Hamburg. St. Pauli möchte das Mittelfeldtalent zurück, hat aber kein passendes Angebot abgegeben. Bis Freitag bleibt Zeit. Wie der Stand ist.
Am 12. Juli gab es bei Union Berlin etwas zu feiern. Für 25 Millionen Euro hatten die Hauptstädter ihr neues Trainingszentrum Oberspree (TZO) errichtet, zur feierlichen Eröffnung kamen unter anderem Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD), Berlins Sportsenatorin Iris Spranger (SPD) und sämtliche Verantwortliche des 1. FC Union Berlin um Präsident Dirk Zingler.
Für die Köpenicker ist das TZO ein Prestigeprojekt. Drei Jahre Bauzeit hatte es gedauert, ehe die hochmoderne Infrastruktur für das Nachwuchsleistungszentrum des Clubs stand. Nach etlichen Jahren, in denen bei Union kaum ein Talent aus der eigenen Jugend den Sprung zu den Profis geschafft hatte, soll sich das zukünftig ändern.
Transfermarkt: FC St. Pauli möchte Aljoscha Kemlein zurück, Union Berlin wartet auf ein Angebot
Zur Eröffnungsfeier eingeladen war auch Aljoscha Kemlein. Der 20-Jährige ist das vielversprechendste Eigengewächs, das Union in den vergangenen Jahren hervorbringen konnte. Von der U 14 an hatte man den gebürtigen Berliner ausgebildet, ehe Kemlein in der Rückrunde der vergangenen Saison an den FC St. Pauli verliehen wurde. In Berlin war er zuvor nur zu zwei Kurzeinsätzen an den ersten beiden Spieltagen gekommen.
Bei St. Pauli wiederum stand er in jedem einzelnen Zweitligaspiel auf dem Platz, hatte im defensiven zentralen Mittelfeld entscheidenden Anteil am Bundesliga-Aufstieg. Auch in der Folge hätten die Kiezkicker Kemlein gern behalten. Während Transferbemühungen in der Regel geheimgehalten werden, war es in diesem Sommer auffällig, dass St. Paulis Verantwortliche teilweise ungefragt ihren Wunsch nach einer Rückkehr des Sechsers öffentlich kommunizierten.
Union-Präsident Dirk Zingler: „Dass sich St. Pauli Kemlein leisten kann, ist mir neu“
Auch zu Zingler ist das bereits durchgedrungen – allerdings nicht in Form eines Angebots. „Wenn die Verantwortlichen des FC St. Pauli das ernst meinen, dann gehe ich gleich mal zum Faxgerät und gucke, ob ein Angebot angekommen ist. Sie sollen das nicht nur verbal vortragen, sondern etwas Konkretes schicken. Dann können wir darüber nachdenken und mit Joschi reden“, sagte der 60-Jährige der Mittwochnachmittag dem Abendblatt.
Er möge auch ganz viele Spieler anderer Vereine, die Union allerdings nicht bezahlen könne. „Wenn der FC St. Pauli Aljoscha Kemlein haben will, muss er ihn sich leisten können. Davon ist mir bislang nichts bekannt“, betont Zingler.
Alexander Blessin spricht nicht mehr über sein Transferziel
Im neuen 3-5-2-System von Trainer Alexander Blessin hätte Kemlein gute Chancen, auf Spielzeit zu kommen. Im Vergleich zum 3-4-3-System der vergangenen Saison gibt es im zentralen Mittelfeld sogar eine zusätzliche Position für ihn.
Bei der Pressekonferenz am Mittwoch wollte der Coach allerdings nicht näher darauf eingehen. „Über Spieler, die anderweitig unter Vertrag stehen, gehört es sich nicht zu reden. Seine Qualität ist vorhanden, mehr möchte ich dazu aber nicht sagen“, so Blessin. Er sei vom Kader ebenso überzeugt wie von der Entwicklung seiner Akteure. Punktuell ergebe sich vielleicht aber noch etwas.
In Berlin hat der U-20-Nationalspieler kaum Chancen auf Einsatzzeit
„Wenn wir das Gefühl haben, dass auf einer Position vielleicht noch Handlungsbedarf ist und es finanziell und sportlich passt, werden wir alles versuchen“, sagte Blessin. Die Kiezkicker seien allerdings nicht gezwungen, noch etwas zu unternehmen. „Es ist nicht so, dass ich dieses Gefühl habe“, sagte der 51-Jährige.
Bei Union hat Kemlein derweil kaum Aussicht auf Spielzeit. Die Berliner setzen vorzugsweise auf ein 3-4-2-1-System, wobei im zentralen Mittelfeld eine offensivere und eine defensivere Rolle vorgesehen sind. Dummerweise ist diese defensive Rolle, die für Kemlein interessant wäre, schon vergeben. Routinier Rani Khedira (30) ist hier gesetzt, in Andras Schäfer (25) und Janik Haberer (30) hat Kemlein zudem weitere starke Konkurrenz.
Das Leistungsprinzip gilt auch für Talente aus der Hauptstadt
Geschenkt wird ihm in der Hauptstadt jedenfalls nichts. Obwohl Zingler bereits im Mai betont hatte, es sei der „klare Wunsch“ des Präsidiums, das Talent in die erste Mannschaft zu integrieren. Die Aussage, so Zingler am Mittwoch, sei als Zeichen zu verstehen gewesen: „Wir haben die Voraussetzungen geschaffen, dass junge Leute, sofern sie die Bereitschaft dazu mitbringen, Chancen bei uns bekommen. Da muss die Vereinsführung vorangehen, ohne dabei dem Trainer vorzuschreiben, wen er aufstellt.“
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Klar sei auch, dass sich der U-20-Nationalspieler mit Leistungen durchsetzen muss und nicht wegen seines Alters automatisch aufgestellt wird. „Das Leistungsprinzip können wir nicht aufheben, sonst wäre das das Ende des Clubs. Joschi hat das aber verstanden“, so Zingler.
Beim Bundesliga-Auftakt gegen den FSV Mainz 05 (1:1) saß der Youngster 90 Minuten lang auf der Tribüne, im DFB-Pokal beim Regionalligisten Greifswalder FC (1:0) wurde er zumindest eingewechselt. Für eine Minute in der Nachspielzeit. Ein Grund zum Feiern war das noch lange nicht.