Hamburg. Beim Kiezclub ist vieles neu, einiges bleibt. Die Hamburger hoffen darauf, dass sie die Aufstiegseuphorie durch die Saison trägt.

Die Testspielergebnisse machten gehörig Eindruck. Abgesehen von einer 1:3-Niederlage gegen Greuther Fürth zu Beginn der Vorbereitung mit einem wild zusammengewürfelten Kader konnte der FC St. Pauli gegen den französischen Topclub Olympique Lyon (1:0), den englischen Premier-League-Anwärter Norwich City (3:1) sowie zum krönenden Abschluss auch noch gegen den italienischen Europa-League-Sieger Atalanta Bergamo (3:0) gewinnen. Die Ergebnisse geben dem Aufsteiger das Selbstvertrauen, in der Bundesliga bestehen zu können – wenngleich bei St. Pauli jeder von einem harten Kampf um den Klassenerhalt ausgeht.

Saisonvorschau des FC St. Pauli: der neue Trainer Alexander Blessin

Der neue Coach ist die größte Veränderung bei den Kiezkickern. Alexander Blessin, verpflichtet vom belgischen Topclub Union St.-Gilloise, hat die Spielweise der Hamburger auf den Kopf gestellt. Anders als Aufstiegstrainer Fabian Hürzeler, der für eine Millionen-Rekordablöse zum englischen Premier-League-Club Brighton & Hove Albion gewechselt war, setzt Blessin auf ein 3-5-2-System und schnelles Umschalten nach Ballgewinn.

St. Paulis neuer Cheftrainer Alexander Blessin (51) vermittelt einen sympathischen Eindruck.
St. Paulis neuer Cheftrainer Alexander Blessin (51) vermittelt einen sympathischen Eindruck. © Imago | Gabor Krieg

Unter Hürzeler hatte St. Pauli in der Zweiten Liga noch stets versucht, im 3-4-3-System mit Ballbesitzfußball zu dominieren. Von dieser Taktik nahm Blessin allerdings früh Abstand, weil er wusste, dass die individuelle Qualität im Kader nicht für einen dominanten Spielstil ausreichen wird. Hinten „den Bus parken“ will St. Pauli allerdings auch nicht, es gibt immer wieder Phasen, in denen Blessin auf hohes Angriffspressing setzt. Bei hohen Ballgewinnen sollen die Spieler immer den tiefsten Anspielpartner suchen und schnell zu Abschlüssen kommen. Mitgebracht hat Blessin aus Belgien den Torwarttrainer Sven Van der Jeugt. Dessen Vorgänger Marco Knoop war mit Hürzeler nach Brighton gewechselt.

Der Kader des FC St. Pauli in der Bundesliga

Der Kern des Aufstiegskaders hat sich nicht verändert, lediglich der Abgang von Topscorer Marcel Hartel zum St. Louis City SC schmerzt St. Pauli. Der 28-Jährige hatte in der vergangenen Saison in 37 Pflichtspielen in Liga und DFB-Pokal für 36 Scorerpunkte gesorgt. Neu und vielversprechend ist der junge Mittelfeldspieler Robert Wagner, der beim SC Freiburg einen langfristigen Vertrag besitzt, in der vergangenen Spielzeit aber bereits an Zweitligist Greuther Fürth und nun an St. Pauli verliehen wurde. Der 21-Jährige konnte in der Vorbereitung überzeugen und sich einen Stammplatz auf der Achterposition erarbeiten.

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Ebenfalls überzeugt hat Torwart Ben Voll (23), den St. Pauli vom Drittligisten Viktoria Köln verpflichtete. An Routinier Nikola Vasilj (28) dürfte Voll allerdings vorerst nicht vorbeikommen, wenngleich ihm eine große Zukunft vorausgesagt wird. Als Soforthilfe eingeplant ist hingegen Stürmer Morgan Guilavogui (26). Der Franzose – Bruder des langjährigen Wolfsburger Kapitäns Josuha Guilavogui – ist groß, schnell, abschlussstark und kombinationssicher, manchmal aber noch zu uneigennützig. Eingeplant ist der Leihspieler des französischen Erstligisten RC Lens neben Johannes Eggestein in der Doppelspitze.

Gib mir Fünf! Morgan Guilavogui (26/r.) und Johannes Eggestein (26) überzeugen als Sturmduo des FC St. Pauli.
Gib mir Fünf! Morgan Guilavogui (26/r.) und Johannes Eggestein (26) überzeugen als Sturmduo des FC St. Pauli. © Imago | Uwe Köhn

Eher für die Kaderbreite verpflichtet wurde der walisische Rechtsverteidiger Fin Stevens (21), der dem in der vergangenen Saison gesetzten Manolis Saliakas (27) Konkurrenz machen soll. Der vom FC Brentford gekommene Neuzugang muss sich noch an das Blessin-System gewöhnen. Aktiv gefahndet wird zudem noch nach einem Sechser, Sportchef Andreas Bornemann hofft weiterhin, Aljoscha Kemlein von Union Berlin verpflichten zu können. Der 20-Jährige war in der vergangenen Spielzeit bereits als Leihspieler für das Millerntor-Team aktiv.

Die Perspektive der Hamburger

St. Pauli startet am ersten Spieltag mit einem Heimspiel gegen den 1. FC Heidenheim (Sonntag, 17.30 Uhr) in das Projekt Klassenerhalt. Danach geht es zu Union Berlin und zum FC Augsburg, ehe am vierten Spieltag mit RB Leipzig der erste große Brocken wartet. Die Hamburger wollen vom ersten Spieltag an punkten, wenngleich Neu-Trainer Blessin bereits sagte, dass er die ersten zwei Bundesligaspiele noch mit zur Vorbereitung zähle.

Die Prognose: Bleibt St. Pauli in der Bundesliga?

Der FC St. Pauli hält die Klasse. Die Mannschaft besitzt zwar nicht viel individuelle Qualität, ist menschlich aber absolut intakt und hat Blessins Spielidee bereits angenommen. Zudem herrscht auf dem Kiez eine große Aufstiegseuphorie, die Heimspiele im stimmungsvollen Millerntor-Stadion sind ein großes Faustpfand. Dies alles sollte reichen, um mindestens zwei, wenn nicht sogar drei andere Bundesligisten hinter sich zu lassen.