Hamburg. Ex-HSV-Trainer hat mit bewussten Entscheidungen ein Überraschungsteam geformt. Die Gründe reichen bis zu Elfadli. Eine Erklärung.

Zu Hause ist es am schönsten, lautet ein altes Sprichwort, das nie wirklich infrage gestellt wurde. Dabei ist es in vielen Lebenssituationen längst überholt. Selbst im Fußball lässt es sich nicht immer anwenden. Der kommende HSV-Gegner 1. FC Magdeburg ist in dieser Saison zum Beispiel viel lieber in der Fremde unterwegs. Auswärts hat die Mannschaft aus der Hauptstadt Sachsen-Anhalts alle vier Spiele gewonnen. Zu Hause, wo es angeblich am schönsten ist, gab es dagegen vier Unentschieden. Eine Bilanz, die zu 16 Punkten in acht Partien und Platz zwei für die Überraschungsmannschaft der Zweiten Liga führte.

Viele Beobachter reiben sich verwundert die Augen, wie das nur möglich ist. Gerade nach der schwachen Rückrunde, in der das Team nur 18 Punkte holte und viel Kritik einstecken musste. Was also hat sich in Magdeburg binnen kurzer Zeit verändert, um diese Entwicklung zu erklären?

HSV-Gegner Magdeburg mit enormem Umbruch

Eine Antwort findet sich im Sommer. Magdeburgs Sportchef Otmar Schork, ein in der Fußballszene gefürchteter harter Verhandler bei Transfers, wie auch Ex-HSV-Vorstand Jonas Boldt vor einem Jahr beim seinerzeit geplatzten Wechsel von Daniel Elfadli erfahren musste, saß mit Trainer Christian Titz zusammen, um die neue Saison zu planen. Schnell waren sich beide einig: Ein Umbruch des Kaders muss her. Zwölf neue Spieler wurden verpflichtet, neun abgegeben.

„Man hat gesehen, dass manche Spieler an ihre Grenzen gestoßen sind“, begründete Schork diese Maßnahme, die zum Teil durch die Ablöse für Elfadli finanziert wurde. Der Defensivallrounder durfte mit einem Jahr Verspätung für eine Million Euro zum HSV wechseln. Darüber hinaus erhält Magdeburg im dritten Zweitligajahr in Folge mit 9,2 Millionen Euro mehr TV-Geld als bislang (8,4 Millionen Euro). Eine Summe, die allerdings immer noch um 68 Prozent vom HSV (15,5 Millionen Euro) übertroffen wird.

Die Wandlung des Christian Titz

„Wir konnten im Sommer in eine andere Schublade greifen“, sagte Schork über seine Transferstrategie. Sein Plan ging auf. Magdeburgs gerade defensiv bislang so fehleranfälliger Fußball ist dank der Neuzugänge viel dynamischer und athletischer geworden. Bei den intensiven Läufen hat sich die Mannschaft von Platz neun (vergangene Saison) auf Platz eins verbessert. Bei den Sprints von Rang fünf auf Platz zwei. Am auffälligsten aber ist die Verbesserung bei den gelaufenen Kilometern (Platz drei) im Vergleich zum Vorjahr (15). Der HSV liegt bei allen Laufwerten hinter Magdeburg – genauso wie in der Tabelle.

Darüber hinaus hat auch bei Titz eine Wandlung stattgefunden. Der frühere Hamburger hält nicht mehr stur an seiner Spielidee fest. Seine Abwehrspieler dürfen – Achtung: Revolution! – in Bedrängnis plötzlich auch mal einen langen Ball schlagen und müssen nicht mehr alles spielerisch lösen. Die Kehrtwende basierte auf der hohen Anzahl an Gegentoren durch eigene Ballverluste im Spielaufbau wie beim 0:7 gegen Karlsruhe im März.

HSV-Gegner Magdeburg: Was ist mit Atik?

Ein halbes Jahr später spielte Magdeburg gegen ebenjenen KSC 2:2 und war sogar die bessere Mannschaft. Die Systemveränderung fruchtet. Hinzu kommt die zweifellos genauso wichtige Portion Spielglück, wie zum Beispiel beim 2:1-Erfolg in Köln, als das Torschussverhältnis von 33:9 für den FC eigentlich auf einen anderen Sieger hindeutete. Doch Magdeburgs Offensive ist inzwischen effizienter geworden. Ein weiterer Beleg für den gelungenen Umbruch des Kaders, dessen neue Breite allerdings auch zu Härtefällen führt.

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Magdeburgs bisheriger Unterschiedsspieler Baris Atik (28 Scorerpunkte in zwei Jahren) spielte verletzungsbedingt nur 128 Minuten in dieser Saison. Nun muss er sich erst einmal hintanstellen. „Wir konnten den Ausfall von Baris Atik verkraften, das wäre im Vorjahr undenkbar gewesen. Nicht auf einen Spieler angewiesen zu sein, ist ein gutes Zeichen“, freut sich Schork.

Trotzdem könnte die Personalie Atik noch zum Problem werden, sollte sich der temperamentvolle Offensivspieler dauerhaft auf der Ersatzbank wiederfinden. In diesem Fall würde er seinen auslaufenden Vertrag nicht verlängern und sein bisheriges Zuhause in Magdeburg verlassen. Dort wäre es dann nicht mehr am schönsten.

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