Hamburg. Der HSV-Stürmer spricht über die schwere Verletzung seines Mitspielers und seine positive Entwicklung durch individuelle Maßnahmen.
Am Freitag vor einer Woche hatten sich Ransford Königsdörffer und Robert Glatzel zuletzt im Volksparkstadion gesehen. Zu diesem Zeitpunkt ahnten die beiden HSV-Profis noch nicht, dass sie mehrere Monate nicht mehr zusammenspielen werden. Am Tag zuvor hatte sich Glatzel im Testspiel gegen Aarhus GF verletzt. Erst am Sonnabend folgte die Schockdiagnose: Sehnenabriss im Hüftbeuger. Rund fünf Monate Pause.
„Bobby hatte gehofft, dass es vielleicht nur ein Muskelfaserriss ist. Dass es so schlimm ist, hätte ich auch nicht gedacht“, sagt Königsdörffer am Donnerstag im Gespräch mit dem Abendblatt. Er selbst hatte die Nachricht am Wochenende über die Social-Media-Kanäle des HSV erfahren, als er das freie Wochenende in München verbrachte. „Es tut mir sehr leid für ihn. Ich habe ihm geschrieben. Es ist sehr schade. Er ist unser bester Torschütze. Sein Ausfall wiegt schwer für uns.“
Königsdörffer und Selke sollen Glatzel ersetzen
Am Sonntag im Topspiel gegen den Tabellenzweiten 1. FC Magdeburg (16 Punkte) muss der Tabellenfünfte HSV (15 Punkte) nun ohne Toptorjäger Glatzel (sieben Saisontore) auskommen. Ersetzen soll ihn der zweitbeste Torschütze, Ransford Königsdörffer. Vier Tore hat der 23-Jährige in dieser Saison bereits erzielt. Drei davon an den ersten zwei Spieltagen, an denen der HSV schon einmal auf Glatzel verzichten musste. Weil mit Davie Selke der Alternativstürmer noch nicht bei 100 Prozent war, durfte Königsdörffer die Position übernehmen – und überzeugte. Nun wird Königsdörffer mit Selke die Doppelspitze des HSV bilden. „Davie und ich verstehen uns persönlich sehr gut. Es wird uns nicht schwerfallen, auf dem Platz zueinander zu finden“, sagte Königsdörffer, der wie Selke einst für Hertha BSC stürmte.
Trainer Steffen Baumgart vertraut auf Königsdörffer, der nun erneut in die Glatzel-Rolle schlüpfen soll. „Ich mache mir keinen Druck. Ich weiß, dass ich das kann“, sagt Königsdörffer, der in den vergangenen zwei Jahren häufig mit Glatzel auf dem Platz stand. „Ich konnte mir bei Bobby in den vergangenen zwei Jahren viel abschauen, vor allem die Laufwege. Er macht es super mit dem Kopf und steht oft richtig.“
Königsdörffer machte mehr Kopfballtore als Glatzel
Erstaunlich: Glatzel traf in den vergangenen sechs Spielen zwar sieben Mal, mehr Kopfballtore hat aber Königsdörffer erzielt. Der 1,82 Meter große Angreifer traf am zweiten Spieltag gegen Hertha sowie am fünften gegen Regenburg jeweils mit dem Kopf. Am ersten Spieltag gegen Köln köpfte er zudem an die Latte, ehe er den Nachschuss mit dem Fuß verwertete. Königsdörffers einfache Erklärung: „Hoch springen konnte ich schon immer. Jetzt gehe ich auch gezielter in die Bälle.“
Dass es bei Königsdörffer, der vor zwei Jahren für eine Ablöse von rund einer Million Euro von Dynamo Dresden zum HSV kam, in dieser Saison deutlich besser läuft, hat indirekt auch mit Glatzel zu tun. Die beiden Stürmer waren die beiden einzigen HSV-Profis, die in den vergangenen zwei Jahren nie verletzt waren. Genau wie Glatzel macht auch Königsdörffer viel Optimierungstraining nebenbei. Während die meisten Kollegen in der Sommerpause komplett abschalten, trainiert Königsdörffer fünf Tage bei einem Privattrainer in Kroatien, in diesem Sommer bei einem Coach in Berlin.
Königsdörffer trainiert regelmäßig individuell mit McKenna
Zudem hat er die Zahl des Zusatztrainings beim HSV erhöht. „Ich trainiere hier mehr individuell als noch in Dresden“, sagt Königsdörffer. Mit dem neuen Co-Trainer Kevin McKenna arbeitet er nun regelmäßig nach dem Training an seinen Schwachpunkten, zuletzt am ersten Kontakt und der Ballmitnahme.
Königsdörffer will sich entwickeln. Das verdeutlicht eine weitere Maßnahme. Seit Februar arbeitet er mit einer Ernährungsberaterin zusammen. Die Idee und der Kontakt entstand über seinen Mentalcoach. „Das tut mir gut“, sagt Königsdörffer, der damit bereits drei Privattrainer beschäftigt. Zudem hilft ihm seine Freundin, die Tipps umzusetzen. „Meine Freundin kann sehr gut kochen und sie gibt sich sehr viel Mühe. Wir kaufen hauptsächlich Bioprodukte, sie versucht täglich abzustimmen, ob ich eher Kohlenhydrate oder Proteine brauche.“
Königsdörffer: Bester HSV-Kader seit drei Jahren
Der Erfolg gibt Königsdörffer recht. Seit Anfang des Jahres zeigt seine Leistungskurve nach oben, was auch mit dem Trainerwechsel von Tim Walter zu Baumgart zu tun hatte. Zuletzt saß Königsdörffer aber zweimal nur auf der Bank, obwohl er nur eine schwache Halbzeit in Kaiserslautern gespielt hatte. „Ich muss die Entscheidung des Trainers akzeptieren. Wir haben einen großen, breiten Kader. Seitdem ich hier bin, ist es für mich der beste Kader“, sagt der Stürmer.
Nun wird es in den kommenden Wochen und Monaten nach dem Glatzel-Schock wieder auf Königsdörffer ankommen. Und dieser will die Chance nutzen. Zumal er zwei große Ziele verfolgt: Den Aufstieg mit dem HSV – und die Rückkehr in die Nationalmannschaft Ghanas. Zuletzt informierte ihn der Co-Trainer, dass er für die zwei Spiele gegen den Sudan (0:2, 0:0) nur auf Abruf stand. Ghana droht die Qualifikation für den Afrika-Cup Ende 2025 zu verpassen. Im November stehen die nächsten zwei Spiele an. Otto Addo, seit Sommer wieder Nationaltrainer, hat bislang auf den Hamburger verzichtet. „Otto Addo hat mir gesagt, dass es andere auch gut machen und die teilweise in höheren Ligen spielen. Ich will natürlich dabei sein, aber für den Moment kann ich es nicht ändern.“
- Neuer Chef beim HSV-Vermarkter Sportfive – die Hintergründe
- Berater winkte ab: Karriere von HSV-Profi Elfadli wäre fast geendet
- Gute Nachrichten für HSV-Stürmer Glatzel nach Verletzungsschock
Sein größtes Ziel ist der Sprung in Liga eins. Zunächst in Deutschland. Und dann nach England. Sein HSV-Vertrag läuft 2026 aus. Gespräche über eine Verlängerung gab es bislang nicht. „Ich will mit dem HSV im nächsten Jahr in der Bundesliga spielen“, sagt Königsdörffer. „Mein langfristiges Ziel ist es, irgendwann in England zu spielen. Ob dieser Traum in Erfüllung geht, kann ich jetzt natürlich nicht sagen.“
Als Glatzel-Ersatz hat es Königsdörffer aber nun in der Hand, seinen großen Zielen näher zu kommen.