Hamburg. Bundesliga-Aufsteiger erzielt in der zweiten Halbzeit binnen zwölf Minuten drei Tore. Fans feiern das Team am ausverkauften Millerntor.

Ob die Marketingabteilung des FC St. Pauli ihrer Mannschaft noch am Freitagabend persönlich dankte, ließ sich nicht herausfinden. Schließlich dürfte die Chance, die der Bundesliga-Aufsteiger bei dem 3:0 (0:0)-Testspielerfolg gegen Europa-League-Sieger Atalanta Bergamo nutzte, so schnell nicht wiederkommen. 22 Jahre nach dem 2:1-Erfolg gegen Bayern München und den „Weltpokalsiegerbesieger“-Shirts, könnte St. Pauli nun ein neu aufgelegtes „Europapokalsiegerbesieger“-Shirt in den Verkauf geben.

Spaß beiseite – denn die Leistung, die die Nachfolger von Holger Stanislawski, Thomas Meggle und Nico Patschinski gegen den italienischen Topclub anboten, war insbesondere in der zweiten Halbzeit beeindruckend, als Johannes Eggestein, Oladapo Afolayan und Carlo Boukhalfa binnen zwölf Minuten drei Tore erzielten. „Wir sind sehr zufrieden. Man darf aber natürlich nicht vergessen, dass wir auch ein bisschen Spielglück hatten“, sagte Eggestein. „Was uns bis jetzt in der Vorbereitung schon sehr gut ausgzeichnet, ist unsere Effizienz. Wir machen aus wenig Chancen ziemlich viel, was auch eine gewisse Qualität ist.“

FC St. Pauli schlägt Europa-League-Sieger Bergamo

Bergamo nahm den finalen Test vor dem Pflichtspielstart ebenso ernst wie die Kiezkicker, wenngleich die ersten Aufgaben beider Teams eine gewisse Diskrepanz aufweisen. Während die Italiener am kommenden Mittwoch gegen Champions-League-Sieger Real Madrid im Uefa-Supercup antreten, reist St. Pauli zwei Tage später in der ersten DFB-Pokalrunde zum Regionalligisten Hallescher FC.

Seine Startelf für das Spiel in Halle hat Trainer Alexander Blessin bereits gefunden. Wie am vergangenen Wochenende beim 3:1-Erfolg bei Norwich City bot der 51-Jährige das gewohnte 3-5-2-System mit den Neuzugängen Fin Stevens als rechtem Schienenspieler und Stürmer Morgan Guilavogui in der Doppelspitze mit Eggestein.

Nikola Vasilj bleibt Stammkeeper

Im Tor konnte Nikola Vasilj seinen Stammplatz verteidigen, obwohl Neuzugang Ben Voll ebenfalls eine starke Vorbereitung spielte. Davon, dass die Entscheidung richtig ist, konnte sich Blessin mit seinem Torwarttrainer Sven Van der Jeugt dann auch sofort überzeugen. Gegen Bergamo-Topstar Ademola Lookman – geschätzer Marktwert: 40 Millionen Euro – rettete der 28-Jährige bereits in der Anfangsphase zweimal überragend aus kurzer Distanz (7./16.), auch gegen einen platzierten Distanzschuss von Charles De Katelaere (29.) war Vasilj zur Stelle.

Ein Großteil der Atalanta-Chancen entstand im ersten Durchgang durch Fehler im Spielaufbau. Mit Ball versuchte es St. Pauli immer wieder, sich mit Flachpässen durchzukombinieren, lange Bälle wurden nur im Notfall gespielt. Taktisch bedeutete das einen 4-2-Aufbau, bei dem der zentrale Innenverteidiger Eric Smith in den Sechser-Raum auswich und dort neben Kapitän Jackson Irvine eine weitere Anspielstation bot.

St. Pauli zunächst noch etwas unsicher im Spielaufbau

St. Pauli wollte das Spiel schnell machen, spielte viele vertikale Pässe mit Risiko. Wenn einer davon mal nicht zentimetergenau ankam, bestrafte Bergamo das sofort mit schnellem Umschaltspiel. Glück hatten die Kiezkicker etwa in der 21. Minute, als Innenverteidiger Karol Mets einen schlimmen Fehlpass direkt in die Füße des Gegners spielte, Bergamo das anschließende Zwei-gegen-eins aber zu schlampig ausspielte.

Offensiv kamen die Kiezkicker in der ersten Halbzeit nicht über Ansätze hinaus, die Halbchancen von Robert Wagner und Guilavogui stellten die 26.302 Fans im ausverkauften Millerntor-Stadion aber dennoch vorerst zufrieden.

Drei Tore binnen zwölf Minuten in Halbzeit zwei

Deutlich gefährlicher wurde es dann nach dem Seitenwechsel. Zunächst köpfte Irvine nach Flanke von Stevens noch knapp über das Tor hinweg (56.), zwei Minuten später brachte Eggestein das Millerntor dann richtig zum Beben. Nach einem Halbfeld-Freistoß von Smith hatte Bergamo den Angreifer am zweiten Pfosten offenbar vergessen, sodass Eggestein völlig unbedrängt einnicken konnte.

Richtig unheimlich wurde es nur wenige Minuten später – was nicht an der in Sichtweite gelegenen Geisterbahn auf dem Hamburger Dom lag. Erst schnappte St. Paulis Pressingfalle zu, als Eggestein Bergamos Isak Hien unter Druck setzte, der eingewechselte Afolayan Torwart Juan Augustin Musso ausstiegen ließ und zum 2:0 einschob. Und als wäre das nicht schon genug, legte Afolayan nur zwei Minuten später einen Ball von der Grundlinie zurück auf den ebenfalls eingewechselten Boukhalfa, der zum 3:0 traf (70.). Tollhaus Millerntor.

„Wir haben gute Abläufe in der Offensive, finden Lösungen, auch wenn uns eine Mannschaft hoch presst. Über die Jahre hinweg und jetzt in der Vorbereitung haben wir uns Lösungen erarbeitet. Auch das Pressing ist noch mal ein Stück versierter geworden“, sagte Eggestein. „Es ist extrem schwer, unser Pressing zu überspielen. Meistens sind Chancen entstanden, weil wir eigene Fehler gemacht haben und den Ball verloren haben, aber selten, weil wir hoch gepresst haben und sich der Gegner durchkombiniert hat. Auch die Intensität im Pressing ist noch mal besser geworden.“

Mehr zum Thema

Während sich viele Fans begeistert die Augen rieben, saß Blessin cool auf seinem Trainerstuhl an der Seitenlinie. In der Schlussviertelstunde konnte der Coach sogar noch gemütlich auf ein 3-4-3-System umstellen, das in der kommenden Bundesligasaison immer wieder als Alternative zum 3-5-2 dienen soll. Wie in der vergangenen Spielzeit bildeten nun Afolayan (links) und der ebenfalls eingewechselte Elias Saad (rechts) die Flügel, im Zentrum erhielt Andreas Albers ein paar Minuten Spielpraxis. St. Pauli ist bereit für die Bundesliga.

FC St. Pauli: Vasilj – Wahl (63. Dzwigala), Smith (74. Nemeth), Mets – Stevens (63. Banks), Wagner (74. Saad), Irvine (74. Sinani), Metcalfe (46. Boukhalfa), Treu (78. Ritzka) – Eggestein (74. Albers), Guilavogui (63. Afolayan).