Hamburg. Bei der Kuntz-Präsentation sagte Aufsichtsratschef Papenfuß, dass kein CEO mehr kommen soll. Nicht jeder HSV-Kontrolleur stimmt da zu.

Knapp zwei Wochen ist es nun schon her, dass Michael Papenfuß einen Schlussstrich gezogen hat. Der Aufsichtsratschef des HSV saß auf dem Podium im Presseraum des Volksparkstadions und wollte alle Unklarheiten beseitigen. „Es war unsere Anfangsüberlegung, ob wir den Vorstand aufstocken und mit einem dreiköpfigen Team arbeiten“, sagte der Chefkontrolleur. Und dann sehr deutlich: „Das haben wir für die Zweite Liga verworfen.“

Papenfuß war am Rande der Präsentation von Stefan Kuntz als Sportvorstand gefragt worden, ob der HSV noch immer über die Installierung eines Vorstandsvorsitzenden nachdenke. Und die Debatte, die in den vergangenen Monaten immer mal wieder auch öffentlich geführt wurde, war durch die unmissverständliche Antwort ein für alle Male vom Tisch.

HSV: Aufsichtsrat überrascht von Papenfuß-Statement

Oder doch nicht? Nach Abendblatt-Informationen waren einige Ratskollegen von Papenfuß‘ klarer Aussage überrascht. Innerhalb des Kontrollgremiums ist man zwar froh, die Baustelle auf der Position des Sportvorstands durch den Wechsel von Jonas Boldt zu Stefan Kuntz nach monatelangen Gesprächen geschlossen zu haben, allerdings sei die Entscheidung über die Position eines CEO nicht endgültig gefallen, sondern lediglich vertagt.

Gleich zwei Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit haben den einen oder anderen Kontrolleur zum Nachdenken gebracht, ob ein dreiköpfiger Vorstand nicht grundsätzlich besser als eine Doppelspitze sei. Beispiel Nummer eins: Nach der unrühmlichen Trennung von Ex-Vorstand Thomas Wüstefeld musste Jonas Boldt übergangsweise als Allein-Vorstand arbeiten, was bei einem Club wie dem HSV einer Herkulesaufgabe gleicht.

Aufsichtsräte plädieren für Dreier-HSV-Vorstand

Und Beispiel Nummer zwei: Ähnliches drohte auch Finanzvorstand Eric Huwer, hätte man für Boldt keine zeitnahe Nachfolgelösung gefunden. Ein Aufsichtsrat zum Abendblatt: Ein HSV-Gesamtvorstand muss auch arbeitsfähig bleiben, wenn sich der Aufsichtsrat dazu entschließt, ein Vorstandsmitglied freizustellen.

Zu diesen Überlegungen passt ein Geheimplan, über den der Personalausschuss des Kontrollgremiums in den vergangenen Monaten sehr intensiv nachgedacht hatte. Und dieser Plan hatte einen Namen: Marc Kosicke. Nach Abendblatt-Informationen hatte es konkrete Überlegungen und sogar erste Gespräche mit dem Berater von Jürgen Klopp über die Möglichkeit gegeben, Vorstandsvorsitzender beim HSV zu werden. Zum Zeitpunkt der Gespräche war es auch noch eine Option, dass Boldt Sportvorstand unter einem Vorstandschef Kosicke bleiben könnte.

Marc Kosicke liebäugelte schon einmal mit Werder Bremen

Kurios: Bereits vor 13 Jahren hatte der Gründer der Firma Projekt B damit geliebäugelt, ein offizielles Amt bei einem Verein zu übernehmen. Seinerzeit verriet der gebürtige Bremer im Gespräch mit dem Abendblatt, dass er bei einer Anfrage seines Herzensclubs Werder schwach werden könnte: „Ich bin und bleibe im Herzen Bremer.“

Tatsächlich dauerte es nicht lang, ehe Werder mit Kosicke über das Amt des Sportdirektors sprach. Am Ende entschied sich der Trainerberater für seine eigentliche Tätigkeit – und sagte Bremens Aufsichtsrat ab. Ein paar Jahre später sollte Kosicke dann sogar Aufsichtsrat bei Hertha BSC werden, sagte aber nach zahlreichen Gesprächen erneut ab. Und nun also der HSV.

Klopp-Berater machte sehr guten Eindruck auf Aufsichtsräte

Kosicke selbst wollte das HSV-Interesse auf Abendblatt-Nachfrage nicht konkret kommentieren – und auch Chefkontrolleur Papenfuß betonte, sich öffentlich nicht zu Namen und internen Vorgängen äußern zu wollen. Aber wie das Abendblatt erfuhr, soll Kosicke einen sehr guten Eindruck in den Gesprächen mit dem Aufsichtsrat hinterlassen haben. Letztendlich kam man allerdings nicht auf einen gemeinsamen Nenner, weil sich der frühere Adidas- und Nike-Manager nicht von all seinen Beratungsmandaten (unter anderem beim FC Liverpool) und Firmenbeteiligungen trennen wollte.

Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt. Der HSV-Aufsichtsrat konzentrierte sich zunächst auf die Nachfolge von Jonas Boldt – und will sich nach der Verpflichtung von Stefan Kuntz noch einmal zusammensetzen, ob der Club perspektivisch nicht doch einen klassischen CEO braucht. Auch die Bereiche Marketing und Vertrieb sind nach Auffassung einiger Räte nicht ausreichend repräsentiert bei der aktuellen Vorstandsdoppelspitze mit Huwer und Kuntz.

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Es wird nicht das einzige Thema auf der nächsten Aufsichtsratssitzung sein. Innerhalb des Gremiums will man auch den Prozess der Suche nach einem Boldt-Nachfolger aufarbeiten.

Besonders die mutmaßlich mangelhafte Kommunikation der vergangenen Wochen wird kritisch gesehen. Grundsätzlich will man aber an Aufsichtsratschef Papenfuß festhalten.

Klopp-Berater Kosicke geht nicht zum HSV – und nicht zu Werder

Der nächste Schritt für die Kontrolleure: Ihr Gremium soll von aktuell sechs auf dann wieder sieben Mitglieder aufgestockt werden, Gespräche mit Kandidaten laufen. Nur eine Anfrage bei Marc Kosicke kann man sich wohl sparen.

Immerhin: Ein möglicher Interessenkonflikt zwischen dem HSV und Kosickes Herzensclub Werder Bremen bleibt somit aus.