Freiburg. Der Shootingstar der Hamburger avancierte in Freiburg zum Matchwinner. Was über das Zwiegespräch mit Trainer Alexander Blessin verriet.
Oladapo Afolayan war schon sehr zu bemitleiden. Da bringt es sein Mannschaftskamerad Elias Saad beim 3:0 (2:0) des FC St. Pauli beim SC Freiburg am Sonnabend der Perfektion ganz nahe, aber der Engländer sah nichts davon. „Er war auf der anderen Seite“, sagte der Rechtsaußen über den Linksaußen. „Aber er war wieder gut“, so viel hatte Afolayan anscheinend doch mitbekommen.
Wobei „gut“ in diesem Fall eine Kunstform der Tiefstapelei ist. Saad war nicht gut, er war sondergleichen ersten Ranges. Das ging weit über seine zwei wunderschönen Tore und die Vorlage zum zwischenzeitlichen 2:0 von Afolayan – den er da zumindest sah – hinaus.
Elias Saad avanciert zum Matchwinner des FC St. Pauli
Es fing aber auch damit an. Als der 24-Jährige Robustheit mit Finesse paarte, sich gegen Freiburgs armen Lukas Kübler durchsetzte, dann Torwart Noah Atubolu in die von ihm aus rechte Ecke schickte, aber mit links nach links oben schlenzte. Das Tor zum ersten Bundesligasieg des Kiezclubs seit 13 Jahren war offen.
Und die Hamburger gingen durch, weil Saad auch den Schlusspunkt setzte. Mit einem Solo, das zum Träumen einlädt und den Beobachter zugleich um den Schlaf bringen kann. Angesetzt in der eigenen Hälfte machte sich der Edeltechniker dribbelnd auf und davon. „Ich habe gesehen, dass da auf einmal sehr viel Platz ist. Auch, weil Jojo (Johannes Eggestein) einen sehr guten Laufweg gewählt hat, um den Innenverteidiger außen zu bedrängen“, sagte Saad. Kurz habe er überlegt, seinen Mittelstürmer zu bedienen, slalomierte dann aber „irgendwie“ an drei Freiburger Staffagen vorbei, „bis ich mit letzter Kraft geschossen habe und das Ding sehr glücklich reingeht“.
Seltene Tore gebühren seltenen Spielern
Der Treffer besitzt die seltene Eigenschaft, zugleich zum „Tor des Monats“ sowie auch Arnd Zeiglers „Kacktor des Monats“ nominiert werden zu können, weil sich Atubolu doch reichlich quatschig anstellte beim Versuch einer Parade. Aber seltene Tore passen zu seltenen Spielern wie Saad.
Ende 2022 kickte er noch in der Regionalliga für Eintracht Norderstedt. Nun ist der Wilhelmsburger das teuerste Anlagegut St. Paulis. Den auf drei Millionen Euro taxierten Marktwert (Quelle: transfermarkt.de) dürfte der Linksfuß auf dem freien Markt locker übertreffen. Lust und Not, den Kreativposten zu veräußern, haben die Braun-Weißen derzeit aber keine. Zu dringlich wird er benötigt.
Inzwischen ist auch Alexander Blessin von Saad überzeugt
Inzwischen auch von Cheftrainer Alexander Blessin. Der hatte, aus Sicht vieler überraschend, in den ersten drei Bundesligaspielen auf Saad und Afolayan in der Startelf verzichtet. Systembedingt, aber auch weil beide Potenzial in der Arbeit gegen den Ball hatten, die dem neuen Coach wichtig ist.
In Freiburg verzichtete Blessin wieder auf Saad – aber erst nach 83 Minuten. Der Auswechslung des Matchwinners folgten eine lange Umarmung und ein kurzes Zwiegespräch. „Er meinte, dass er stolz auf mich ist, und ich jetzt nicht aufhören, sondern so weitermachen soll“, verriet Saad.
Exaltiertheit ist St. Paulis teuerstem Anlagegut fremd
Davon ist auszugehen. Der Shootingstar definiert sich nach wie vor über harte Arbeit im Training, Allüren sind ihm fremd, die schwefelblondierten Haare das Maximum an Exaltiertheit, das er sich leistet. Angesprochen auf seine Prominenz als Doppeltraumtorschütze, meinte er nur: „Prominent bin ich noch nicht. Es war nur mein Traum, in der Bundesliga zu spielen. Nun habe ich endlich mein erstes und zweites Tor geschossen.“ Mit dem Privileg, nach dem 3:0 vor den mitgereisten Fans in der Gästekurve feiern zu dürfen. „Das ist unbeschreiblich. Es gibt kein geileres Gefühl, als auswärts vor der Kurve zu jubeln.“
Dass auch nach der Partie Partystimmung herrschte, lag mehr noch als an offensiven Einzelleistungen an der kollektiven Defensivarbeit. „Unsere beiden Flügel waren unglaublich gegen den Ball“, lobte Kapitän Jackson Irvine Saad und Afolayan, die Blessins Konzept inzwischen verinnerlicht haben und deshalb spielen.
Oladapo Afolayan: „Ich will so oder so immer spielen“
Der Australier vermutet, dass die zwei heiß drauf waren, der Welt zu beweisen, was in ihm steckt, und daher im Training eine Schippe draufpackten. Afolayan weist diese Sondermotivation zurück. „Ich will so oder so immer spielen. Es gab zwar viel Gerede von draußen, aber wir wissen, dass jeder aus guten Gründen in diesem Kader steht.“
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Bei Saad aus besonders guten und ästhetischen. Solange das erfolgreich ist, „genieße ich es“, so Afolayan. Dann kann er mitleidfrei darauf verzichten, seinen Partner beim Fußball zelebrieren zu sehen.