Freiburg. Die Basis des Überraschungssieges in Freiburg ist in der Defensive zu finden. Wie es den Kiezkickern gelang, den Favoriten zu stoppen.

Dort, wo die Musik spielte, war Johannes Eggestein mittendrin dabei. Der Stürmer also, der als kluger Kopf und eloquenter Redner sonst die leisen, feinen Töne anschlägt, war als Hardrock-Drummer gefordert. Gleich zweimal ließ es Eggestein beim 3:0-Sieg des FC St. Pauli beim SC Freiburg am Sonnabend krachen – im eigenen Strafraum wohlgemerkt. Jojo, der Ausputzer.

Dorthin, wo die Musik spielte, in der siegestrunkenen Gästekabine nämlich, kam Eggestein nach dem Spiel allerdings nicht. Der 26-Jährige musste nach seinem Dauerlauf über den Platz des Europa-Park-Stadions auch noch einen Interview-Marathon durch die Mixed-Zone der Arena absolvieren. Formsache. „Ich habe mir gedacht, ich verteidige meinen Bruder mal weg“, sagte er dabei schmunzelnd und inkorrekt. Geschwisterchen Maximilian hatte er nur hin und wieder gedeckt, einmal gefoult, stattdessen im braun-weißen Sechzehner seine Defensivkünste offenbart. Und auch nur so kann’s funktionieren für den Kiezclub, um in der Bundesliga zu bestehen.

Defensive ist die Basis zum Erfolg des FC St. Pauli beim SC Freiburg

Die konzertierte Verteidigung, sie war es, die unisono als Erfolgsfaktor für den Überraschungstriumph genannt wurde. „Unsere Abwehrlinien sind stark geblieben, wir waren tapfer, haben unsere Positionen gehalten“, sagte Kapitän Jackson Irvine. „Es war brutal geil, wie wir alles weggesteckt und zusammen verteidigt haben“, meinte Philipp Treu. Selbst Matchwinner Elias Saad bestand darauf, nicht seine eigene Leistung hervorheben, sondern „die der Mannschaft gegen den Ball“.

Die fand in dieser Begegnung, wie schon beim 0:0 am vorigen Spieltag gegen RB Leipzig, etwas tiefer als in den drei Spielen zuvor statt. Freiburgs Trainer Julian Schuster war davon durchaus überrascht, er hatte die Hamburger höher stehend erwartet. Stattdessen überließ St. Pauli den Breisgauern zu 66 Prozent den Ball und verdichtete das Zentrum massiv.

Schwerpunkt der Hamburger auf Konterfußball

„Es ging darum, kompakt zu stehen, keine Räume zu erlauben. Wir haben zum Start in die Saison ein paar Tore aus gegnerischem Umschalten heraus kassiert. Die haben wir nun eliminiert, indem wir etwas weiter zurück gerückt sind und in der Mitte keinen Platz gelassen haben“, sagte Irvine, der musikalisch wie spielerisch für beinhartes Heavy Metal steht.

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Ungewohntes Bild: Johannes Eggestein (26) kam selten zum Schuss, war eher in der Defensive gefordert. © Witters | Jörg Halisch

Eggestein – optisch Typ Popsänger, geistig in der Klassik anzusiedeln – betonte dann auch, man habe den Schwerpunkt auf Konterfußball deutlich erhöht: „Das war viel Arbeit, weil sich Freiburg auf den Sechser- und Achterpositionen gut hat fallen lassen, dadurch haben wir vorne oft Drei-gegen-Zwei oder Vier-gegen-Drei gespielt. Das war im Anlaufen nicht immer einfach, aber durch unsere sehr gute Arbeit in letzter Linie und der davor konnten wir viele Situationen auflösen und kontern.“

Neu entdeckte Effektivität des Aufsteigers im Angriff

Diese Umschaltmomente spielte St. Pauli deutlich effektiver aus als in den Vorwochen. Allen voran bei diesem Genuss von 3:0 durch Saad. Der nächste Takt wäre nun, auch ins Spiel mit Ball wieder etwas mehr Kultur zu bekommen. „Es war aber in Ordnung. Wir haben zwar viel lang geschlagen, waren aber richtig griffig auf den zweiten Bällen“, sagte Treu. Verstecken müssen sich die Kiezkicker nicht, meinte der Ex-Freiburger: „Wir können gegen jede Mannschaft von hinten heraus spielen.“

In diese Richtung dirigiert auch Chefcoach Alexander Blessin seine Schützlinge behutsam wieder. „Um vorzugreifen, wir müssen in Ballbesitz wieder etwas klarer sein und Tiefe gewinnen“, sagte der 51-Jährige. Der Fokus liegt aber weiterhin auf der Defensive, was für einen Aufsteiger völlig probat ist.

Alexander Blessin: „Wollen in Richtung Perfektionismus“

„Drei, vier Fouls auf den Außenbahnen sollten wir nicht begehen. Obwohl ich Aggressivität mag, waren wir da zu hektisch und haben diese ekligen Standards verursacht. Das sollten wir tunlichst vermeiden. Aber das ist menschlich, wenn du ständig im Sprintmodus bist. Dann machst du Fehler, aber wir wollen in Richtung Perfektionismus gehen“, so der Fußballlehrer. Eggestein bestätigte: „Wenn man so tief steht, ist das für uns vorne eine riesige Aufgabe, wenn du 200 Puls hast, den Pressingauslöser zu finden. Am Ende waren die Beine dicht.“

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Im nächsten Schritt sei es entscheidend, wieder Variationen in die Höhe der Verteidigung zu bekommen. „Wir werden das anpassen und nicht ständig im tiefen Block stehen. Wenn wir dann einen Ballgewinn erzielen, sind wir näher zum Tor“, sagte Blessin. Dort also, wo die richtige Musik spielt und es klingeln soll.