Hamburg. Seit dem Aus für Baumgart prüft der HSV, seine Struktur zu verändern. In die Kabine soll mehr Führung. Was die Pläne für Costa bedeuten.

Manchmal kann eine Trainerentlassung im Fußball eine befreiende Wirkung entfalten. Klar, eine Trennung geht nie spurlos an dem Betroffenen und den Entscheidungsträgern vorbei. Sie ist auch immer die Folge eines Scheiterns aller handelnden Personen. Doch die vor drei Wochen erfolgte Freistellung von Steffen Baumgart brachte die Verantwortlichen beim HSV zum Nachdenken mit Auswirkungen für die Zukunft.

Die Vertragsauflösung setzte im Volkspark neue Gedanken frei, die sich mit einer tiefgreifenden Thematik auseinandersetzen. Warum scheitern immer wieder Trainer beim HSV – selbst vermeintlich große Namen wie Baumgart, der bei seinen vorherigen Stationen in Paderborn und Köln Erfolge nachgewiesen hatte?

HSV prüft Besetzung eines Technischen Direktors

Wenn es eine einfache Antwort auf diese Frage gäbe, wäre der HSV längst in die Bundesliga aufgestiegen. Damit auf ein siebtes nicht ein achtes oder gar ein neuntes Zweitligajahr in Serie folgt, gibt es im Volkspark Überlegungen, eine neue Struktur zur Unterstützung des Trainers einzuführen. Konkret prüft der HSV, den Posten eines Technischen Direktors zu besetzen. Nach Abendblatt-Informationen gab es mit mehreren Kandidaten auch schon konkrete Gespräche, die über mehrere Stunden gingen.

Auch wenn noch offen ist, ob die Stelle neu geschaffen wird, besteht bereits eine Einigung über das grobe Profil. Ein möglicher neuer Technischer Direktor soll ein Bindeglied zwischen Mannschaft und Trainer darstellen. Der neue Mann soll mehr Führung in die Kabine bringen und auch die Spieler eng begleiten, um diese an ihr Leistungslimit zu bringen. Kurz gesagt: Er soll dem Cheftrainer assistieren.

Auf den ersten Blick lässt die Jobbezeichnung Parallelen zu der Tätigkeit von Claus Costa vermuten, auch wenn es sich im Fall der Fälle nicht um einen Ersatz des Sportdirektors handeln soll. Costa wird sich weiterhin schwerpunktmäßig um die Themenbereiche Kaderplanung, Transfers und Scouting kümmern. In diesem Bereich würde ihm ein Technischer Direktor zwar nicht in die Quere kommen, andere Aufgaben in der Kabine könnte Costa dagegen abgeben.

Die Rolle von Claus Costa beim HSV

Im Volkspark wird der 40-Jährige als fleißig beschrieben. Mit Stefan Kuntz soll er sich täglich über Spielertransfers und die Trainerfrage austauschen, heißt es. Doch der Sportvorstand soll nicht immer Costa und andere Verantwortliche bei all seinen Entscheidungen inhaltlich mitnehmen.

So bleibt es im konkreten Gedankenspiel eines Technischen Direktors unklar, inwiefern dieser Prozess mit Costa abgestimmt ist. Klar ist nur, dass der frühere Chefscout bei einigen Gesprächen mit potenziellen Kandidaten nicht dabei war, weshalb Zweifel kursieren, ob er darüber Bescheid wusste. Qua Amt und Persönlichkeit könnte Kuntz seinen Sportdirektor bei bestimmten Entscheidung ohnehin überstimmen.

HSV beschäftigt sich mit Trainerkandidaten

Ungeachtet dessen macht Costa das, was er schon immer getan hat: im Hintergrund arbeiten. Nach der Entlassung Baumgarts führte er ein strukturiertes Trainerscouting beim HSV ein. Eine Maßnahme, die bei der Verpflichtung von Spielern längst gang und gäbe ist und nun auch auf die womöglich wichtigste Position eines Fußballvereins ausgeweitet wird. Endlich, möchte man fast sagen.

Dadurch will der Club vorbereitet sein für den Fall, dass der bis mindestens zum Ende der Hinrunde verantwortliche Merlin Polzin als Chefcoach nicht funktionieren sollte. Auf der aktualisierten Shortlist an realistischen Trainerkandidaten befinden sich mittlerweile überwiegend Namen, die medial noch nicht durchgesickert sind.

HSV hofft, dass Polzin durchstartet

Plan A bleibt aber, mit Polzin in die Rückrunde zu gehen, der zwei Siege am Sonnabend bei Aufsteiger SSV Ulm und eine Woche später zu Hause gegen Greuther Fürth bräuchte, um sicher im Amt zu bleiben.

Das Trainertalent pflegt ein enges Verhältnis zu Costa, beide sind auch inhaltlich auf einer Ebene. Schon Polzins Beförderung als Interimstrainer nach der Beurlaubung von Ex-Coach Tim Walter im Februar war eine gemeinschaftliche Idee von Costa und Ex-Vorstand Jonas Boldt. Weil der HSV bei Hansa Rostock (2:2) dann aber phasenweise sehr wild spielte, wurde der Plan mit Polzin nach nur einem Spiel wieder verworfen und Baumgart als neuer Chefcoach installiert. Nun rücken alle im Volkspark wieder zurück auf Los, und der 34-Jährige bekommt seine zweite Chance.

Merlin Polzin hat eine reelle Chance, der neue Cheftrainer des HSV zu werden.
Merlin Polzin hat eine reelle Chance, der neue Cheftrainer des HSV zu werden. © WITTERS | TimGroothuis

Was macht Claus Costa beim HSV?

Sollte Polzin die Verantwortlichen auf lange Sicht überzeugen, bräuchte er eine Person, die ihn führt. Was normalerweise in den Aufgabenbereich eines Sportdirektors fallen könnte, zählt allerdings eher weniger zu den Stärken Costas. Auch deshalb zieht der HSV in Erwägung, einen Technischen Direktor einzustellen. Denn Costa ist nicht der Typ, der intern auch mal den unbequemen Weg geht und aneckt, wenn es sein muss.

Auch öffentlich hält sich der Ex-Profi weitgehend zurück. Seit der Entlassung Baumgarts trat Costa noch nicht einmal in Erscheinung, um den Trainerwechsel der Öffentlichkeit zu erklären. Zwar gab es bis auf zwei Versuche von Sky auch keine offiziellen Anfragen. An anderen Standorten gehören solche Auftritte allerdings durchaus in die Verantwortung eines Sportdirektors. Costa hält sich dagegen lieber im Hintergrund auf.

TV-Interviews übernimmt fast ausschließlich der kommunikativ geschulte Kuntz, der auf diese Art auch den zweimaligen „Es geht weiter mit Polzin“-Plan erklärte. Zunächst am Montag vor einer Woche, als er dem bisherigen Co-Trainer das Vertrauen für das Darmstadt-Spiel schenkte. Dann vier Tage später, als der Manager die Beförderung bis Weihnachten verlängerte, also unabhängig vom Ergebnis gegen Darmstadt (2:2).

Technischer Direktor? HSV-Plan ist nicht neu

Diese Aufgabenverteilung bliebe auch von der Verpflichtung eines Technischen Direktors unberührt. Beim HSV ist die Idee im Übrigen nicht neu. Schon Kuntz‘ Vorgänger Boldt hatte vor etwas mehr als zwei Jahren den Plan verfolgt, nach der Entmachtung und dem späteren Aus von Sportdirektor Michael Mutzel einen neuen Technischen Direktor zu verpflichten. Boldt hatte seinerzeit bereits finale Gespräche mit Sascha Lense geführt, der zunächst bei Dynamo Dresden, RB Leipzig und Schalke 04 als Sportpsychologe gearbeitet hatte und später auch Teil von Ralf Rangnicks Trainerteam bei Manchester United war.

Weil Boldts damaliger Vorstandskollege Thomas Wüstefeld allerdings ein Veto gegen die Personalie eingelegt hatte, musste der Aufsichtsrat entscheiden. Dieser schloss sich nach Überprüfung der Kosten – Lense sollte 180.000 Euro im Jahr verdienen – dem Veto Wüstefelds an. Zwei Jahre später hat sich diese Sichtweise geändert, denn nach Abendblatt-Informationen ist das Kontrollgremium den Gedankenspielen eines Technischen Direktors inzwischen positiv gestimmt.

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Überhaupt soll der Aufsichtsrat in der routinemäßigen Beobachtung der Vorstände viele Entscheidungen als erfolgversprechend bewerten. Nach jahrelangem sportlichen Misserfolg fordern die Räte ein leistungsorientiertes Denken von der Clubführung. Mit seinem Verhalten, auch mal unbequeme und ein lautes Echo auslösende Entscheidungen zu treffen, stößt Kuntz offenbar auf Akzeptanz im Gremium. Dazu zählen auch die Versetzung der HSV-Profs Levin Öztunali und Moritz Heyer zur U21 sowie der Entschluss, Athletikcoach Daniel Müssig vorerst aus dem Trainerteam zu nehmen.

Damit der Aufstieg endlich klappt, ist der Wunsch nach Veränderungen groß bei den obersten Entscheidungsträgern im Volkspark. Zu einer solchen Korrektur des bisherigen Weges könnte auch die Besetzung eines Technischen Direktors gehören. Mit dem Ziel, dass die Trainer beim HSV künftig erfolgreicher arbeiten und damit auch länger im Amt bleiben können.