Hamburg. Im Juni musste der Club den gastronomischen Betrieb wegen „konstanter Verluste“ einstellen. Ehrenamtliche Gruppe engagiert sich.
Über Langeweile können sich Verena Gedler und Kerstin Schomburg nicht beklagen. Bestellungen aufnehmen, Bierflaschen öffnen, mit Gästen sprechen, Tische abwischen – die Arbeit im Clubheim des FC St. Pauli erledigt sich auch an diesem Dienstagabend nicht von selbst. Parallel informierte der Club in der Haupttribüne des Millerntor-Stadions 800 Vereinsmitglieder zur geplanten Genossenschaft, viele von ihnen kommen davor oder danach auch noch ins Clubheim im Erdgeschoss der Südtribüne.
„Wir haben seit der Eröffnung das Gefühl, dass wir hier nicht nur arbeiten, sondern auch schlafen“, sagt Kerstin Schomburg und lacht. „Zurzeit ist wirklich noch sehr viel zu tun. Das wird sich in den kommenden Wochen aber legen.“ Knapp drei Monate ist es her, dass der FC St. Pauli den gastromischen Betrieb im Clubheim wegen „konstanter Verluste“ einstellen musste. Gedler und Schomburg, die sich beide als stellvertretende Vorsitzende des Amateurvorstands engagieren, wollten das aber nicht akzeptieren.
FC St. Pauli: Gedler und Schomburg starteten Clubheim-Projekt ohne Gastronomie-Erfahrung
„Verena und ich hatten zwar keine Ahnung von Gastronomie, aber beide das Gefühl, dass wir nicht untätig sein können. Wir wollten bei der Entwicklung eines neuen Konzepts unterstützen, damit diese tollen Räumlichkeiten genutzt werden und viele Abteilungen eine wichtige Anlaufstelle behalten“, sagt Schomburg. Das war Ende Juni. Weil beide gut im Verein vernetzt sind, sprachen sie verschiedene Mitglieder an, ob sie helfen wollen. „In der ersten Juli-Woche saßen wir dann zum ersten Mal als Kollektiv zusammen“, berichtet Gedler.
Das ehrenamtliche Kollektiv bilden neun Menschen – von denen glücklicherweise nicht alle Gastronomie-Neulinge sind. Mit dabei sind unter anderem Fernsehkoch Ole Plogstedt oder auch die Gastronomen Thorsten Gillert („Der erdbeerfressende Drache“) und Ralf Koppelkamp („The Irish Rover“).
Andere wiederum können als Social-Media-Experten oder Organisationstalente glänzen. „Als ich beim ersten Treffen gemerkt habe, wie die Ideen sprudeln, habe ich realisiert, dass wir das wirklich schaffen können. Die verschiedenen Menschen bringen jeweils verschiedene Perspektiven und Expertisen ein“, sagt Schomburg.
Präsident Göttlich freut sich über das Engagement
Täglich war die Gruppe fortan digital in Kontakt, hinzu kamen wöchentliche Treffen. Als nach einigen Wochen das Konzept stand, war auch die Vereinsführung um Präsident Oke Göttlich schnell überzeugt. „Es ist ganz wunderbar, dass sich Personen aus dem Verein und dessen Umfeld zusammengetan haben, um das Clubheim mit neuem Leben zu erfüllen. Das passt perfekt zum FC St. Pauli und seinen Fans, die immer wieder selbst anpacken, Dinge anschieben und kreative Lösungen finden. Als Verein arbeiten wir eng mit dem Kollektiv zusammen und freuen uns auf den weiteren Weg“, sagt Göttlich.
Seit Ende August hat das Kollektiv die Schlüssel für das Clubheim, das in der Folge auch umgestaltet wurde. Beim Tresen kam der von vielen als drückend empfundene Oberbau mit den Pokalen weg, einige Trophäen stehen jetzt im FC-St.-Pauli-Museum, einige an anderen Orten. Zudem wurden der rostige Totenkopf an der einen Stirnseite weiß gestrichen und Regenbogen-Elemente am Tresen angebracht. Am 10. September feierte das Clubheim offiziell Wiedereröffnung.
Ein Helium-Astronaut wurde zum Maskottchen
„Als wir die erste Begehung gemacht haben, war noch nicht klar, ob wir das Projekt wirklich angehen. Knapp über dem Boden schwebte noch ein kleiner Helium-Astronaut von der letzten Veranstaltung, die hier stattgefunden hatte. Dieser Astronaut ist schnell zu unserem Maskottchen geworden“, erzählt Gedler. An einem der Ecktische baumelt tatsächlich auch heute noch ein – zugegebenermaßen neuer – Astronaut, dem alten Helium-Ballon war dann doch irgendwann die Luft ausgegangen.
Damit das nicht auch dem neunköpfigen Kollektiv passiert, ist die Gruppe auf weitere Ehrenamtliche angewiesen. „Es haben sich 140 Menschen gemeldet, die uns helfen wollen. Diese Rückmeldung ist überwältigend. Wir sind jetzt gerade dabei, die Leute kennenzulernen und einzuarbeiten“, sagt Schomburg. Schrittweise werden die Freiwilligen auf die einzelnen Schichten verteilt, in der Regel öffnet das Clubheim außer montags täglich um 17 Uhr, am Wochenende bereits um 13 Uhr. Ein Gehalt gibt es für die Helfer nicht.
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„Weil sich die Crew und die Abläufe erst mal finden sollen, bieten wir zurzeit nur Flaschenbier an. Der nächste Schritt wäre dann auch gezapftes Bier. Perspektivisch wollen wir auch wieder Essen anbieten“, sagt Gedler. Schomburg ergänzt: „Wir möchten das Angebot weiter ausbauen. An Spieltagen ist klar, dass viele Menschen hier sind. An anderen Tagen würden wir gerne eine Anlaufstelle vor allem für die Amateursportabteilungen, die Fanszene und auch für die Menschen von der Geschäftsstelle bieten.“
Die erste Belastungsprobe bestand das Clubheim am vergangenen Sonntag beim Heimspiel gegen RB Leipzig (0:0), erst am späten Abend war dann auch das letzte Bier ausgetrunken. Vielleicht werden Kerstin Schomburg und Verena Gedler ja doch noch zu Gastro-Profis.