Hamburg. Mit der Vertragsverlängerung des Erfolgstrainers stehen St. Paulis Zeichen auf Entwicklung. Wie Schultz das Projekt angehen will.

Hamburg Gute Reise, Timo Schultz, auch für Stadtteil und Verein, Du sollst mein allerletzter FC-St.-Pauli-Trainer sein. (Thees Uhlmann).

Es war ja am Donnerstag nur noch eine formale Bestätigung dessen, was sich zuletzt mehr und mehr angedeutet hatte: Timo Schultz bleibt Trainer des FC St. Pauli. Der am Saisonende auslaufende Vertrag ist verlängert. Und die Träume von vielen St.-Pauli-Fans und Fußballromantikern wie Sänger Thees Uhlmann über eine lange gemeinsame Reise zu neuen Zielen, die können sich vielleicht ja doch erfüllen.

„Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich nicht derjenige bin, der sich permanent verändern möchte“, sagte Schultz. Er fühlt sich wohl in Hamburg, die Identifikation mit dem Verein ist hoch. Warum nicht lange bleiben? Wie ein Christian Streich vom Kiez. Er lacht: „Wir haben hier ein cooles Projekt gestartet, das ein bisschen holprig losging, sich mittlerweile aber absolut in die richtige Richtung bewegt.“

FC St. Pauli: Schultz verkörpert den Club

Der Wunsch, diese derzeit märchenhaft anmutende Erfolgsgeschichte beim aktuellen Zweitliga-Tabellenführer fortzuschreiben, war überall im Club vorhanden. „Die Vertragsverlängerung ist nur konsequent und logisch“, ließ sich Sportchef Andreas Borneman zitieren: „Wir wollen mit Timo den eingeschlagenen Weg konsequent weiterverfolgen. Daher freue ich mich, dass wir nun Klarheit über die Zusammenarbeit auch über die Saison hinaus haben.“

Als Timo Schultz am 12. Juli 2020 zum Cheftrainer des Millerntorclubs befördert wurde, war schon so etwas wie Aufbruchstimmung zu spüren im Verein. Endlich war da nach all den Jahren mit austauschbaren Fußballlehrern (Ewald Lienen mal ausgenommen) wieder einer, der den Club und seine Besonderheiten kannte. Wie einst Holger Stanislawski, Spieler, Funktionär, dann Trainer. Erfolge und Stallgeruch. Fan, was willst du mehr? Bornemann und Präsident Oke Göttlich hatten den Mut, „Volkes Stimme“ nachzugeben.

St. Pauli sieht in Schultz einen Entwickler

Als Spieler war der Ostfriese Schultz 2005 von Holstein Kiel gekommen, arbeitete nach seinem Karriereende 2011 als Teammanager, Co-Trainer bei den Profis und schließlich als verantwortlicher Trainer der U 17 und U 19 des Vereins. „Er hat während seiner Tätigkeit im Nachwuchsbereich gezeigt, dass er Teams weiterentwickeln und stabilisieren kann“, sagte Bornemann.

Der 44 Jahre alte, dreifache Familienvater Schultz lacht gerne, ist freundlich und verbindlich, wirkt immer offen. Und verfolgt seine Ideen doch mit großer Konsequenz. Langjährig verdiente Spieler wie Daniel Buballa, Robin Himmelmann und zuletzt Marvin Knoll sortierte er beim Neuaufbau des Teams aus.

Der nette Herr Schultz kann auch hart sein

Für das größte Erstaunen und zunächst Kritik sorgte er aber, als er unter anderem Vereinsikone André Trulsen nicht als Co-Trainer weiterbeschäftigte. Der nette Schulle wirkte plötzlich ganz hart: „Wir wollten in der Zusammenarbeit mit der Mannschaft für eine neue Ansprache und frischen Wind sorgen.“

Also engagierte er die damals 27 Jahre jungen Fabian Hürzeler und Loic Favé als seine Assistenten, deren systematische Arbeit mit den Spielern auch ein wesentlicher Grund für den sportlichen Aufschwung ist. Beide sollen ebenfalls beim FC St. Pauli bleiben. „Dass ich mit dem Trainerteam gerne weiter zusammenarbeiten möchte, ist ein offenes Geheimnis“, sagte Schultz, „warten wir mal ab, was die nächsten Tage und Wochen bringen.“

Schultz soll St. Paulis Zukunft mitgestalten

Für wie lange Schultz nun unterschrieben hat, darüber machte der Verein – wie er es neuerdings auch bei Spielern handhabt – keine Angaben. Bornemann hat seinen Vertrag im Sommer verlängert. Es erscheint also logisch, dass mindestens die kommenden beiden Saisons gemeinsam angegangen werden.

In den Zukunftsgesprächen ging es jedenfalls um Perspektiven und Pläne, die weit über die Aufstellung einer möglichst guten Mannschaft hinausgingen. Es geht auch um die Optimierung der Rahmenbedingungen, der Infrastruktur am Trainingsgelände an der Kollaustraße.

„Andreas und ich funken da auf einer Wellenlänge“, erklärte Schultz: „Für meine Überlegungen in den vergangenen Monaten war interessant, wie können wir das Projekt weiter voran bringen? Es gibt genug Themen, die wir noch bearbeiten müssen. Das sind häufig Kleinigkeiten, die wir in den Abläufen verändern müssen. Da sind wir noch nicht auf einem Toplevel.“

Präsident Göttlich freut sich über Schultz

Die Richtung ist jedoch vorgegeben, die Professionalisierung in allen Bereichen ist auch das Ziel von Präsident Oke Göttlich. Das schließt die Umstrukturierung der Geschäftsführung ein, aber auch den Ausbau des Nachwuchsleistungszentrums und eben der Trainingsanlage in Niendorf. Die Vertragsverlängerung mit Hauptsponsor Congstar am Mittwoch bis 2025 war dafür auch ein starkes Signal.

„Timo hat beim FC St. Pauli schon einiges erlebt und Höhen und Tiefen erfahren dürfen, ohne den Fokus zu verlieren“, sagte Göttlich. „Jetzt freuen wir uns sehr, ein weiteres Signal zur kontinuierlichen Weiterentwicklung unseres wichtigsten Bereichs setzen zu können.“

Schultz sucht keine schönere Braut

Eine Ausstiegsklausel im Vertrag gibt es nicht. „Wir sind darauf bedacht, hier Kontinuität in den Laden reinzubekommen“, sagte der Cheftrainer, „wenn ich etwas mache, dann zu hundert Prozent. Ich habe auch keinen Ehevertrag.“ Permanent auf dem Sprung sein, schauen, ob nicht „Besseres“ kommt, das gehöre sich nicht.

Mit Angeboten anderer Vereine habe er sich ernsthaft nicht beschäftigt, sagte er. „Wie will ich denn einen Spieler für ein Projekt über zwei, drei Jahre überzeugen, wenn ich selbst gar nicht so hundertprozentig da bin“, sagte er: „Es ist nicht mein Ansinnen, hier möglichst schnell wegzukommen, um den nächsten Schritt zu gehen. Ich würde diesen nächsten Schritt gerne mit dem Verein zusammen gehen.“

Wohin dieser Schritt mit seiner „zweiten Familie“ führen kann oder soll? Pssst – nicht aussprechen. Aber: „Der Verein und ich sind sehr ambitioniert. Und ich mag niemandem das Träumen verbieten. Solange er das Arbeiten nicht vergisst.“