Hamburg. Nach dem 3:1-Sieg in Karlsruhe und dem Sprung auf Platz zwei hat der HSV entschieden, wie es in der Trainerfrage weitergeht.

Stefan Kuntz hatte vor dem Spiel des HSV beim Karlsruher SC einen konkreten Wunsch: Er wolle das Spiel seiner Mannschaft auf der Tribüne genießen. Entsprechend genüsslich stand der Sportvorstand der Hamburger nach dem überzeugenden 3:1-Sieg beim KSC im Kabinenbereich des Karlsruher Wildparkstadions und lobte die Spieler und das Trainerteam. „Ich hatte das Gefühl, dass alle in die gleiche Richtung marschieren: nach vorne“, sagte Kuntz und fasste damit in einem Satz zusammen, warum er sich von Steffen Baumgart getrennt hatte: weil es zu wenig nach vorne ging. Die Mannschaft wirkte in Karlsruhe nun wie befreit.

Beim HSV stellen sich nun alle Fans dieselbe Frage: Bekommt Interimstrainer Merlin Polzin am kommenden Sonntag gegen Darmstadt 98 eine weitere Chance, sich sogar für den Cheftrainerposten zu empfehlen? Kuntz machte nach dem Spiel eine klare Andeutung: „So eine Welle werden wir nicht versuchen zu unterbrechen“, sagte der 62-Jährige in der ARD, als er über seine Trainersuche sprach.

HSV-Trainer Polzin: Kuntz trifft Entscheidung

Am Montag bestätigte Kuntz auch ganz offiziell, was er mit diesem Satz bereits durchblicken ließ: Interimslösung Polzin bleibt auch beim Heimspiel gegen Darmstadt im Amt. Mindestens. „Ich habe bei der Mannschaft eine Befreiung gemerkt. Wir wollen diesen Schwung bis zum Wochenende nicht unterbrechen. Merlin wird mit seinem Team auch das Heimspiel machen“, sagte der Manager.

Polzin wurde bereits kurz nach dem Abpfiff am Sonntag darüber informiert. „Ich habe ihm noch im Karlsruher Wildparkstadion gesagt, dass er auch das Spiel gegen Darmstadt macht“, sagte Kuntz, der sich zuvor die Meinung von Sportdirektor Claus Costa und Vorstandskollege Eric Huwer einholte. „Das ist meine Überzeugung, genauso sehen es auch Claus und Eric.“

Mit dieser klaren und vor allem schnellen Entscheidung hat Kuntz die Position von Polzin gestärkt. „Ich wollte es gleich klären, weil die Wirkung dann viel höher ist, als wenn man erst zwei Nächte darüber schlafen muss und viermal mit anderen telefoniert. Merlin hat es sich verdient“, erklärte der Sportvorstand sein Vorgehen. „Ich habe in der Kabine eine Freude und Erleichterung in der Mannschaft gespürt.“ Diese Entwicklung dürfe man „jetzt nicht stoppen“.

Unter Interimstrainer Merlin Polzin wirkte die Mannschaft wie befreit. Deshalb darf er vorerst weitermachen beim HSV.
Unter Interimstrainer Merlin Polzin wirkte die Mannschaft wie befreit. Deshalb darf er vorerst weitermachen beim HSV. © dpa | Uli Deck

HSV-Boss Kuntz geht mit Polzin in die Woche

Vor dem Spiel hatte sich angedeutet, dass Bruno Labbadia in dieser Woche im Volkspark als neuer Trainer vorgestellt werden könnte, wenngleich sich der HSV immer die Option weiterer Partien mit Polzin offengehalten hatte. Nach dem Spiel sprach schließlich vieles dafür, dass Polzin vorerst in der ersten Reihe bleibt. „Wir haben nie dementiert, dass er eine Chance hat. Wir treffen keine Entscheidungen aus den Emotionen heraus. Jetzt gehen wir in die nächste Woche und schauen uns das nächste Spiel an“, so Kuntz.

Der Manager hat selbst auf der Tribüne erkannt, wie ausgewechselt die neu formierte Mannschaft plötzlich spielte. Vor allem Jean-Luc Dompé war anzusehen, wie viel Spaß er haben kann, wenn man ihn Spaß haben lässt. „Es ging in erster Linie darum, den Spielern Mut zu machen. Die Jungs haben mit viel Spaß gespielt“, sagte Polzin. Auch Kapitän Sebastian Schonlau bestätigte das Lösen der Handbremse: „Natürlich wollte der Trainer ein Stück Lockerheit wieder reinkriegen, dass wir Spaß haben und frei sind.“

Kuntz beschreibt Profil bei HSV-Trainersuche

Kuntz nannte nun weder ein zeitliches Ziel bei der Trainersuche, noch kommentierte er konkrete Namen („Es ist zu früh, mehr dazu zu sagen“). Nur das Profil ist klar: „Wir wollen einen begeisternderen Fußball sehen, so, wie wir es heute gemacht haben. Der Kader hat das Zeug, um oben mitzuspielen. Wir werden in Ruhe entscheiden. Ich glaube, dass wir eine gute Entscheidung hinbekommen.“

Kuntz steckt jetzt allerdings in einer Zwickmühle. Einerseits muss er sich weiterhin mit möglichen Nachfolgern beschäftigen. Andererseits muss er diese hinhalten, solange Polzin Erfolg hat. Schließlich wäre es für den neuen Trainer ein schwieriger Start, wenn der Vorgänger bis dahin Spiele gewonnen hat und bei der Mannschaft gut ankommt. Also so, wie es bei Polzin und den HSV-Spielern der Fall ist.

Durch diese „von Spiel zu Spiel“-Sichtweise läuft Kuntz zugleich Gefahr, dass ihm potenzielle Kandidaten wie Labbadia abspringen, weil sie das Gefühl haben, hingehalten zu werden. „Das gehört zu den Risiken bei so einer Situation dazu“, gesteht der Manager, der nicht alleine über die Zukunft des HSV entscheiden will. „Bei so einer wichtigen Frage holt man sich viele Informationen ein: von Claus Costa, Eric Huwer oder meinem Aufsichtsrat. Die können mir schon ein paar Sachen erzählen bei dieser Frage. Die Rückmeldungen, die ich bekomme, helfen mir.“

Labbadias schlechte Erfahrung in Stuttgart

HSV-Kandidat Labbadia erlebte so eine Situation vor zwei Jahren, als er beim VfB Stuttgart in seine zweite Amtszeit gestartet war. Interimstrainer Michael Wimmer gewann nach der Freistellung von Pellegrino Matarazzo drei von sechs Spielen und ließ wieder attraktiveren Fußball spielen. Für Labbadia lief es dann von Beginn an schlecht. Er gewann keines der ersten fünf Spiele und bis zu seiner Entlassung vier Monate später nur eines von elf Ligaspielen.

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HSV-Sportvorstand Kuntz ist schlau genug, um solche Szenarien vorauszuahnen und seine Planungen entsprechend anzupassen. Sein aktueller Plan ist klar: Polzin kann mit einer Siegesserie seine Zeit auf der Bank verlängern. Der 34-Jährige ist in jedem Fall hoch motiviert, wie er am Sonntag im Stile von Bruno Labbadia sagte: „Ich habe Bock, mit den Jungs weiterhin erfolgreich zu sein.“ Also auch über das Darmstadt-Spiel hinaus, sofern man ihn lässt.

Bleibt Polzin bis zum Winter HSV-Trainer?

Parallel geht die Suche nach einem neuen Übungsleiter weiter. „Man könnte jetzt sarkastisch sagen, dass ich eine Woche Zeit gewonnen habe. Wir machen aber schon die ganze Zeit unseren Job und lassen uns nicht treiben“, sagte Kuntz am Montag. „Es muss eine gute Entscheidung werden, die noch offen ist. Wir prüfen verschiedene Möglichkeiten. Es gibt einfach ganz unterschiedliche Zusammenstellungen.“

Eine schnelle Entscheidung in der Trainerfrage deutet sich also weiterhin nicht an. Bleibt Polzin vielleicht sogar bis zur Winterpause? „Ich schließe gar nichts aus“, stellte Kuntz vielsagend klar.