Hamburg. Franzose sollte der Toptransfer werden, konnte sich aber nicht durchsetzen. In Frankreich und im HSV-Vorstand traut man ihm viel zu.

Sehr angenehm, nur einen Tick zu windig. Aber immerhin: Muckelige 21 Grad. Dazu die Aussicht, dass an diesem Freitag ausschließlich die Sonne scheint. Und in der kommenden Woche wird es sogar noch besser: 24 Grad. La vie est belle – das Leben ist schön. Zumindest in Marseille.

1500 Kilometer weiter nördlich sah am Donnerstagmittag die Sachlage – oder in diesem Fall: die Wetterlage – ein wenig anders aus. Schmuddelwetter pur. Beim 1:1 (0:0) im Testspiel zwischen dem HSV und dem dänischen Erstligisten Aarhus GF regnete es im Hamburger Volkspark bei kühlen 14 Grad. Immerhin: Windig war es auch hier – aber viel mehr Parallelen zu Marseille, der Heimatstadt von HSV-Neuzugang Lucas Perrin, gab es am Donnerstag nicht.

Test gegen Aarhus: Perrin durfte endlich spielen

Und auch abseits des Wetters war Perrins Stimmung in den vergangenen Wochen eher frostig. Der Innenverteidiger, im Sommer auf den letzten Drücker als mutmaßlicher Königstransfer und möglicher Nachfolger des wegen Dopings für vier Jahre gesperrten Mario Vuskovic gekommen, durfte in der bisherigen Saison bislang nicht eine Minute spielen. Seinen Start in Hamburg hatte sich der Marseillais ganz anders vorgestellt.

Immerhin: Beim Remis gegen Aarhus durfte Perrin als Abwehrchef endlich mal zeigen, warum der HSV ihn eigentlich geholt hat. Der Franzose delegierte seine Dreierabwehrreihe mit Dennis Hadzikadunic und Noah Katterbach, gab lautstarke Kommandos – sogar auf Deutsch – und wusste gegen den Tabellendritten der dänischen Superliga auch ansonsten zu gefallen.

Ersetzt Perrin gegen Magdeburg Hadzikadunic?

„Ich bin sehr glücklich, endlich mal viele Minuten zu spielen“, sagte Perrin, der gegen die Dänen erst kurz vor Schluss ausgewechselt wurde. „Der Start in Hamburg war für mich nicht einfach, aber dieses Spiel wird mir hoffentlich guttun.“ Bleibt allerdings die Frage, ob er auch in der nächsten Woche gegen Magdeburg in der Innenverteidigung für den formschwachen Hadzikadunic auflaufen darf.

Eine eindeutige Antwort darauf hat im fernen Marseille Alexandre Arnould, der Sportchef der wichtigsten Lokalzeitung „La Provence“. Seit 15 Jahren verfolgt er als Reporter Perrins Heimatverein Olympique – und ist auch vom HSV-Export überzeugt: „Meiner Meinung nach müssen wir ihm Zeit geben. Er kommt in einen neuen Club, er entdeckt eine neue Umgebung, eine neue Sprache, neue Arbeitsmethoden. Er muss sich noch anpassen und vor allem spielen.“

In der Heimat ist man von Perrin überzeugt

Arnould ist sich sicher, dass sich Perrin in Hamburg durchsetzen wird – sofern er eine faire Chance erhält. „Um Lucas mache ich mir überhaupt keine Sorgen. In Marseille galt er nicht als der talentierteste Spieler, aber er galt als der zielstrebigste, der ernsthafteste, der engagierteste, der motivierteste Spieler im Training. Das hat den Unterschied gemacht und ich denke, das wird auch in Hamburg so sein.“

Beim 1:1 gegen Aarhus überzeugte Perrin mehrfach mit zentimetergenauen Diagonalpässen, die vor allem Vuskovic wie kein Zweiter vor seiner Sperre beherrscht hatte. „Lucas ist sehr klar, sehr zweikampfstark. Man merkt, dass er Erfahrung hat“, lobte Trainer Steffen Baumgart nach dem Test. „Das Problem bei Innenverteidigern ist, dass sie geduldig bleiben müssen, bis sie mal reinkommen. Aber viel wichtiger für ihn war, dass er nun körperlich mithalten kann.“

Fans in Straßburg haben Perrin geliebt

Ähnlich wie Arnould hält auch Pierre Henry Dufeil, ein französischer Radio- und TV-Journalist , Perrins Durchbruch in Hamburg nur für eine Frage der Zeit: „Lucas war immer einer der populärsten Spieler in Straßburg. Die Fans haben ihn geliebt. Er ist ein Kämpfer, er gibt immer alles“, sagt Dufeil, der Perrin besonders in der letzten Saison bei Racing Straßburg beobachtet hat. Seitdem der HSV 2009 bei Dufeils Heimatclub EA Guingamp 5:1 in der Europa League gewinnen konnte, ist der Journalist HSV-Fan – und glaubt nun sowohl als Anhänger als auch als Experte daran, dass Perrins Zeit in Hamburg noch kommen wird.

Daran glaubt Perrin auch selbst: „Meine Zeit wird kommen.“ Dabei ist die wichtigste Zeit in Hamburg längst angebrochen – seine Zeit als Papa. Anderthalb Wochen ist es her, dass der Fußballer erstmals Vater wurde. „Vielleicht wird Livio der nächste Fußballer in der Familie Perrin“, sagt der stolze Papa, der nach wenigen Tagen mit Livio schon mal einen positiven Zwischenstand berichten kann: „Noch bekomme ich genug Schlaf.“

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Und auch beim HSV ist man sich sicher, dass Perrin ein ganz Ausgeschlafener ist. Besonders im Vorstand. Gerade erst letztens unterhielten sich Stefan Kuntz und sein Vorstandskollege Eric Huwer über den Transfer des Vuskovic-Ersatzes, der bislang noch nicht gespielt hat. Das Fazit der Unterhaltung des Sport- und Finanzexperten: Der Transfer des Franzosen wird sich für den HSV noch auszahlen.

Das Einzige, was bei allem Einsatz selbst Perrin in Hamburg nicht schaffen wird: Sonne satt und 24 Grad mitten im Oktober.

  • Raab - Hadzikadunic (74. Heyer), Perrin (85. Bornschein), Katterbach (61. Oliveira) - Poreba (61. Mikelbrencis), Reis - Jatta (61. Silah), Öztunali, Dompé (46. Richter) - Königsdörffer (74. Stange), Selke (46. Glatzel/ ab 85. Kilo).