Hamburg. Nach den jüngsten Ergebnissen steht Steffen Baumgart beim HSV unter Druck. Kann er die Wende im Aufstiegskampf schaffen?
Wenn es schlecht läuft, ist für den Trainer Schluss. So lautet eine vor allem in Hamburg bestens bekannte Fußballweisheit. Die Mannschaft brauche einen neuen Impuls, heißt es dann häufig in den Erklärungen der Verantwortlichen, die meistens fast ausschließlich von Hoffnungen und weniger von Wissen geprägt sind. Denn wer weiß schon, wann der richtige Zeitpunkt für einen Trainerwechsel gekommen ist? Und vor allem: ob sich die Ergebnisse danach überhaupt bessern, also ein sogenannter Trainereffekt eintritt.
Aktuell wird beim HSV, zumindest extern, mal wieder über den Trainer diskutiert. „Ist Steffen Baumgart noch der Richtige?“, fragen sich viele Fans, von denen einige bereits den Daumen gesenkt haben. Zu groß ist der Frust über Platz fünf und gerade einmal 19 Punkte nach zwölf Spielen. Und das trotz des vermeintlich besten Kaders in allen sieben Zweitligaspielzeiten. Es ist der typische Reflex, gerade in der Anhängerschaft, in einer Phase ausbleibender Siege personelle Konsequenzen zu fordern. Da nicht auf einen Schlag die ganze Mannschaft ausgetauscht werden kann, muss häufig der Trainer als Sündenbock herhalten.
HSV-Kommentar: Was bringt ein Trainerwechsel?
Dabei gibt es gar keine eindeutigen Belege über die Wirksamkeit des Bäumchen-wechsel-dich-Spiels. „Ungefähr die Hälfte der existierenden Studien zu dem Thema belegt einen positiven Effekt durch einen Trainerwechsel innerhalb einer Saison, aber die andere Hälfte eben nicht“, sagt Sebastian Zart, Sportwissenschaftler an der TU Kaiserslautern. Einem Standort, an dem man sich bestens mit Trainerentlassungen auskennt.
Inklusive aller Interimslösungen wurden beim 1. FC Kaiserslautern seit 2013 in der Summe beachtliche 18 neue Übungsleiter installiert. Und was hat es gebracht? Der Traditionsverein hat sich von einem Fast-Aufsteiger in die Bundesliga über die Dritte Liga zu einem durchschnittlichen Zweitligisten entwickelt. Zwischenzeitlich wäre der Club sogar fast in die Regionalliga abgestiegen. Trainereffekt? Fehlanzeige!
Beim HSV wurde im selben Zeitraum im Übrigen 17-mal der Coach gewechselt. Erfolg stellte sich durch diese kostspieligen Maßnahmen aber auch in Hamburg nicht ein. Nach zwei gewonnenen Relegationen stieg der Club vor sechseinhalb Jahren in die Zweite Liga ab, in der er sich seitdem vergeblich um eine Rückkehr in die Bundesliga bemüht.
HSV-Vorbilder Freiburg und Heidenheim
Bei den Erstligisten SC Freiburg und 1. FC Heidenheim lösen solche Statistiken nur ein müdes Kopfschütteln aus. Beide Clubs verfolgen eine völlig andere Strategie als die sich mitunter von den Emotionen leitenden Traditionsvereine wie der HSV. Freiburg hat seit 2013 genau einmal den Trainer gewechselt: in diesem Sommer, als Erfolgscoach Christian Streich seine Karriere beendete und den Weg für Julian Schuster frei machte. Selbst als sich der Sportclub 2015/16 für ein Jahr in die Zweite Liga verirrt hatte, durfte Streich bleiben.
In Heidenheim hat Frank Schmidt bereits seit 2007 das Sagen an der Seitenlinie. Der 50-Jährige führte seinen Verein von der Oberliga bis in die Uefa Conference League. Ein Fußballmärchen. Oder ist Kontinuität etwa ein Erfolgsrezept?
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HSV-Kommentar über Baumgart: Worauf Kuntz achtet
Klar ist, dass Kontinuität nicht der Kontinuität wegen das Credo sein darf. HSV-Sportvorstand Stefan Kuntz wird sich immer wieder die Frage stellen müssen, ob er eine Entwicklung unter Baumgart sieht. Oder ob diese längst rückläufig ist. Nur ein Punkt aus drei Spielen mit ernüchternden Auftritten in Elversberg (2:4) und Braunschweig (1:3), aber auch einem schwachen Heimspiel gegen Nürnberg (1:1), haben beim Manager noch keine Zweifel aufkommen lassen.
Doch schon beim kommenden Heimspiel gegen den ebenfalls kriselnden Traditionsverein FC Schalke (23. November), der in dieser Saison bereits den Trainer gewechselt hat, steht Baumgart unter Erfolgsdruck. Der HSV-Coach muss jetzt Ergebnisse liefern, um das Vertrauen zu rechtfertigen.
Natürlich darf der Club eine Trainerentscheidung nicht nur von einem Ergebnis abhängig machen. Kuntz muss sich auch in der Kabine ein Bild machen, ob die Mannschaft an eine erfolgreiche Zukunft mit Baumgart glaubt. Dem Vernehmen nach ist das aktuell der Fall, auch wenn die Taktik des Trainers zuletzt nicht mehr aufging. Erst wenn die Stimmung kippen und sich negativ auf das Selbstvertrauen der Spieler auswirken sollte, wäre Kuntz zum Handeln gezwungen. Für den Moment braucht der HSV keinen neuen Impuls in der Coaching Zone. Sondern Siege – mit dem aktuellen Personal.