Hamburg. Der Stürmer des FC St. Pauli will nach hartnäckigen Beschwerden wieder angreifen. Ex-Coach Reis sicher: „Er will es noch mal beweisen.“

Am Freitag blieb Simon Zollers Platz im Flugzeug leer, als der FC St. Pauli in Richtung Norwich abhob. Im Testspiel beim englischen Zweitligisten an diesem Sonnabend (16 Uhr) wird der Stürmer noch fehlen, nachdem er sich vor knapp zwei Wochen im Trainingslager eine leichte muskuläre Verletzung am hinteren Oberschenkel zugezogen hatte. Schnell kamen wieder Stimmen von Fans auf, die den 33-Jährigen nach seiner verletzungsgeplagten Vorsaison bereits in der Sport-Invalidität verorten.

Tatsächlich geht es bei Zoller – im Gegensatz zum öffentlichen Bild – seit einigen Wochen aber wieder bergauf. Zum einen handelt es sich bei den Oberschenkelproblemen wohl nur um eine Verhärtung und keine strukturelle Verletzung. Und zum anderen scheint der Angreifer dem Vernehmen nach endlich eine medizinische Lösung für seine Rückenprobleme gefunden zu haben, die ihn fast die gesamte Vorsaison bei den Kiezkickern gekostet hatten.

FC St. Pauli: Hat Zoller die Lösung für seine Rückenprobleme gefunden?

Bereits am 2. Juli, knapp eine Woche vor dem Trainingsauftakt der Kiezkicker zur neuen Bundesligasaison, war Zoller mit seinem Berater Markus Peter und dessen Freund und Geschäftspartner Michael Rieder in einer Privatpraxis in der Berliner Innenstadt zu Gast, konsultierte die dort ansässigen Ärzte Dr. Gerhard Eller und Dr. Ivan Kellermann. Wie Peter und Rieder nach dem erfolgreichen Termin in Berlin auf Instagram schrieben, konnte für Zoller ein „osteopathischer Behandlungspfad“ gefunden werden.

„Wir hatten keine Lust mehr, Symptombehandlung zu machen, sondern die Ursachen für die Beschwerden finden und dem Patienten helfen, diese loszuwerden“, sagt Eller in einem Imagefilm auf der Homepage der Praxis. Diese Herangehensweise hatte Zoller in den Monaten zuvor gefehlt, kaum ein Arzt konnte ihm wirklich helfen.

Zoller belasteten die vergangenen Monate mental

In der Zweiten Liga kam der vor der Saison vom Bundesligisten VfL Bochum verpflichtete Angreifer so gerade mal auf vier Einwechslungen (insgesamt 38 Minuten Spielzeit). Seit seinem ersten Besuch bei Eller und Kellermann absolviert Zoller unter anderem verschiedene Übungen, die schnell zu deutlichen Verbesserungen seines Gesundheitszustands führten.

Für Zoller, den die ständigen körperlichen Probleme in der Aufstiegssaison auch mental belasteten, käme eine langfristige medizinische Lösung einer Befreiung gleich. „Simon hat die Einstellung, dass er es sich und auch dem FC St. Pauli noch einmal beweisen will, dass er zu Recht verpflichtet wurde. Das ist für ihn eine persönliche Motivation“, sagt Thomas Reis. Der Trainer, der mittlerweile beim türkischen Erstligisten Samsunspor tätig ist, arbeitete in Bochum von 2019 bis 2022 mit Zoller zusammen.

In Bochum hatte Zoller nie Rückenprobleme

Rückenprobleme? Die habe Zoller während seiner Zeit beim VfL nie gehabt, erinnert sich Reis. Die einzige größere Verletzung war ein Kreuzbandriss im Jahr 2021, von der sich der erfahrene Profi aber gut wieder erholte. Insofern war auch Reis verwundert, als er in der vergangenen Spielzeit mitbekam, wie groß die Beschwerden seines früheren Schützlings sind.

Rückblick: Als St. Pauli Zoller im vergangenen Sommer verpflichtete, sahen viele in ihm einen Königstransfer. Am „Deadline Day“, dem letzten Tag der Transferperiode, hatte sich zuvor ein echtes Wechseldrama abgespielt, Fortuna Düsseldorfs Manager Christian Weber und Zoller waren sich bereits über einen Vertrag einig. Trotz des bestandenen Medizinchecks und eines vereinbarten Termins zur Vertragsunterschrift zögerte allerdings der Düsseldorfer Aufsichtsrat, weshalb der Deal platzte und Zoller wenige Stunden vor Ablauf des Transferfensters doch noch bei St. Pauli unterkam.

Zoller hatte den Medizincheck in Düsseldorf bestanden

Gerüchte, wonach Düsseldorf bereits beim Medizincheck eine Rückenproblematik des Stürmers ausgemacht und deshalb Abstand von der Verpflichtung genommen habe, sind nach Informationen dieser Redaktion falsch. Beim Medizincheck war eine leichte muskuläre Verletzung das einzig Ungewöhnliche, was aber weder Düsseldorfs noch St. Paulis Sport-Verantwortliche von einer Verpflichtung abhielt. Erst beim Training an der Kollaustraße traten bei Zoller dann die heftigen Beschwerden auf, kein Arzt konnte ihm in der Folge langfristig helfen.

Ein gesunder Zoller wäre für St. Pauli eminent wichtig, glaubt Ex-Trainer Reis. „Ich weiß aus eigener Erfahrung aus Bochum, wie es als Aufsteiger ist. Die Bundesliga ist eine andere Welt“, sagt der 50-Jährige. „Simons Bundesliga-Erfahrung kann sehr hilfreich sein für St. Pauli. Er ist ein echter Mentalitätsspieler und offensiv flexibel einsetzbar.“ Bei durchschnittlich gerade mal 6,59 Bundesligaeinsätzen pro Spieler im Kader der Kiezkicker – der mit Abstand geringste Wert in der Ersten Liga – ist Zoller mit 114 Bundesligaspielen eine Ausnahmeerscheinung.

Zoller wäre der passende Spielertyp neben Guilavogui

„Er ist kein Keilspieler wie etwa Wout Weghorst, der die hohen Bälle mit dem Gegner im Rücken festmacht. Für unsere Philosophie war er aber Gold wert, weil er ein super Timing hat, das Pressing einzuleiten, sehr mannschaftsdienlich spielt und seine Aufgaben zuverlässig erledigt. Man konnte sich auf ihn verlassen. Außerdem ist er sich nie zu schade, auch mit nach hinten zu laufen“, sagt Reis.

Bei St. Pauli könnte Zoller ähnlich wie Johannes Eggestein die optimale Ergänzung zu Neuzugang Morgan Guilavogui in einer Doppelspitze sein. „Wenn man mit zwei Spitzen spielen würde, sehe ich Simon definitiv auch auf der Position. Er ist ein Spieler, der für Mitspieler auch geschickt die Räume freiziehen kann“, sagt Reis, der Zoller in Bochum auch in einem 3-4-3-System als in die Mitte ziehender Flügelstürmer einsetzte.

Mehr zum Thema

Wie schnell Zoller tatsächlich wieder voll leistungsfähig ist, bleibt abzuwarten. Auch St. Paulis Verantwortliche wissen, dass dem 33-Jährigen die nötige Matchfitness fehlt und er zunächst einmal das vergangene Jahr wieder aufholen muss. Zoller muss dabei den richtigen Weg zwischen seiner Ungeduld und der richtigen Belastungssteuerung finden. Reis hofft, dass ihm das gelingt: „Ich würde mir sehr für ihn wünschen, dass er seine Qualität noch mal zeigen kann.“