Halle (Saale). Bekannte Rechtsextreme als Ordner neben dem Block des FC St. Pauli, dazu strafbare Provokationen. Wie beide Vereine darauf reagieren.
Der FC St. Pauli ist ein Phänomen mit vielen Facetten. Eine davon lässt sich bei Auswärtsspielen regelmäßig beobachten, nicht nur, besonders aber in Ostdeutschland. Kommt der in größeren Teilen der Fanszene politisch eher linksorientierte Kiezclub in die Stadt, zieht dies Mitglieder oder zumindest Sympathisanten der rechtsextremen Szene aus dem Umland ins Stadion, um zu provozieren, beleidigen und auch zu verletzen.
Dementsprechend war die Erstrundenbegegnung im DFB-Pokal beim Halleschen FC am Freitagabend (3:2 nach Verlängerung) von vornherein als Risikospiel tituliert worden. Angesichts dessen ist es als Erfolg zu werten, dass Ausschreitungen ausblieben und niemand physisch angegangen wurde. Allerdings darf es nicht zur Fußball-Folklore werden, wenn Straftatbestände wie das Zeigen des Hitlergrußes erfüllt werden. So hat auch diese Partie wieder ein Nachspiel.
Rechtsextremer Ordner beim Spiel des FC St. Pauli in Halle eingesetzt
Zugleich aber auch ein Vorspiel. Denn bereits vor Anpfiff fühlten sich die mitgereisten St.-Pauli-Fans bedroht von einer Gruppierung, die von ihrem Fanblock links aus gesehen einmarschierte und, freundlich formuliert, Stimmung in Richtung der Hamburger machte. Das Hauptproblem: Das Vertrauen in die Ordner in diesem Abschnitt war gering. Einige von ihnen hatten mit den Zuschauern abgeklatscht, ob sie im Fall einer Eskalation (die zum Glück zu keinem Zeitpunkt bevorstand) besänftigend eingeschritten wären, erschien fraglich.
Mindestens zwei der eingesetzten Ordner sind zudem bekannte und verurteilte Neonazis gewesen. Identifiziert wurden in Felix Reck und Steve Weinhold Mitglieder der Erfurter Nazi-Hooligan-Gruppe „Jungsturm“. Der HFC versichert, im Vorwege nicht über die Identität informiert worden zu sein. „Die Auswahl des Ordnungspersonals erfolgt durch ein vertraglich gebundenes Sicherheitsunternehmen, das in diesem Fall auf die Dienste eines Subunternehmens zurückgegriffen hat“, schrieb der Verein auf Abendblatt-Anfrage.
Präsident Oke Göttlich: „Es ist wichtig, dass genauer hingeschaut wird“
Das Ordnungspersonal wird durch ein vertraglich gebundenes Sicherheitsunternehmen engagiert, das für die Auswahl und Einsatzplanung verantwortlich ist. Dieses Unternehmen hat sicherzustellen, dass alle Ordner entsprechend der DFB-Richtlinien oder der zuständigen Gewerbeämter geschult und einsatzfähig sind. Es ist allgemein verpflichtend, dass alle Ordner durch die zuständigen Gewerbeämter oder den DFB überprüft werden. Der Hallesche FC habe sich hierbei auf die Sorgfaltspflicht des beauftragten Sicherheitsunternehmens verlassen.
„Diese Problematik ist nicht neu und taucht leider immer wieder auf. Es ist wichtig, dass genauer hingeschaut wird, welche Personen als Ordnerinnen und Ordner eingesetzt werden“, sagt St. Paulis Präsident Oke Göttlich. In kritischen Situationen sei es entscheidend, inwieweit Vertrauen in das Handeln der Ordnungskräfte besteht und diese verantwortungsbewusst im Sinne aller Beteiligten agieren.
Zuschauer zeigen Hitlergruß in Richtung der St.-Pauli-Kurve
Dies geschah zumindest nicht, als einige Zuschauer den verbotenen Hitlergruß in Richtung der Gäste-Anhänger zeigten. Konsequenzen: Fehlanzeige. Die Polizei hat Ermittlungen eingeleitet. Viele der auf Handyvideos zu erkennenden Person sollen keine Fans des Halleschen FC sein. „Der Hallesche FC distanziert sich ausdrücklich von jeglichen menschenfeindlichen, rassistischen oder extremistischen Verhaltensweisen sowie entsprechenden politischen Meinungsbekundungen. So etwas gehört nicht in Fußballstadien“, teilte der Gastgeber dieser Zeitung mit.
Im restlichen Bereich des Leuna-Chemie-Stadions soll es mehreren Augenzeugenberichten zufolge für ein Risikospiel vergleichsweise entspannt geblieben sein, die Grenze der üblichen Scharmützel wurde nur vereinzelt überschritten. So kam es unter anderem zu massiven Beleidigungen einiger St.-Pauli-Fans im Rollstuhl. Die Sicherheitsverantwortlichen beider Vereine standen am Freitag in ständigem Austausch, die Funktionäre des HFC waren sehr darum bemüht, sich als gute Gastgeber zu präsentieren.
Vor dem Stadion ereignet sich ein Unfall, zehn Personen werden verletzt
Im Nachgang der Partie wurde im Gästeblock der antifaschistische Gesang „Siamo tutti antifascisti“ angestimmt, auch „Nazischweine“-Rufe gingen in Richtung der Provokateure. Dies wiederum nahmen einige Hallenser zum Anlass, mit Bierbechern auf die zum Feiern in die Kurve gehenden St.-Pauli-Spieler zu werfen. Die Trefferquote lag bei null Prozent.
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Am späteren Abend ereignete sich außerhalb des Stadions noch ein Unfall, als eine Straßenbahn in einen abbiegenden Kleinbus mit Fußballfans fuhr. Acht Personen im Bus, zwei in der Bahn, wurden verletzt, fünf davon schwer. Ein zusätzlich bedauerlicher Abschluss des Spieltags. Immerhin: Die Betroffenen befinden sich inzwischen außer Lebensgefahr und auf dem Weg der Genesung.