Hamburg. Erst der Rauswurf von Baumgart, nun die Degradierungen von Öztunali, Heyer und einem Athletiktrainer. Bleibt die Frage: Was soll das?
Levin Öztunali, 28 Jahre jung, Fußballer, Enkel von Uwe Seeler, hatte bislang eine ziemlich beeindruckende Fußballkarriere. Er spielte erfolgreich bei Bayer Leverkusen, Werder Bremen und Mainz 05, sowie etwas weniger erfolgreich bei Union Berlin. Alles Vereine und Arbeitgeber, auf die wohl auch Opa Uwe stolz gewesen sein dürfte. Wirklich Probleme hatte Enkel Levin nur am Anfang und am Ende dieser Laufbahn. Jeweils beim HSV.
„Armselig“ nannte es Opa Uwe, als sein Enkel vor elf Jahren nicht mehr am Spielbetrieb der HSV-Nachwuchsmannschaften teilnehmen durfte, weil er sich gegen ein Vertragsangebot des HSV und für einen Wechsel zu Bayer Leverkusen entschieden hatte. Und weiter schimpfte Seeler: „Der Verein hat seine Seele und Tradition ein bisschen verloren.“
HSV: Öztunali wurde in die U21 abgeschoben
Eine gute Dekade später kann Seeler nicht mehr schimpfen. Leider. Doch die vor zwei Jahren verstorbene HSV-Legende wäre in dieser Woche möglicherweise ähnlich erzürnt wie damals gewesen, wenn er noch mitbekommen hätte, dass sein Enkel, nach dessen wenig erfolgreichen Rückkehr zum HSV nun schon ein zweites Mal degradiert wurde.
Diesmal wurde Öztunali (genau wie Kollege Moritz Heyer) vom Profitraining verbannt und stattdessen zur U21 geschickt. Offizielle Begründung: Unter Interimstrainer Merlin Polizin wolle man mit einer kleineren Gruppe trainieren. So kommunizierten es Polzin und Sportdirektor Claus Costa auch in ihren Gesprächen mit Öztunali und Heyer.
Heyer und Öztunali sollen sich neue Clubs suchen
Doch natürlich gibt es auch eine inoffizielle Begründung, die der Wahrheit etwas näherkommt. Der HSV war sowohl mit Öztunali als auch mit Heyer unzufrieden, hat ihnen das auch schon im Sommer mitgeteilt und wollte nun vor der nahenden Wintertransferphase den Druck erhöhen. Die eindeutige Botschaft: Sucht euch einen anderen Club!
Nun ist das Fußballgeschäft natürlich kein Ponyhof, das Mitleid mit den sehr gut verdienenden Öztunali und Heyer darf sich in Grenzen halten. Beide bekommen schließlich trotz bislang enttäuschender Leistungen immer noch pünktlich ihr Geld überwiesen. All das ist richtig – genauso wie die legitime Frage: Was soll jetzt die harte Tour?
Auch Athletiktrainer Müssig wurde aussortiert
Denn zwei Tage nach den (zu späten) Beurlaubungen von Cheftrainer Steffen Baumgart, Co-Trainer René Wagner und Assistent Kevin McKenna hat der HSV neben Öztunali und Heyer auch noch Athletiktrainer Daniel Müssig freigestellt. Der ist seit mehr als neun Jahren beim HSV, hat elf (!) HSV-Trainer er- und überlebt – und soll nun aber eine Mitschuld an einer fehlenden Fitness haben?
Der Volksmund würde die Degradierungen Nummer vier, fünf und sechs in dieser Woche schlicht und einfach Bauernopfer nennen. Dabei hatte Ex-Trainer Baumgart noch nach der Niederlage in Braunschweig auf Nachfrage die Intensität und Laufbereitschaft seiner Mannschaft gelobt, die Clubführung hatte einen Tag später die guten Fitnesswerte der Spieler bestätigt. Doch zwei Wochen später hat sich die HSV-Welt weitergedreht. Der HSV läuft mal wieder seinen eigenen Erwartungen hinterher – und Schuld daran hat der Fitnesstrainer...
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In den vergangenen Wochen hat man sich ein entschlosseneres Vorgehen der HSV-Verantwortlichen oft gewünscht – doch die jetzigen Suspendierungen in Serie sind kein hartes Durchgreifen. Sie sind viel mehr angreifbar. Es wirkt eher aktionistisch, wenn nach fünf Pflichtspielen ohne Sieg in Folge die Ersatzspieler Nummer 22 und 23 sowie der Athletiktrainer gehen müssen.
Sechs Jahre in Folge ist der HSV nicht aufgestiegen, konnte aber zuletzt trotzdem das Image des chronischen Chaosclubs ablegen. Blöd wäre, wenn es im verflixten siebten Jahr in der Zweiten Liga wieder keinen Aufstieg zu feiern gibt – und lediglich die Unruhe außerhalb des Platzes beim HSV ein unverhofftes Comeback feiert.
Uwe Seeler schaut von oben ganz genau auf den HSV
Der Club mit den drei Buchstaben und drei Farben, wie die HSV-Band Abschlach! es so schönt formuliert, braucht nun drei Dinge: sportlichen Erfolg (am besten schon in Karlsruhe), eine überzeugende (und am besten schnelle) Trainerlösung und eine Woche ohne weitere Beurlaubungen.
Natürlich weiß niemand, ob all die Entscheidungen der vergangenen und der kommenden HSV-Tage zu einem besseren Ende führen. Klar ist nur eines: Uwe wird von oben ganz genau hinschauen. Und momentan macht er sich Sorgen.