Hamburg. Der Erstliga-Aufsteiger ist noch punktlos. Welche Spieler laut „Global Soccer Network“ bundesligatauglich sind – und welche nicht.

Plötzlich kam Karol Mets ins Grübeln. Ob der FC St. Pauli gut genug sei für die Bundesliga, wurde der Innenverteidiger am Mittwoch gefragt. „Ähm“, antwortete Mets, „das wird die Zeit zeigen.“ Pure Überzeugung und Selbstbewusstsein klingen anders. Was nach drei Niederlagen aus den ersten drei Erstligaspielen dieser Saison auch nicht verwunderte. „Wir denken schon, dass wir gut genug sind und wir wollen in der Bundesliga bleiben. Wir denken auch, dass uns das gelingen kann“, schob Mets dann noch hinterher. Geht doch.

Betrachtet man allerdings die bloßen Zahlen, müssen sich die Fans des Aufsteigers wohl doch Sorgen machen. Im Vergleich zur vergangenen Zweitligasaison hat sich der Kader nur punktuell verändert. Reicht St. Paulis derzeitige Kader-Qualität wirklich für den angestrebten Klassenerhalt aus?

FC St. Pauli: Global Soccer Network liefert Datenanalyse

Das Abendblatt fragte hierzu das „Global Soccer Network (GSN)“, eine der führenden Datenscouting-Agenturen im Fußball. Mithilfe eines umfassenden Bewertungssystems, dem sogenannten GSN-Index, lassen sich Qualität und Potenzial von Fußballspielern einschätzen. Dank eines komplexen Algorithmus und künstlicher Intelligenz werden Spieler auf einer Skala von 0 bis 100 bewertet. Je höher der GSN-Indexwert, desto besser. Der Bereich Weltklasse reicht von 85 bis 100, Internationale Klasse von 70 bis 85, der Bundesliga-Durchschnitt ist in der Spanne zwischen 60 und 70 angesiedelt.

Das GSN zieht bei der Berechnung vier Säulen heran. Neben fußballerischen Eigenschaften (Scouting-Berichte zu Technik, Übersicht, Abschluss, etc.) zählen auch das fußballerische Potenzial (Entwicklung), die Leistung auf dem Spielfeld (statistische Werte zu Toren, Pässen, Fouls, etc.) sowie das Spielniveau (eine höhere Liga wirkt sich positiv auf die Bewertung aus).

Eggestein hat den höchsten GSN-Indexwert

Im Kader des FC St. Pauli hat derzeit Stürmer Johannes Eggestein mit 68,29 den höchsten GSN-Indexwert, zählt damit in die Kategorie „Guter Bundesligaspieler“. Dummerweise kann sich neben Eggestein – und das überrascht angesichts seiner aktuellen Rolle als Ergänzungsspieler – aber nur noch Neuzugang Fin Stevens (67,81) zu dieser Kategorie zählen.

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Insgesamt sind nur elf von 26 Spielern aus dem Kader wirklich bundesligatauglich – so lautet das harte Urteil der GSN-Analyse. Solides Bundesliganiveau erreichen noch Torwart Nikola Vasilj (64), die Innenverteidiger Eric Smith (65,6), David Nemeth (66,63) und Hauke Wahl (65,32), die Mittelfeldspieler Robert Wagner (65,51), Danel Sinani (64) und Erik Ahlstrand (64,52) sowie die Flügelstürmer Elias Saad (65,38) und Oladapo Afolayan (64,31).

Viele Spieler befinden sich laut GSN eher auf Zweitliga-Level

Der Umstand, dass Akteure wie Ahlstrand und Sinani, die sportlich derzeit unter Trainer Alexander Blessin kaum eine Rolle spielen, eine höhere Bewertung als etwa Kapitän Jackson Irvine (62,97/Unterdurchschnittlicher Bundesligaspieler) haben, liegt daran, dass das GSN nicht nur Leistungsdaten, sondern eben auch Parameter wie Potenzial und fußballerische Veranlagung für die Berechnung heranziehen. Ob dieses Potenzial letztendlich auch abgerufen wird, macht nur einen Teil des Indexwertes aus.

Am vergangenen Wochenende gegen Augsburg standen in Achter Carlo Boukhalfa (55,52) und Außenverteidiger Lars Ritzka (56,7) zudem zwei Spieler in der Startelf, die nur in die Kategorie „Solider Zweitligaspieler“ zählen. Wenngleich Boukhalfa das einzige Tor der Kiezkicker erzielte, steht der 25-Jährige stellvertretend für eine ganze Reihe von Profis, die ihr Bundesliganiveau erst noch nachweisen müssen.

Hartel-Abgang wurde nicht kompensiert

Weil viele Spieler im Kader laut GSN-Index zwischen unterdurchschnittlichem Bundesliga- und solidem bis gutem Zweitliganiveau schwanken, liegt auch der durchschnittliche Kader-Indexwert der Kiezkicker mit 62,97 (unterdurchschnittlicher Bundesligaclub) nur leicht über dem Indexwert der vergangenen Aufstiegssaison (61,95), in der man bei den GSN-Analysten ebenfalls als unterdurchschnittlicher Bundesligaclub galt.

Diese nur geringe Steigerung des GSN-Kaderwerts liegt unter anderem daran, dass Topscorer Marcel Hartel in der abgelaufenen Wechselperiode nicht adäquat ersetzt wurde. Auch der mit großen Hoffnungen verpflichtete Sturm-Neuzugang Morgan Guilavogui (60,26/ „Unterdurchschnittlicher Bundesligaspieler“) muss seine eher niedrige Bewertung der Datenspezialisten erst noch widerlegen. Am Mittwoch fehlte Guilavogui, der in Augsburg nach einem Zusammenprall mit Knieschmerzen ausgewechselt werden musste, im Teamtraining, absolvierte auch keine individuellen Läufe auf dem Rasen.

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Für Karol Mets liegen St. Paulis Probleme aber nicht in der Offensive, sondern vielmehr in der Defensive. „Wir müssen stabiler stehen, zurzeit lassen wir viele Chancen zu. Die gegnerischen Stürmer nutzen das mit ihrer Qualität aus“, sagt der Abwehr-Routinier, dem sein GSN-Index (63,01) unterdurchschnittliches Bundesliganiveau bescheinigt. „Die ersten drei Spiele haben uns gezeigt, dass unsere Restverteidigung bei gegnerischen Kontern nicht so gut ist. Wir müssen da besser verteidigen. Wenn wir kompakt stehen, sehe ich weniger Probleme. Da ist es schwer, uns zu knacken“, sagt Mets. Offensiv komme man hingegen immer zu Chancen.

Gegen RB Leipzig werden die Kiezkicker am Sonntag (19.30 Uhr/Millerntor-Stadion) nur als Mannschaft bestehen können. Denn von GSN-Werten wie die der RB-Offensivstars Xavi Simons (84,85) und Lois Openda (81,57/beide „Internationale Klasse“) ist man bei St. Pauli derzeit weit entfernt.