Hamburg. St. Pauli hat mit seiner Schriftform für gespaltete Reaktionen gesorgt, von „zu viel Politik“ bis zum „starken Statement gegen Rechts“.
Der FC St. Pauli hat mit einer eigens eingeführten Schriftart für Aufsehen gesorgt. Nicht nur der linkskursiven Optik der „FC Sankt Pauli“ wegen, sondern auch dem damit verbundenen politischen Statement. Die Schrift sei eine Haltung, verkörpere die aktivistische Natur des Bundesligisten, hieß es.
Das Abendblatt hatte seine Leser dazu aufgerufen, ihre Meinungen kundzutun. Dabei ist anzumerken, dass sämtliche Nachrichten bis Sonntagnachmittag eingingen. Markenchef Martin Drust gab dem Abendblatt zum Sonntagabend allerdings zusätzliche Informationen, die zeigen, dass weit mehr hinter der neuen Schrift steckt als lediglich politischer Aktivismus. Zudem sind Leserbriefe immer subjektiv und geben kein repräsentatives Bild ab. Hier sind einige der Reaktionen, die per E-Mail kamen.
FC St. Pauli führt linkskursive Schrift ein: So reagieren die Abendblatt-Leser
„Gendern, neue Schriftzüge, langsam sollte man sich auf Fußball konzentrieren. Geht mir echt auf den Keks, als wenn Herr Göttlich (Präsident, d. Red.) nichts zu tun hat und sich immer neue Spielereinen ausdenkt.“ (Hans-Georg Ganz, Vereinsmitglied seit mehr als 25 Jahren)
„Fußballvereine, insbesondere der FC St. Pauli sollten sich auf den Sport konzentrieren und guten Fußball spielen. Wenn jemand Politik machen will, dann sollte er in eine Partei eintreten und dort aktiv werden. Beim FCSP wird es mit der Politik im Stadion und drumherum jede Saison schlimmer.“ (Renz Henning)
„St. Pauli verquickt Politik und Sport zu sehr“
„Langsam verzettelt sich St. Pauli etwas. Eine eigene Schriftart mit einer politischen Botschaft beziehungsweise Haltung zu entwickeln und gleichzeitig damit ihre (Sport-)Marke stärken zu wollen, hört sich ziemlich um die Ecke gedacht an. Nach Demo statt Aufstiegsfeier die nächste Stufe im Skurrilitätenkabinett bei St. Pauli. Noch ist es zum Schmunzeln, aber irgendwann könnte es lächerlich werden. Für meinen Geschmack verquickt St. Pauli Politik und Sport zu sehr.“ (Frank Jacobsen)
„Mir war bisher nicht bewusst, dass Schriften die Fähigkeit haben können, ‚in höchstem Maße aktivistisch‘ zu sein. Ich dachte immer, nicht die Neigung einer Schrift erzeugt Haltung, sondern der Sinn dessen, was geschrieben wird. Ich schreibe noch viel und gern per Hand, und nun stelle ich mit leisem Schaudern fest, dass meine Schrift ziemlich herumeiert und sich insgesamt – oh Schreck – leicht nach rechts neigt. Vielleicht gibt es ja schon irgendwo einen Volkshochschulkurs „Vertikales Schreiben“ für Herumeierer wie mich, damit ich zukünftig nicht irrtümlich in Verdacht gerate, irgendeiner nicht salonfähigen Neigung zu frönen.“ (Helga Rosenstock, geschrieben in rechtskursiver Schrift)
„Ein anderer Fußball ist möglich. Ein klares Statement gegen Rechts“
„Inhaltlich kann man eine solche Maßnahme eines Vereins, der eine seiner Profimannschaften in der Fußball-Bundesliga auflaufen lässt und damit eine gewisse Aufmerksamkeit auf sich zieht, als – wie nennen Sie es? – „Realsatire“ abtun, aber dahinter steckt aus meiner Sicht viel mehr. Es geht meines Erachtens um nicht weniger als um den Leitsatz der Fußball-Abteilung, der da lautet: „Ein anderer Fußball ist möglich“. Welcher Fußballverein hat seine eigene Schrift gestalten lassen? Mir fällt keiner ein. Mancher mag nun denken: „Warum auch?“. Ich sage es Ihnen: Weil es möglich ist. Weil es Aufmerksamkeit und mitunter auch die Gemüter erregt. Weil es zum Nachdenken oder bei manchen vielleicht auch zum überheblichen Lächeln anregt. Weil es Haltung zeigt und hervorruft. Sowohl auf der Seite derer, die das belächeln als auch bei denen, die hier ein Statement wähnen. Längst ist deutlich geworden: Ich interpretiere diese Aktion eindeutig als ein in jeder zukünftigen Überschrift auf der Vereinswebsite, auf den gedruckten Tickets, auf jedem Schreiben enthaltenes Statement gegen rechts. Gerade nach den ernüchternden, nein, erschreckenden Wahlergebnissen in Sachsen und Thüringen lese ich so gut wie überall, dass man mehr tun müsse. Wer ist in diesem Zusammenhang „man“? Das können doch nur wir alle sein, die es mit der Demokratie halten. Nicht zuletzt aus diesem Grund erscheint mir diese Maßnahme vom FC St. Pauli gerade zur rechten (sic!) Zeit veröffentlicht worden zu sein. Über welche Sportart wird in Deutschland mehr diskutiert als über Fußball? Eben: Ein anderer Fußball ist möglich. Auf dem Platz, auf den Tribünen und weit abseits davon. Ich bin sehr dankbar, dass sich der Verein eben nicht heraushält aus politischen Debatten. Es spielt aus meiner Sicht auch keine Rolle, ob die Rezipientin oder der Rezipient das nun gutheißt oder nicht. Es wird diskutiert. Sowohl im Sportteil des Abendblatts, in den Fußballstadien als auch an den Stammtischen. Wenn die jüngsten Landtagswahlen eines gezeigt haben, dann doch, dass wir mehr miteinander reden müssen. Und wenn es nun eine Schriftart ist, die dazu anregt, dann soll es eben so sein. Übrigens: Die neue Hausschrift des FC St. Pauli ist meiner Meinung nach nebenbei bemerkt tatsächlich sehr ansehnlich. Passt meiner Meinung nach gut zum Verein und zum sonstigen Erscheinungsbild. Ich empfehle allen Leserinnen und Lesern einen Blick auf die Vereinswebsite zu werfen und sich ein eigenes Bild zu machen. Es lohnt sich.“ (Kevin Trieloff)
„So gerne ich diese Schrift auch gut finden würde, es gelingt mir nicht.“ (Hanno Bolte)
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„Als langjähriges St.-Pauli-Mitglied und Dauerkarteninhaber (Gegengerade seit 1987) bin ich zunehmend genervt und fühle, dass ich mich innerlich immer weiter vom Club entferne. Oder besser: der Club von mir. Ich stehe 100 Prozent zu den Werten von St. Pauli. Aber ich würde mich nie als links bezeichnen. Die DNA von St. Pauli ist für mich die bunte Mischung, die durch die Liebe zum Fußball und Toleranz zueinander und anderen geprägt ist. Bei manchen handelnden Personen bei St. Pauli herrscht anscheinend die Meinung, dass man links sein muss, um die richtigen Werte zu haben. Das ist dumm und hat mit Fußball nichts zu tun. Im schlimmsten Fall grenzt man Menschen aus, drückt sie ins rechte Lager. Ein paar Tore und Punkte brauchen wir. Keine Hausschrift.“ (Jan Vogel)