Hamburg. Berater von Jürgen Klopp spricht über die Trainersuche im Volkspark, Polzins Chancen, sein Verhältnis zum Sportvorstand und Labbadia.
Nudeln. Damit fing alles an. In der gemütlichen Küche von Marc Kosicke in Eltville nahe Wiesbaden. „Ich habe gekocht, Stefan hat gesprochen“, erinnert sich der Berater von Jürgen Klopp an sein erstes, langes Treffen mit Stefan Kuntz. Der heutige Sportvorstand des HSV war seinerzeit noch deutscher U21-Nationaltrainer – und laut Kosicke einer der perspektivisch wichtigsten Trainer in Deutschland: „Es war ein sehr schöner Nachmittag. Und ich war mir ziemlich sicher, dass der Stefan noch eine große Relevanz im Fußball haben wird.“
Nach dem gemütlichen Pasta-Treffen in dem ehemaligen Pferdestall des Herrenhauses war klar: Kosicke und Kuntz – das passt. Der Klopp-Berater wurde auch zum Kuntz-Berater – und musste schon wenig später mit dem DFB über die Möglichkeit sprechen, ob sein Mandant als Nachfolger von Joachim Löw neuer Bundestrainer werden könnte. Der Rest der Geschichte ist bekannt: Der DFB entschied sich für Hansi Flick, Kuntz für die Türkei – und Jahre später für den HSV.
HSV: Klopp-Berater Kosicke über Polzin
Über all das spricht Marc Kosicke, selbst seit vielen Jahren einer der wichtigsten Protagonisten im Business Fußball, einen Tag nach dem 2:2 des HSV gegen Darmstadt 98 in der aktuellen Ausgabe des Abendblatt-Podcasts „HSV – wir müssen reden“. Und Kosicke hat einiges zu bereden. Über Trainertalent Merlin Polzin, Kuntz‘ aktuelle Suche nach einem neuen HSV-Trainer, seine eigenen Gespräche mit dem Aufsichtsrat des HSV und natürlich auch die immer wieder gern gehörte Geschichte, wie Jürgen Klopp fast schon Trainer des HSV war.
Aber alles schön der Reihe nach. Zunächst spricht Kosicke nicht über Kuntz und Klopp, sondern über Kohfeldt. Florian Kohfeldt. Der Trainer von Darmstadt 98 ist ebenfalls einer von rund 20 Klienten von Kosicke – und hat am Vortag einen ziemlich guten Job mit den Lilien erledigt. „Das war ein schöner Schlagabtausch von zwei Mannschaften, die gerne offensiv spielen“, schwärmt Kosicke über das 2:2. Auch Polzin und der HSV bekommen ein Lob. „Die Mannschaft hatte Feuer, die hat einen schnellen Fußball gespielt.“
Kosicke hatte immer wieder mit dem HSV zu tun
Kosicke ist Bremer, gebürtig und vom Herzen. Aber als echter Norddeutscher „kommt der HSV für mich direkt dahinter“, sagt er. Und nicht nur deswegen schaut er auch ganz genau hin, wenn der HSV spielt. Denn als Deutschlands wahrscheinlich wichtigster Trainerberater hat man natürlich über die Jahre auch immer wieder mit dem chronisch trainersuchenden HSV zu tun.
Kurioserweise ist es noch nicht einmal ein Jahr her, da führte Kosicke gleich mehrere Gespräche mit dem damaligen Sportvorstand Jonas Boldt. Der zeigte als möglichen Nachfolger von Tim Walter zum einen großes Interesse an Kosicke-Mandant Bo Svensson. Zum anderen an Kosicke-Mandant Kuntz. „Wir hatten gerade vorher die gleiche Anfrage vom 1. FC Kaiserslautern“, erinnert sich Kosicke an seine Gespräche mit Boldt über Kuntz. „Und da hätte sich das für Stefan nicht richtig angefühlt, da abzusagen und eine Woche später dann dorthin zu gehen. Und von daher ist das nicht zustande gekommen.“
Ein halbes Jahr später ging Kuntz dann aber doch zum HSV. Nicht als Trainer, sondern als Boldt-Nachfolger. Und damit endete auch das offizielle Beratermandat Kosickes, der kurz zuvor noch selbst mit dem Aufsichtsrat über ein Engagement beim HSV als CEO gesprochen hatte. „Das hätte dann vielleicht Geschmäckle bekommen“, antwortet Kosicke auf die Frage, ob es ein Interessenkonflikt hätte werden können, wenn er Kuntz als Sportvorstand weiter beraten hätte – und dann gleichzeitig mögliche Trainerkandidaten.
„Die Gespräche liefen so, dass man sich mit dem Immobilienmarkt auseinandergesetzt hat.“
Nun ist erst einmal Merlin Polzin Trainerkandidat Nummer eins. „Ich glaube, dass der HSV und Stefan Kuntz gerade all in gehen. Die möchten wirklich, dass das klappt“, sagt Kosicke, der sich daran erinnert, wie er seinerzeit Trainertalent Julian Nagelsmann in Hoffenheim in einer ähnlichen Situation beraten hat. Als er den heutigen Bundestrainer als 28-Jährigen gefragt hat, ob er sich das zutraut, Hoffenheim im Abstiegskampf zu übernehmen, habe der laut Kosicke geantwortet: „Ich traue mir das zu.“ Der HSV, der damals ebenfalls an Nagelsmann interessiert war, wäre dagegen noch eine Nummer zu groß gewesen.
Kosicke rät Polzin: „Mach es auf jeden Fall“
Merlin Polzin ist sechs Jahre älter als Nagelsmann bei seinem ersten Engagement als Profitrainer in Hoffenheim, doch der Rat von Kosicke ist auch gut neun Jahre später der gleiche: „Ich würde ihm sagen: Mach es auf jeden Fall.“ Auch, weil das Vertrauen der Club-Verantwortlichen da ist. „Ich habe das Gefühl, dass sich im Club jeder sehr wünscht, dass das jetzt erfolgreich wird“, sagt Kosicke.
Und was, wenn nicht? Eine Rückkehr Polzins als Co-Trainer findet Kosicke schwierig. „Wenn man einmal Blut geleckt und die Nadel im Arm hatte, dann will man in der Regel auch Cheftrainer bleiben“, sagt der Klopp-Berater, der zudem glaubt, dass es für einen neuen Coach mit Polzin als Assistent im Rücken kein guter Start wäre: „Ich glaube, es wäre für den neuen Cheftrainer schwierig.“
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Doch wer würde nach der langen Suche nach einem Nachfolger von Steffen Baumgart überhaupt noch im Winter HSV-Trainer werden wollen? „Der HSV hat immer eine große Sexyness“, sagt Kosicke, der allerdings einen guten, alten Bekannten nahezu ausschließt, der direkt nach der Beurlaubung Baumgarts fast von Kuntz verpflichtet worden wäre: Bruno Labbadia.
Es ist bekannt, dass es intensive Gespräche zwischen Kuntz und Labbadia gab, sich der HSV-Sportvorstand dann aber nach dem 3:1-Sieg gegen Karlsruhe überraschend doch für Polzin ausgesprochen hat. Zumindest vorerst. Dass Labbadia aber noch einmal im Winter zur Verfügung stünde, wenn der Polzin-Plan nicht aufgehen sollte, glaubt Kosicke nicht: „Das ist nicht Brunos Art, da ist er auch zu stolz.“
Klopp hat schon nach einem Haus in Hamburg gesucht
Zu stolz war vor 16 Jahren auch Jürgen Klopp, als der HSV sich wochenlang um den damaligen Mainzer bemüht hatte, es dann aber trotzdem zu keiner Einigung kam. „Die Gespräche liefen so, dass man sich durchaus mit dem Immobilienmarkt in Hamburg auseinandergesetzt hat“, erinnert sich Kosicke. „Und dann wurde viel gezaudert. Und immer, wenn man zaudert, dann merkt man, dass da keine totale Überzeugung ist.“
Zum Rest der Episode wurden Kosicke und Klopp schon häufiger befragt. Überliefert ist, dass Ex-HSV-Sportchef Dietmar Beiersdorfer seine Scouts zum Training von Mainz schickte und diese in ihrem Report berichteten, dass Klopp durch zerrissene Jeans und Dreitagebart, nicht aber durch Pünktlichkeit auffiel. „Im Nachhinein kann man sagen: Ein Glück, dass es so gelaufen ist“, sagt Kosicke anderthalb Jahrzehnte später. „Dann kam Borussia Dortmund und die Erfolgsstory ging so richtig los.“
Sollte der Polzin-Plan nicht klappen, hätte Kosicke Ideen für den HSV
Zwei BVB-Meisterschaften, unzählige Liverpool-Triumphe und ein HSV-Abstieg später sucht der HSV erneut nach seiner ganz eigenen Erfolgsstory. Und sollte der Polzin-Plan doch nicht klappen, hätte er natürlich den einen oder anderen Trainer im Potpourri, witzelt Kosicke. Tobias Schweinsteiger gehört zum Beispiel zu seinen 20 Klienten. Oder auch David Wagner.
Vielleicht wird es einfach mal wieder Zeit, dass sich Kosicke und Kuntz zum Nudelnessen verabreden. Was er seinem ehemaligen Mandanten und heutigen Cheftrainersucher zu Weihnachten wünscht? „Erst einmal sechs Punkte. Und dann hat sich vieles andere auch schon mal geklärt“, sagt Kosicke.
Hohoho.