Hamburg. Der ältere Bruder des Hamburger Neuzugangs spricht im Abendblatt über die besondere Beziehung – und verrät, was Morgan noch fehlt.
Josuha Guilavogui kommt gerade vom Vormittagstraining, als er sich am Telefon meldet. „Bonjour, wie geht‘s, wie ist das Wetter in Deutschland?“, fragt der Franzose, der zwischen 2014 und 2023 den VfL Wolfsburg in der Bundesliga prägte. Nach der Saison 2023/24 bei Mainz 05 ist der 33-Jährige zurzeit auf Vereinssuche, hält sich dafür in seiner Heimat Toulon an der Côte d’Azur mit einem Privattrainer fit.
Ob es für ihn noch mal in die Bundesliga zurückgeht, ist fraglich – verzichten muss das deutsche Fußball-Oberhaus auf den Namen Guilavogui aber nicht. In der vergangenen Woche machte der FC St. Pauli die Leihe seines jüngeren Bruders Morgan (26) offiziell, der Stürmer kommt inklusive Kaufoption vom französischen Erstligisten RC Lens. „Ein Guilavogui verlässt Deutschland, ein neuer Guilavogui kommt. Das ist perfekt“, sagt Josuha Guilavogui und lacht. „Wir sind sehr glücklich, dass Morgan jetzt bei St. Pauli spielt. Ich habe ihm immer gesagt, dass er nach Deutschland kommen muss, weil die Bundesliga die richtige Liga für ihn ist.“
FC St. Pauli: Morgan Guilavogui fragte seinen Bruder um Rat
Als das Interesse der Kiezkicker aufkam, besprachen sich die beiden Brüder, ob die Leihe nach Deutschland sinnvoll ist. Josuha, der nach einer schwierigen Saison bei Atletico Madrid im Jahr 2014 ebenfalls zunächst per Leihe nach Wolfsburg gekommen war, war schnell überzeugt. „St. Pauli ist ein großer Verein mit viel Tradition, die Spiele sind immer ausverkauft. Ich bin mir sicher, dass der Verein mit der Euphorie des Aufstiegs eine gute Saison spielen wird“, sagt der defensive Mittelfeldspieler. In Lens hatte sein Bruder viel Konkurrenz im Sturm, bei St. Pauli soll er nun der zentrale Spieler im Angriff werden.
„Omar Marmoush hat auch nur gute Sachen über St. Pauli erzählt. Ich bin mir sicher, dass es für Morgan der richtige Schritt ist“, sagt Josuha Guilavogui. „Ich bin Deutschland sehr dankbar, auch Mainz war zuletzt eine schöne Zeit für mich. Unsere ganze Familie hat eine starke Verbindung zu Deutschland, mein Vater hat sogar in Frankreich bei Volkswagen gearbeitet.“
Paul Guilavogui spielte eine wichtige Rolle für seine Söhne
Vater Paul spielte für Josuha und Morgan eine entscheidende Rolle. Ohne ihn wären die Brüder keine Profis geworden, meint Josuha Guilavogui: „Unser Vater hat uns die Leidenschaft für den Fußball weitergegeben. Er war zwar kein Profi, aber trotzdem ein guter Fußballspieler. Als Kinder haben wir ihn beide verfolgt und als Vorbild gesehen. Als mein Vater dann nicht mehr gespielt hat, bin ich Profi geworden und Morgan hat mich spielen sehen. Es gab also immer eine Person in unserer Familie, die man als Vorbild hatte.“
Siebeneinhalb Jahre Altersunterschied liegen zwischen Josuha und Morgan Guilavogui. Als Josuha im Alter von 14 Jahren von seinem Heimatverein in Toulon in die viereinhalb Autostunden entfernte Jugendakademie der AS Saint-Étienne wechselte, sah er seinen kleinen Bruder nur noch an den Wochenenden. „Morgan ist damals mit unserem Vater immer als Zuschauer zu den Spielen gefahren. Auch wenn wir uns nicht ständig gesehen haben, hatten wir doch immer eine sehr enge Verbindung. Als er mich später in Wolfsburg besucht hat, war er von der Bundesliga immer sehr beeindruckt“, erzählt Josuha Guilavogui.
Morgan Guilavogui wurde erst mit 22 Jahren Profi
Später wechselte sein Bruder selbst nach Saint-Etienne, hatte in der U17 aber Probleme, der Trainer gab ihm nicht das nötige Vertrauen. Es folgte ein Schritt zurück zu seinem Heimatverein SC Toulon, wo er in der U19 zum Spaß am Fußball zurückfand. Die glitzernde Profiwelt war zu diesem Zeitpunkt allerdings ein großes Stück entfernt, Toulon zwar Drittligist, aber kein Proficlub. Erst mit dem Wechsel zum Zweitligisten FC Paris wurde Morgan Guilavogui mit 22 Jahren Profi.
„Morgan ist auf dem Platz eher ein instinktiver Spieler, ich bin eher ein Arbeiter“, sagt Josuha Guilavogui. Davon, dass der Neuzugang St. Pauli in der Bundesliga weiterhelfen wird, ist er überzeugt: „Abgesehen von seiner Größe und Geschwindigkeit hat Morgan auch ein sehr gutes Spielverständnis. Er weiß schon, was er machen will, bevor er am Ball ist. St. Pauli wird eher abwartend spielen und dann den Raum hinter der gegnerischen Kette nutzen wollen. Da kann Morgan den Unterschied machen, er ist superschnell, läuft bis zu 35 km/h.“
Manchmal ist St. Paulis Neuzugang noch zu brav
Und, betont er: „Morgan und ich haben eine sehr gute Erziehung erlebt, unser Charakter ist sehr ähnlich. Wir haben gelernt, dass wir immer höflich und respektvoll sein sollen. Deshalb wird Morgan auch niemals für Ärger in der Kabine sorgen.“ Was wie eine Phrase klingt, ist dem 33-Jährigen voll abzunehmen, auch in Wolfsburg wurde der langjährige Kapitän für seine Persönlichkeit geschätzt.
Im 3-5-2-System von Alexander Blessin soll Morgan Guilavogui mit seiner Körpergröße von 1,89 Metern der Zielspieler werden, um ihn herum soll sich kleinere Spieler, wie beispielsweise Johannes Eggestein, frei bewegen. In Sachen Kaltschnäuzigkeit kann der Neuzugang aber offenbar noch nachlegen. „Ich habe mit Bas Dost, Mario Gomez, Wout Weghorst und vielen anderen guten Stürmern zusammengespielt. Das sind alles Spieler, die den Ball vor dem Tor nicht noch zu einem Mitspieler passen würden. Manchmal muss Morgan in diesen Situationen noch egoistischer sein, teilweise ist er noch zu brav“, sagt Josuha Guilavogui.
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Bleibt nur noch die Frage, wem er am 8. Spieltag der kommenden Bundesligasaison die Daumen drückt. Dann empfängt St. Pauli den VfL Wolfsburg am Millerntor. Josuha Guilavogui macht eine kurze Pause, muss überlegen. „Ich habe eine ganz besondere Beziehung zu Wolfsburg und noch viele Freunde dort. Ich würde mich aber trotzdem freuen, wenn Morgan gegen Wolfsburg ein Tor schießt und St. Pauli einen Heimsieg feiert. Blut ist dann doch dicker als Wasser“, sagt er und lacht.
Und wann rückt der nächste Guilavogui in die Bundesliga nach? Wieder muss der Franzose lachen. „Mein Sohn ist erst fünf Jahre alt, also muss Morgan noch 13 Jahre lang spielen, bis es so weit ist.“