Hamburg. Der Torwart kann in seinem sechsten HSV-Jahr wieder die Nummer eins werden. Raab weiter krank. Ex-Torhüter Golz analysiert Situation.

Es war eine ungewöhnliche Torhüterkonstellation im HSV-Training am Dienstag. Neben Daniel Heuer Fernandes und Tom Mickel waren auch Marko Johansson (25) und Colin Poppelbaum (17) aus der U19 bei den Profis dabei. Johansson, der vor drei Jahren als potenzielle Nummer eins und Herausforderer von Heuer Fernandes kam, hat weiterhin keine Zukunft mehr und trainierte zuletzt zur Probe bei Eintracht Braunschweig. Weil die bisherige Nummer eins Matheo Raab aufgrund einer Lungenentzündung aber noch länger Antibiotika nehmen muss als gedacht, müssen Chefcoach Steffen Baumgart und Torwarttrainer Sven Höh weiterhin improvisieren.

Raab, die bisherige Nummer eins, wird wohl auch die nächsten zwei Pflichtspiele verpassen. Es ist eine Situation, die Baumgart so nicht eingeplant hat. Weil Heuer Fernandes seine Chance zuletzt beim 2:1-Sieg zum Start beim 1. FC Köln herausragend gut genutzt hat, muss Baumgart nun wöchentlich die richtigen Worte finden für einen Konkurrenzkampf, der zu Beginn der Vorbereitung klar definiert war.

Baumgart macht Heuer Fernandes große Hoffnungen

Nun hat Baumgart das Rennen wieder neu eröffnet. „Wir haben zwei erste Torhüter. Es ist ein harter Konkurrenzkampf und das habe ich auch mit beiden so besprochen“, sagte Baumgart und stellte klar: „Wenn Ferro diese Leistungen bringt, gibt es keine Diskussionen. Und wenn nicht, ist der andere zügig wieder da. Noch wissen wir aber nicht, wann Matheo zurückkehrt.“

Der HSV hat ab sofort also eine doppelte Nummer eins. Eine im Fußball ungewöhnliche Situation, die an die Zeit zwischen 2014 und 2016 erinnert, als René Adler und Jaroslav Drobny regelmäßig den Stammplatz im Tor tauschten. Die meisten Trainer setzen auf eine klare Nummer eins und einen Stellvertreter dahinter, der aber zumindest Druck machen kann. „Natürlich willst du als Trainer eine Rivalität im Tor, damit sich die Torhüter gegenseitig pushen und anstacheln können“, sagte der frühere HSV-Torwart Richard Golz am Dienstag im Gespräch mit dem Abendblatt.

Golz erlebte ähnliche Situation bei Hertha BSC

Golz hat diese Situation zuletzt als Torwarttrainer bei Hertha BSC zwischen 2013 und 2015 erlebt. Beim kommenden HSV-Gegner arbeitete er unter den Cheftrainern Jos Luhukay und Pal Dardai und hatte mit Thomas Kraft und Rune Jarstein zwei Torhüter auf Bundesliganiveau. Aber erst nach der Zeit von Golz kam es zum Wechsel von Kraft zu Jarstein. „Es gab schon lange die Frage, ob wir einen Wechsel vornehmen. Status und Leistung hatten bei Thomas Kraft nicht mehr so zusammengepasst. Aber es kam dann erst nach einer Verletzung zum Wechsel“, sagt Golz.

Ex-HSV-Torhüter Richard Golz war von 2013 bis 2015 Torwarttrainer bei Hertha BSC.
Ex-HSV-Torhüter Richard Golz war von 2013 bis 2015 Torwarttrainer bei Hertha BSC. © Witters | Ottmar Winter

Bei Raab ist es nun eine Lungenentzündung, die ihm die Position als Stammtorhüter kosten könnte. „So eine Erkrankung geht nicht von heute auf morgen weg. Heuer Fernandes kann jetzt nachhaltig Punkte sammeln“, sagt Golz, der die Torwartsituation beim HSV immer beobachtet hat, seit er 1997 nach 13 Jahren den HSV Richtung Freiburg verließ. Zuvor hatte er seinen Status als Nummer eins an Hans-Jörg Butt verloren. „Es war der richtige Moment gekommen, etwas Neues zu machen“, erinnert sich Golz.

Heuer Fernandes hat nicht an einen Wechsel gedacht

Heuer Fernandes hat sich in diesem Sommer nach Abendblatt-Informationen nicht mit einem Wechsel beschäftigt. Intern muss Baumgart sich zudem anders geäußert haben als öffentlich. Denn für Heuer Fernandes stand fest, dass er die Position als Stammkeeper zurückerobern wolle, weil er von einem fairen Zweikampf ausging. Zudem hat er nach wie vor nur ein Ziel: Mit dem HSV aufzusteigen.

Fünfmal hat der 31-Jährige dieses Ziel schon verfehlt. Aber nur in zwei Spielzeiten war Heuer Fernandes vom ersten bis zum letzten Spieltag die klare Nummer eins. In seiner ersten Saison 2019/20 nahm ihn Dieter Hecking fünf Spieltage vor Schluss aus dem Tor. Das Gleiche machte Tim Walter in der vergangenen Saison, allerdings deutlich früher. „Das war sicher ein taktisches Manöver und der Versuch, dem Team einen neuen Impuls zu geben“, sagt Golz.

Dass Heuer Fernandes sich nach diesem Déjà-vu-Erlebnis nicht hängen ließ und Raab unterstützte, rechnet Golz ihm hoch an. „Er hat es extrem professionell aufgenommen. Das ist nicht selbstverständlich, sollte es aber sein“, sagt Golz, der die Leistung von Heuer Fernandes in Köln im Zusammenschnitt gesehen hat. „Er ist ein erfahrener Torwart mit großer Ausstrahlung.“

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Wie es in den kommenden Wochen im HSV-Tor weitergeht, ist unklar. Klar ist nur, dass Heuer Fernandes gegen Hertha im Tor steht. „Ich habe den Torwartwechsel nicht vorgenommen. Ich habe ihn nur beibehalten“, sagte Baumgart nach dem Köln-Spiel. „Matheo hat es aber auch gut gemacht. Er ist kein zweiter Torwart.“ Der aber nach seiner Rückkehr vermutlich wieder die zwei sein wird. Vorerst, versteht sich.

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