiger und Grischa Prömel war da auch noch der ein Jahr jüngere und hochtalentierte Angelo Stiller, der ein Jahr später zum VfB Stuttgart ging und sich inzwischen zum A-Nationalspieler entwickelt hat.
Becker brauchte Zeit, um sich in Hoffenheim zu akklimatisieren
Auf ganze 13 Erstliga-Einsätze kam Becker daher in seiner ersten Saison in Hoffenheim, davon nur sechs in der Startelf und zwei über die vollen 90 Minuten. „Ich habe vor allem im ersten Jahr einige Zeit gebraucht, um im Verein und vor allem sportlich in der Bundesliga anzukommen und um mich als geborenes Nordlicht im Süden Deutschlands zu akklimatisieren“, räumt er in einer erfrischenden Offenheit ein. Zwischendurch sammelte er immer mal wieder Spielpraxis in Hoffenheims U-23-Team in der Regionalliga Südwest.
Weiter sagt Finn Ole Becker: „Im zweiten Jahr ist mir das zwar schon besser gelungen, aber da war definitiv noch viel Luft nach oben.“ 22 Bundesliga-Einsätze, fünf davon in der Startelf, belegen dies. „Mein klares Ziel ist es, mich hier in Hoffenheim auf Dauer durchzusetzen. Ich bin diesbezüglich sehr ehrgeizig und freue mich somit noch auf alles, was da in Zukunft so kommen mag – denn ich bin hier bei der TSG noch lange nicht fertig“, bekräftigt er und ergänzt: „Davon abgesehen würde ich aber schon sagen, dass ich mich hier sowohl menschlich als auch fußballerisch durchaus schon deutlich weiterentwickelt habe.“
Becker: „Ich bin hier lange noch nicht fertig“
Jetzt aber geht es erst einmal darum, wieder richtig mitzumischen anstatt von einem Reha-Termin zum nächsten zu eilen. „Ich habe in dieser schweren Zeit auch wieder einmal gemerkt, dass nichts im Leben selbstverständlich und die Gesundheit das Wichtigste ist“, sagt er und gibt sich vorsichtig optimistisch: „Ich sehe mich aktuell auf einem guten Weg und möchte so bald wie möglich auch wieder ins Teamtraining einsteigen. Das ist momentan definitiv mein größtes Ziel.“
Ein wenig Ablenkung von seiner aktuellen Situation hat der aus Elmshorn stammende Finn Ole Becker auch durch ein Projekt in der Heimat. Im September wurde im Gewerbegebiet Kaltenkirchen-Süd (Leibnizstraße 9 a) eine Indoor-Padel-Anlage mit sieben Courts eröffnet. Becker fungiert dabei als einer der Betreiber von „Padel Passion“.
Becker ist an der Indoor-Anlage „Padel Passion“ beteiligt
Hintergrund ist, dass sein gleichaltriger und langjähriger Kumpel Michel Spillner und dessen Vater Frank (57) schon vor zwei Jahren die Idee geboren hatten, eine Halle für den wachsenden Rückschlagsport Padel – grob eine Mischung aus Tennis und Squash – zu errichten und zu betreiben.
„Ich wollte schon immer etwas gemeinsam mit meinem besten Freund Michel machen, am liebsten im Sportbereich. Als er mich 2022 angerufen und mir von der Idee mit der Padel-Anlage erzählt hat, musste ich nicht lange überlegen und habe sofort zugesagt“, erzählt Finn Ole Becker, der früher gelegentlich, auch mit Michel Spillner, Tennis und Tischtennis gespielt hat.
Er selbst ist längst auch zu einem begeisternden Padel-Spieler geworden und bringt auf den Punkt, was ihm so viel Spaß bereitet: „Wenn ich mich nur auf zwei zentrale Sachen beschränken müsste, würde ich sagen: die Einfachheit und gleichzeitig die Vielfalt des Sports. Jeder kann relativ schnell Padel auf einem Niveau erlernen, sodass alle vier Personen ihren Spaß auf dem Platz haben.“ Gleichzeitig bringe das Zusammenspiel mit dem Glas, also der Bande, eine spannende Herausforderung mit rein. „Jeder Ballwechsel ist unterschiedlich.“
Becker glaubt an einen „riesigen Markt“ für Padel
250 Interessierte waren im September zur Eröffnung von „Padel Passion“ gekommen. Das bisherige Feedback nach den ersten Wochen sei „überwältigend“, sagt Becker und ist davon überzeugt, dass diese hierzulande zwar nicht mehr ganz unbekannte, aber auch noch nicht weit verbreitete Sportart, potenziell einen „riesigen Markt“ hat.
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Dies auch deshalb, weil sie recht leicht zu erlernen ist und sich daher schnell Erfolgserlebnisse auch bei denen einstellen, die vorher noch keine Schlägersportart aktiv betrieben haben. „Fast jeder geht nach einer Stunde mit einem Lächeln vom Platz. Das ist etwas Besonderes“, hat Becker festgestellt, der neben seinem finanziellen Engagement vor allem für den Bereich Social Media und Marketing zuständig ist.
Unterdessen ist es nicht ausgeschlossen, dass in ein paar Jahren der Name Becker erneut in der Profikaderliste des FC St. Pauli auftauchen wird, auch wenn Finn Ole keinerlei Rückkehrgedanken hegt. In der U-17-Mannschaft des Kiezclubs spielt derzeit viel mehr sein 15 Jahre alter Bruder Jesper und hat in sieben Einsätzen in der neuen U-17-DFB-Nachwuchsliga schon mit vier Toren auf sich aufmerksam gemacht.
Bei St. Pauli spielt Bruder Jesper Becker im U-17-Team
Ob er in die Fußstapfen seines Bruders treten kann? „Das Zeug, um Fußballprofi zu werden, hat er allemal“, sagt Finn Ole Becker, betont aber auch: „Es gehört ja viel mehr dazu. Wichtig ist, dass er vor allem fit bleibt. Dann wird er seinen Weg definitiv gehen.“ Und dann lässt der große Bruder mit einem Augenzwinkern und Lächeln eine kleine, familieninterne Spitze vom Stapel: „Noch verliert er in allen Sportarten gegen mich.“
Die voraussichtlichen Aufstellungen:
TSG Hoffenheim: Baumann – Chaves, Stach, Akpoguma – Gendrey, Bischof, Grillitsch, Prass – Kramaric – Hlozek, Bülter.
FC St. Pauli: Vasilj – Wahl, Smith, Wahl – Saliakas, Irvine, Boukhalfa, Treu – Afolayan, Eggestein, Guilavogui.
Schiedsrichter: Stegemann (Niederkassel).