Hamburg. Mehr TV-Geld, Rekorddeals mit Sponsoren, hohe Ablöse-Einnahmen – doch auf der Geschäftsstelle wird gekürzt. Was dahintersteckt.

Es war ein Satz, der im ersten Moment aufhorchen ließ, aber bei vielen im Zuge einer überaus erfolgreichen, am Ende meisterhaften Saison auch schnell wieder in Vergessenheit geriet: „Wir wollen wieder Gewinne machen, um unser Eigenkapital zu stärken. Das wird auch mal unpopulär werden.“

Gesagt hat diesen Satz Hanna Obersteller, Vize-Präsidentin des FC St. Pauli, auf der jüngsten Mitgliederversammlung des Kiezclubs. Diese war zwar schon am 23. November vergangenen Jahres, doch wie ernst die Ankündigung gemeint war, ist sieben Monate später zu erkennen. Der Verein trennt sich von einigen auf der Vereins-Geschäftsstelle angestellten Personen zum Ende des Monats. Zuerst hatte die „Mopo“ darüber berichtet.

FC St. Pauli hat Rekorddeals mit Sponsoren abgeschlossen

Auf den ersten Blick ist dieser Stellenabbau, der laut Verein „eine mittlere einstellige Zahl“ von Personen trifft, sehr überraschend, denn in den vergangenen Wochen ist auf den FC St. Pauli geradezu ein Millionensegen an Einnahmen niedergeprasselt. Durch den Bundesliga-Aufstieg steigen allein die Einnahmen aus der nationalen TV-Vermarktung um knapp 22 auf 33,6 Millionen Euro.

Der vorzeitig verlängerte Vertrag mit Hauptsponsor Congstar bringt in der Bundesliga bis zu drei Millionen Euro pro Jahr ein, und auch der neue Ausrüster Puma zahlt mit rund zwei Millionen Euro pro Jahr deutlich mehr, als dies je ein anderer Sportartikelhersteller bei St. Pauli getan hat. Und dann sind da ja noch die gerade erzielten Ablösesummen für Trainer Fabian Hürzeler (31/nach Brighton) und Jungprofi Eric da Silva Moreira (18/nach Nottingham), die sich zusammen auf rund acht Millionen Euro belaufen dürften.

St. Pauli zahlt Coronahilfen an den Staat zurück

Wie also passt das alles mit der Notwendigkeit einer personellen Verschlankung im administrativen Bereich zusammen? Die Gründe dafür liegen nicht in den jüngsten Wochen, sondern zum Teil mittlerweile einige Jahre zurück. Da ist vor allem das Stichwort Corona zu nennen. Im Zuge der durch die Pandemie ausgelösten Krise bezog auch der FC St. Pauli staatliche Corona-Hilfen zur Sicherung der Liquidität, die jetzt weiterhin zurückgezahlt werden müssen.

Zudem hatte der Verein es geschafft, während der Coronakrise keinen seiner sozialversicherungspflichtigen Angestellten eine betriebsbedingte Kündigung aussprechen zu müssen. Dieses Ziel hatte sich der damalige Geschäftsleiter Wirtschaft, Bernd von Geldern (jetzt Union Berlin), gesteckt und auch halten können.

In der Coronakrise gab es keine betriebsbedingten Kündigungen

Seit dem 1. November vergangenen Jahres ist Wilken Engelbracht (51) dessen Nachfolger. Als er im Herbst das Amt übernahm, sah er sich mit einem für den FC St. Pauli höchst ungewöhnlichen finanziellen Verlust von rund 4,9 Millionen Euro konfrontiert, den der Verein zwischen dem 1. Juli 2022 und 30. Juni 2023 erwirtschaftet hatte.

„Alle Ausgaben werden auf den Prüfstand gestellt“, hatte Engelbracht angesichts der Zahlen bereits kurz vor dem Jahresende angekündigt. Schon zu diesem Zeitpunkt hatte er einen Personalabbau ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Diese Maßnahme wurde also jetzt vollzogen, wobei der Verein Namen und weitere Details zu den Betroffenen nicht nannte. Die Stellenreduzierung ist dabei auch eine Konsequenz daraus, dass die interne Struktur verändert und optimiert werden soll. Dazu passt auch, dass das Clubheim in der Südtribüne künftig nicht mehr täglich als Gaststätte, sondern vor allem für singuläre Events genutzt werden soll.

Jahresverlust von 4,9 Millionen Euro zwang St. Pauli zur Kostenanalyse

„Wir haben die Kostenkontrolle ein wenig aus den Augen verloren“, hatte auch Präsident Oke Göttlich gesagt, als die Geschäftszahlen für 2022/23 bekannt gegeben wurden. „Wir müssen uns die gesamte Organisation noch einmal sehr genau anschauen.“ Das ist jetzt mit den entsprechenden Ergebnissen geschehen. Das 4,9-Millionen-Euro-Defizit war vor allem auch deshalb ein Alarmsignal gewesen, weil der Club gleichzeitig einen Rekordumsatz von knapp 62 Millionen Euro erzielt hatte. „Wir haben kein Einnahme- sondern ein Ausgabenproblem“, hatte Engelbracht treffend formuliert.

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Auch wenn der FC St. Pauli nun in der anstehenden Bundesligasaison auf der Einnahmeseite noch einmal einen großen Sprung nach oben machen wird, so werden auf der anderen Seite auch die Kosten weiter steigen. Bei einigen Posten könne man eine Null hinten anhängen, hat Präsident Göttlich zuletzt – zweifellos ein wenig übertrieben – mehrmals betont.

„Der Aufstieg in die Bundesliga reicht bei Weitem nicht, um die finanziellen Corona-Schäden auszugleichen. Der Verein ist unabhängig einer Liga-Zugehörigkeit gezwungen, Ausgaben zu senken. Denn unserer Top-25-Strategie folgend muss der FC St. Pauli ein Geschäftsmodell haben, das auch auf Platz sieben der Zweiten Bundesliga funktioniert und keinen dauerhaften Bilanzstress verursacht“, ließ jetzt der Verein dazu verlauten.

St. Pauli den Bereich Profifußball weiter stärken

Und entgegen mancher Unkenrufe lässt auch der Wirtschafts-Geschäftsleiter Wilken Engelbracht keinen Zweifel daran, dass das Kerngeschäft Profifußball gestärkt und finanziell auskömmlich ausgestattet werden soll – gerade auch nach dem Bundesliga-Aufstieg. Nach der erfolgreichen Verpflichtung von Alexander Blessin als neuen Trainer dürften alsbald auch Investitionen in den Kader folgen.

Unterdessen hat ein Mitarbeiter der Medienabteilung, der auf der St.-Pauli-Homepage noch aufgeführt ist, bereits einen neuen Arbeitgeber gefunden und ist jetzt für den Liga-Konkurrenten Werder Bremen tätig.