Hamburg. Die Kosten für den viel gelobten HSV-Kader sind deutlich gestiegen. Die Besetzung einer Position veranschaulicht die Problematik.

Für Levin Öztunali war es ein seltenes Gefühl, gebraucht zu werden. Beim Testspiel des HSV gegen den niederländischen Erstligisten Twente Enschede (2:4) durfte der Offensivspieler ganze 75 Minuten ran. So lang kam er in der Liga zuletzt vor 16 Monaten gegen den FC Schalke (5:3) zum Einsatz. Lang, lang ist es her. Es war Öztunalis erstes Spiel nach seiner Rückkehr zum HSV, die bislang keine Erfolgsgeschichte ist.

Nachdem er in der vergangenen Saison immerhin 19 Zweitligaspiele absolviert hatte, in denen ihm allerdings keine Torbeteiligung gelang, spielt der Flügelspieler inzwischen keine Rolle mehr. Nur zwei Einwechslungen zu Saisonbeginn über insgesamt 27 Minuten stehen in seiner Statistik. Die Hälfte der bisherigen zwölf Spieltage (sechs) stand er nicht einmal im Kader.

HSV-Profi Öztunali ein Wechselkandidat: Was Baumgart sagt

Gegen Twente, und das war ähnlich überraschend wie seine Einsatzzeit, wusste Öztunali in der ersten Hälfte durchaus zu gefallen. Eine Beobachtung, die auch Steffen Baumgart teilte. „Er nimmt seine Situation sehr gut an, ich habe Levin noch nicht eine Trainingseinheit wegschmeißen sehen“, sagte der HSV-Trainer, der bekannt dafür ist, gerade mit den Reservisten viel zu kommunizieren.

Folgerichtig führte er in dieser Saison auch schon mehrere Einzelgespräche mit Öztunali. „Wir sind ab und zu im Austausch“, bestätigte Baumgart. „Ich finde schon, dass er sich in einer schweren Situation befindet, die aber im Fußball dazugehört. Trotzdem bleibt er klar im Kopf.“

Wie Öztunali in eine HSV-Sackgasse kam

Klar im Kopf muss sich der 28 Jahre alte Öztunali allerdings vor allem über seine Zukunft werden. Weil er mit Ausnahme von Testspielen im Volkspark weiterhin keine Perspektive hat, ist er nach Abendblatt-Informationen im Winter ein Kandidat für einen Wechsel. Schon im Sommer hätte ihm der HSV für einen Abgang keine Steine in den Weg gelegt. Die Verantwortlichen um Vorstand Stefan Kuntz und Sportdirektor Claus Costa hatten ehrliche Gespräche mit dem Enkel von Uwe Seeler geführt und ihm erklärt, auf seiner Position andere Pläne zu haben.

Öztunali wusste frühzeitig, dass sich der HSV in der Offensive verstärken wird. Trotzdem glaubte er an seine Chance. Bis zur letzten Woche der Transferperiode standen seine Aussichten auf einen Kaderplatz auch gar nicht so schlecht. Dann aber holte der HSV mit den Verpflichtungen von Marco Richter (26) und Emir Sahiti (25) zu einem Transfer-Doppelschlag aus – mit Folgen für Öztunali, der in Hamburg noch bis Sommer 2026 unter Vertrag steht.

Baumgart-Kritik an Sahiti: Hacke weglassen

Doch auch Sahiti dient aktuell als Beispiel, warum die im ligaweiten Vergleich hohen Kaderkosten nicht immer deckungsgleich mit dem Ertrag auf dem Platz sind. Der kosovarische Nationalspieler, der im Sommer für 1,2 Millionen Euro von Hajduk Split verpflichtet wurde, fehlte zuletzt wegen einer Sprunggelenksverletzung. Gegen Twente kam er eine Halbzeit zum Einsatz. Läuft alles nach Plan, kehrt er beim kommenden Heimspiel gegen Schalke zurück in den Kader.

Emir Sahiti wechselte kurz vor Transferschluss im Sommer zum HSV. Aktuell kämpft er sich nach einer Verletzung zurück. Gegen Twente spielte er 45 Minuten.
Emir Sahiti wechselte kurz vor Transferschluss im Sommer zum HSV. Aktuell kämpft er sich nach einer Verletzung zurück. Gegen Twente spielte er 45 Minuten. © WITTERS | ValeriaWitters

Sahiti, der in der Liga erst 91 Minuten spielte, wird intern mit das größte Verbesserungspotenzial bescheinigt. „Er verfügt offensiv über ein sehr gutes Eins-gegen-eins, wackelt aber noch ein bisschen in manchen Situationen“, sagte Baumgart, der Anpassungsprobleme beim Neuzugang aus der kroatischen Liga ausfindig gemacht hat. „Er muss sich daran gewöhnen, in Deutschland die Hacke vielleicht eher wegzulassen und eine Klarheit in sein Spiel zu bekommen. Sein Können sieht man. Es wäre schön, wenn es nicht nur aufblitzt.“ Klare Worte vom HSV-Trainer.

Warum spielt Jatta aktuell nicht beim HSV?

Diese fand Baumgart zuletzt auch bei Bakery Jatta, einem weiteren nicht gerade günstigen Akteur für die Außenbahn. Seit seiner im Januar erfolgten Vertragsverlängerung um fünf Jahre bis 2029 hat der Gambier nur vier Scorerpunkte gesammelt. In dieser Saison kam er verletzungsbedingt nur 188 Zweitligaminuten zum Einsatz. Zuletzt wechselte ihn Baumgart zweimal in Folge nicht einmal ein, weil er Jattas Fitness beklagte.

Auch gegen Twente fehlte dem 26-Jährigen die Spritzigkeit. „Bei Baka hat man gesehen, dass ihm das letzte Selbstvertrauen fehlt. Das kommt aber auch nur durch Spiele und gute Aktionen, deshalb ist alles okay“, äußerte sich Baumgart hinterher moderater als zuletzt.

Bakery Jatta (l.) spielte eine Halbzeit im HSV-Test gegen Twente.
Bakery Jatta (l.) spielte eine Halbzeit im HSV-Test gegen Twente. © WITTERS | ValeriaWitters

Wie viel ist dieser HSV-Kader wert?

Mit Öztunali, Sahiti, Jatta und Silvan Hefti hat der HSV für Gehälter und Ablöse (Sahiti, Hefti) viel Geld ausgegeben, um die rechte Seite zu besetzen. Gespielt hat dort aber zuletzt Linksfuß Noah Katterbach, der für diese Position eigentlich nie vorgesehen war. Zwar überzeugte Katterbach in ungewohnter Rolle, und trotzdem dient seine Aufstellung auch als Beleg für eine nicht immer stimmige und teilweise kostspielige Kaderplanung in der Vergangenheit.

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In seiner gerade erst veröffentlichten Bilanz gibt der HSV seinen Personalaufwand der vergangenen Saison mit 44,3 Millionen Euro fast drei Millionen Euro teurer an als in der Saison 2022/23 (41,6 Millionen Euro). Zum Vergleich: 2021/22 betrug dieser Kostenpunkt noch 39,2 Millionen Euro. Die Steigerung hat allerdings nichts zu tun mit der Geschäftsstelle. Im Gegenteil: Das Verhältnis zwischen Personalaufwand und Umsatzertrag war im vergangenen Jahr auf Rekordniveau. Zu erklären ist der Anstieg der Personalkosten mit den Kaderkosten, Vertragsverlängerungen (Jatta, Miro Muheim, Sebastian Schonlau) sowie dem Wechsel des Trainerteams im Februar.

Auch in dieser Spielzeit ist mit einer weiteren Steigerung zu rechnen. Um den Aufstieg im siebten Anlauf endlich zu schaffen, war der Club im Sommer bereit, etwas mehr finanzielles Risiko einzugehen. Dieser Aufwand wird sich auch in den Personalkosten widerspiegeln. Reduzieren könnte sich die Summe durch den Winterabgang Öztunalis, der allerdings keinesfalls sicher ist. Die Frage nach der Bewertung dürfte am Ende wie so häufig im Fußball von den Ergebnissen abhängen. Steigt der HSV auf, muss sich niemand für die Kaderkosten rechtfertigen. Verfehlt der HSV allerdings sein großes Ziel, kommen neue Fragen auf.

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