Hamburg. Der Topscorer der vergangenen Saison spricht über die Gründe seines St.-Pauli-Abschieds. Wie er auf sein neues Leben in den USA blickt.

Die Wohnung zwischen Lokstedt und Eppendorf hatte schon ihre Vorteile, gesteht Marcel Hartel. In gerade mal fünf Minuten war der 28-Jährige mit dem Auto an der Trainingsanlage des FC St. Pauli an der Kollaustraße, den kurzen Weg hätte er am Ende seiner drei Jahre in Hamburg wohl auch mit verbundenen Augen fahren können. In seiner neuen Heimat St. Louis wird es künftig deutlich länger dauern, wenn Hartel mit seiner Frau Maike und der rund eineinhalb Jahre alten Tochter ins neue, außerhalb der Stadt gelegene Haus zieht.

„Momentan leben wir noch im Hotel, das ist mit der ganzen Familie nicht immer ganz einfach“, sagt der 28-Jährige, als ihn das Abendblatt am Telefon erreicht. „Meine Frau findet es aber auch jetzt schon sehr schön hier.“ Seit knapp einem Monat steht Hartel beim MLS-Club St. Louis City SC unter Vertrag, Anlaufschwierigkeiten hat er nicht. Mit zwei Tore in den ersten vier Spielen im Leagues Cup, bei dem neben MLS-Teams auch Mannschaften aus Mexiko teilnehmen, knüpfte er direkt an seine Leistungen aus Hamburg an. Die 2:4-Niederlage im Achtelfinale in der Nacht zum Mittwoch gegen den Club América aus Mexiko-Stadt konnte er jedoch auch nicht verhindern.

FC St. Pauli: Hartel sieht die MLS auf gutem Zweitliganiveau

„Eigentlich war geplant, dass ich schon am 21. Juli gegen Kansas City im Kader stehe. Leider hat es mit dem Visum ein paar Tage länger gedauert, sodass ich an dem Tag erst einreisen konnte“, erzählt Hartel. „Ich war neun Wochen raus aus dem Spielbetrieb, habe in der Zeit aber viel allein gearbeitet. Ich wollte sofort bereit sein, wenn ich in den laufenden Ligabetrieb einsteige.“

Rein fußballerisch nehme er keinen großen Unterschied zu seiner bisherigen Karriere in Deutschland wahr, die Qualität der Teams in der Major League Soccer bewege auf oberem deutschen Zweitliganiveau. „Der größte Unterschied zu Hamburg ist bisher das Wetter, das ist wirklich extrem. Man bekommt nicht so gut Luft, es ist ziemlich stickig. Es ist gefühlt doppelt so anstrengend wie in Deutschland, wenn man auf dem Platz steht“, sagt Hartel und lacht.

Mehrere deutsche Spieler in St. Louis unter Vertrag

In St. Louis hilft ihm in den ersten Tagen, dass er nicht der einzige deutschsprachige Spieler ist. Am besten versteht sich Hartel bisher mit dem früheren Hannoveraner Cedric Teuchert, aber auch mit Eduard Löwen (Nürnberg, Hertha BSC, Augsburg, Bochum), dem Schweizer Torhüter Roman Bürki (Borussia Dortmund) oder Verteidiger Jannes Horn (Hannover, Köln, Nürnberg) tauscht er sich intensiv aus „Wenn es zum Beispiel darum geht, irgendwelche amerikanischen Formulare auszufüllen, hat mir Eduard Löwen schon sehr geholfen. Er ist schon zwei Jahre hier und weiß, wie alles läuft“, sagt Hartel.

Gemanagt wird der erst 2019 gegründete Club von Lutz Pfannenstiel, der zuvor unter anderem als Sport-Geschäftsführer von Fortuna Düsseldorf aktiv war. Als Berater ist in St. Louis zudem der ehemalige HSV-Nachwuchschef Bernhard Peters aktiv. Das Geld wird in erster Linie von der milliardenschwere Taylor-Familie, Besitzer des Autovermietungs-Riesen Enterprise Rent-A-Car, zur Verfügung gestellt. Mit ihrer Hilfe konnte mitten in der Innenstadt von St. Louis auch ein hochmodernes Trainingszentrum und direkt angrenzendes Stadion gebaut werden, der Club verfolgt hohe Ziele.

Für Hartel spielte auch das Gehalt eine Rolle

Auch für Hartel, der in St. Louis jährlich rund 1,4 Millionen Euro verdient, war das Gehalt mitentscheidend. „Ich mache kein Geheimnis daraus, dass auch finanzielle Gründe eine Rolle bei meiner Entscheidung gespielt haben. Es war relativ klar, dass es mein letzter großer Vertrag sein würde, und es war nicht so, dass ich durch die vergangenen Jahre schon für mich und meine Familie ausgesorgt hätte“, sagt der gebürtige Kölner.

Drei Tage vor seinem St.-Pauli-Abschied feierte Marcel Hartel (l., hier mit Elias Saad) noch die Meisterschaft mit den Kiezkickern.
Drei Tage vor seinem St.-Pauli-Abschied feierte Marcel Hartel (l., hier mit Elias Saad) noch die Meisterschaft mit den Kiezkickern. © WITTERS | LeonieHorky

Auch mit St. Pauli hatte Hartel im Frühjahr über eine Vertragsverlängerung verhandelt, bei den finanziellen Vorstellungen lag man aber zu weit auseinander. Der Vertragspoker zog sich über Monate, verabschiedet wurde Hartel schließlich drei Tage nach der Meisterfeier auf dem Spielbudenplatz. „In den Gesprächen mit St. Pauli haben beide Seiten alles versucht, am Ende haben wir uns aber leider nicht einigen können“, sagt er.

Die Saison läuft bis Anfang Dezember

In St. Louis ist Hartel einer von nur drei sogenannten „Designated Players“, unterliegt damit nicht der Gehaltsobergrenze. Sein Vertrag läuft mindestens bis 2028, der Club hat zudem die Option auf Verlängerung. „Der Vierjahresvertrag war eine absolut bewusste Entscheidung. Ich möchte mich richtig auf St. Louis einlassen, habe dafür auch die Stadt, das Trainingsgelände und das Stadion ein paar Wochen vor meiner Unterschrift schon mal besucht“, erzählt Hartel.

Bis Ende Oktober läuft die reguläre MLS-Saison, ehe es bis zum 8. Dezember in den Play-offs um den Titel geht. Spätestens am 3. Advent will Hartel dann wieder in Deutschland sein, Weihnachten und Silvester mit Familie und Freunden in seiner Heimat feiern. Möglicherweise schaut er aber auch noch mal am Millerntor vorbei, am 14. Spieltag (13. bis 15. Dezember) tritt St. Pauli zu Hause gegen Werder Bremen an.

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„Den Status, den ich bei St. Pauli hatte, hatte ich bei noch keinem anderen Verein zuvor. Ich habe mich dort extrem wohlgefühlt, die Wechsel-Entscheidung ist mir nicht leichtgefallen. Ich kann auch jeden Fan verstehen, den ich vielleicht enttäuscht habe“, sagt Hartel, der vor allem mit Elias Saad, Hauke Wahl, Eric Smith und Sascha Burchert noch in Kontakt steht. „Ich weiß, dass die Mannschaft immer zusammenhalten wird. Deshalb bin ich auch überzeugt, dass St. Pauli die Klasse halten wird“, sagt Hartel. Nur er wird zukünftig nicht mehr dabei sein.