Hamburg. Auch vier Jahre nach der Rückkehr nach Freiburg hat der Nachwuchstrainer Sympathien für den Kiezclub – obwohl ihn der Abschied ärgerte.

Es ist eine Prognose, mit der die Anhänger des FC St. Pauli im ersten Teil wohl etwas hadern werden, aber den zweiten Teil sofort unterschreiben: „Am Sonnabend gibt es in Freiburg keine Punkte, aber am Ende werden sie drei Mannschaften hinter sich lassen. Das traue ich ihnen auf jeden Fall zu.“

Diese Sätze stammen von Johannes Flum, dem früheren Mittelfeld- und Führungsspieler des FC St. Pauli. Gesagt hat er sie in der aktuellen Folge des Abendblatt-Podcasts Millerntalk vor dem Aufeinandertreffen seiner beiden Lieblingsclubs an diesem Sonnabend (15.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) im Europapark-Stadion in Freiburg.

St. Paulis früherer Führungsspieler Flum war dreieinhalb Jahre am Millerntor

Einen einfachen oder gar dreifachen Punktgewinn des Millerntorteams vorherzusagen, verbietet sich für Flum in diesem Fall bei aller Sympathie für den Kiezclub. Schließlich ist der Familienvater seit gut vier Jahren wieder beim SC Freiburg angestellt und aktuell als sogenannter Verbindungstrainer dafür zuständig, die Talente der U-19-Mannschaft auf ihrem Weg in das U-23-Regionalligateam zu begleiten und sie dabei auch auf eine Profikarriere vorzubereiten. „Viele Jungs wissen gar nicht, was neben dem Platz noch dazugehört, ein Fußballprofi zu sein“, sagt er.

Auch Flums Einstieg bei St. Pauli war alles andere als einfach. Als er im Januar 2017 kam, war das Team unter Trainer Ewald Lienen Letzter in der Zweiten Liga mit gerade einmal elf Punkten aus 17 Spielen. Er war geholt worden, um die Mannschaft zu stabilisieren und seine Erfahrung, die er auch zuvor in der Bundesliga bei Eintracht Frankfurt in der Bundesliga gesammelt hatte, einzubringen. Das Gespräch mit Lienen habe den Ausschlag gegeben, dass er sich auf dieses Projekt einlässt.

Mit Winterzugang Flum holte St. Pauli 34 Punkte in der Rückrunde 2016/17

Gut vier Monate später war klar, dass Flum und St. Pauli mit diesem Winterdeal alles richtig gemacht hatten. Das Team legte mit 34 Punkten eine Top-Rückrunde hin und schloss die Saison noch als Siebter ab. „Wir wollten danach diese Energie, die wir aufgebaut hatten, in die nächste Saison mitnehmen“, erinnert er sich. „Doch insgesamt waren wir in den Jahren danach einfach nicht beständig genug“, gibt er zu. Oft habe es nur eine starke Hin- und eine schwache Rückrunde gegeben – oder andersrum.

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Johannes Flum: „Auch der HSV hatte mir ein Angebot gemacht“

Millerntalk - Die Seele des FC St. Pauli

Seine positiven Gefühle für den FC St. Pauli konnten noch nicht einmal dadurch nachhaltig getrübt werden, dass er im Sommer 2020 keinen neuen Vertrag mehr erhielt. „Ich mache auch gar keinen Hehl daraus. Ich finde, es ist immer wichtig, dass man auch ehrlich darüber spricht. Ich war da schon sehr enttäuscht und verärgert, dass es nicht weiterging, weil es vorab auch anders kommuniziert wurde“, sagt er unmissverständlich.

„Der Verein hat sich dann im Sommer umentschieden. So ist es manchmal im Fußball. Aber für den Augenblick her war ich schon sehr, sehr enttäuscht, weil wir uns einfach als Familie auch in Hamburg wahnsinnig wohlgefühlt haben“, sagt er weiter. „Ich wäre gerne noch den einen oder anderen Schritt mitgegangen bei diesem Verein.“

Johannes Flum zog im Sommer 2020 den SC Freiburg dem HSV vor

So aber musste er den sportlichen Aufschwung unter Trainer Timo Schultz sowie den darauf folgenden Höhenflug samt Aufstieg und Zweitliga-Meisterschaft unter dessen Nachfolger Fabian Hürzeler aus rund 750 Kilometern Entfernung verfolgen.

Dabei hätte Flum durchaus ganz in der Nähe bleiben können. Auch der HSV hatte ihm angeboten, als erfahrener Spieler in der mit vielen Talenten gespickten Regionalliga-Mannschaft der Rothosen noch eine Zeit zu agieren und gleichzeitig seine Trainerkarriere zu starten.

Flum spielte unter Trainer-Legende Christian Streich

„Ich habe mich auch da mit denen zusammengesetzt und mir alles angehört“, berichtet Flum. Aber von einer Zusage war er dann doch auch emotional weit entfernt. „Das war dann ein bisschen komisch, weil ich ja nicht nur Sympathisant, sondern am Ende dann auch Fan von St. Pauli war und mich mit diesem Verein einfach so viel verbunden hat“, sagt er dazu.

So fühlte sich für ihn das Angebot des SC Freiburg einfach viel besser an. Also dort, wo er einst selbst fußballerisch ausgebildet wurde. „Ich habe gesagt, das passt gut mit der Verbindung zur Heimat und der Familie“, sagt er.

Freundschaft mit Streichs Nachfolger Julian Schuster

Wer vom SC Freiburg spricht, denkt auch jetzt noch an die Trainerlegende Christian Streich. Erst nach der vergangenen Saison hatte der 59-Jährige seine Tätigkeit beim Sportclub nach insgesamt 29 Jahren beendet. Zuletzt war er zwölf Jahre lang Cheftrainer gewesen, Flum hatte ihn noch als U-19-Trainer des SC Freiburg kennengelernt. „Schon da war er schon gut in den Details, und er hatte eine gute Schärfe. Er war sehr streng, aber er konnte das sein, weil er diesen Zugang zu uns als Spieler hatte. Du bist einfach gerne ins Training gekommen und hast ja viel lernen können“, schwärmt Flum. „Dazu hat er sich nicht nur für den Spieler, sondern vor allem auch für den Menschen interessiert.“

Statt Streich sitzt jetzt der frühere Kapitän Julian Schuster auf dem Freiburger Cheftrainerstuhl, der übrigens zuvor – wie jetzt Flum – als Übergangstrainer tätig war, allerdings für die Verbindung der U-23-Spieler zum Profikader. Für Flum war dies genau die richtige Personalentscheidung, und das nicht nur, weil die beiden sehr gut befreundet sind. „Julian war als Spieler der verlängerte Arm von Christian Streich“, sagt er.

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Ob auch St. Pauli mit Trainer Alexander Blessin den richtigen Mann gefunden hat, wird sich im weiteren Saisonverlauf zeigen. Flum ist da optimistisch. „Ich traue ihnen absolut zu, die Klasse zu halten. Ich bin sogar davon überzeugt, weil sie gute Charaktere in der Mannschaft haben und Führungsspieler, die schon länger dabei sind. Und ich hoffe, dass der Verein Ruhe bewahrt, wenn es mal nicht läuft“, sagt er. „Drei Mannschaften werden sie hinter sich lassen.“ Den SC Freiburg meint Flum damit aber sicher nicht.