Hamburg. Der HSV-Neuzugang spricht über die erste Tiefen seiner noch jungen Karriere, einen Vergleich mit Lamine Yamal und den frühen Hype.

An der Wand in der Schiedsrichterkabine im Volksparkstadion hängen Bilder mit bedeutenden Spielern der HSV-Geschichte. Als Adam Karabec am Dienstagnachmittag hier zum Gespräch mit dem Abendblatt erscheint, erkennt er Rafael van der Vaart und Ruud van Nistelrooy sofort. Beim Bild des früheren Kapitäns und Landsmanns David Jarolim muss der Tscheche aber kurz überlegen. „Ich wusste gar nicht, dass Jarolim hier so ein großer Spieler war“, sagt Karabec und nimmt Platz.

344 Pflichtspiele hat Jarolim zwischen 2003 und 2012 für den HSV bestritten. Karabec wird am Freitagabend sein erstes Spiel für den HSV machen. Ob der Neuzugang, der für ein Jahr vom tschechischen Meister Sparta Prag ausgeliehen wurde, am Freitagabend beim Zweitligastart zwischen dem 1. FC Köln und dem HSV (20.30 Uhr/Sky und Sat.1) in der Startelf der Hamburger stehen wird, ist noch unklar. Klar ist aber, dass Karabec im Laufe der Saison für den HSV noch sehr wichtig werden soll. Möglicherweise schon am Freitagabend.

Karabec wusste während der EM noch nichts vom HSV-Wechsel

Wäre die Karriere von Karabec immer so weitergegangen, wie sie vor viereinhalb Jahren begann, hätte der 21-Jährige schon vor sechs Wochen im Volksparkstadion gespielt. Die Nationalmannschaft Tschechiens hatte bei der EM zwei Gruppenspiele in Hamburg absolviert. Karabec, der mit 17 schon einmal für die A-Nationalmannschaft nominiert wurde, verfolgte die Spieler aber zu Hause in Prag am Fernseher. Zu diesem Zeitpunkt wusste er auch noch gar nicht, dass er nur wenige Wochen später zum HSV wechseln sollte. Doch vom ersten Kontakt durch Sportdirektor Claus Costa bis zum Wechsel am 4. Juli vergingen nur wenige Tage.

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HSV-Sportdirektor Claus Costa (l.) holte Adam Karabec von Sparta Prag. © WITTERS | ValeriaWitters

Es ging so schnell wie so oft in der noch jungen Laufbahn des jungen Tschechen, der mit Anfang 20 schon 141 Pflichtspiele mit Sparta Prag und 52 Partien für Tschechiens U-Mannschaften in seiner Statistik stehen hat. Als Karabec im Februar 2020 von Trainer Vaclav Kotal das erste Mal bei den Profis von Prag eingewechselt worden war, begann ein Hype um den heutigen HSV-Profi, der an den ehemaligen HSV-Profi Fiete Arp erinnerte, der ebenfalls mit 16 das erste Mal mit den HSV-Profis trainierte und im Alter von 17 debütierte. „Es ging lange immer bergauf bei mir. Es wurde schon geschrieben, dass ich besser sei als Tomas Rosicky. Der Hype um mich wurde zu viel“, sagt Karabec, der in jungen Jahren schon auf die ersten schweren Phasen seiner Karriere zurückblickt.

Karabec spürte den Druck von seinem Vater

Diese Phasen sind das Glück des HSV, der das Tschechen-Talent sicher nicht hätte verpflichten können, wenn der Mittelfeldspieler nicht schon sein erstes Karrieretief erlebt hätte. „Mit 18 hatte ich vermutlich meine schwierigste Phase. Ich habe wenig gespielt und mich nicht gut gefühlt. Ich habe von verschiedenen Seiten viel Druck gespürt, auch von meinem Vater. Das habe ich ihm auch mal gesagt“, erzählt Karabec offen.

Sein Vater war es aber auch, der den HSV-Profi früh förderte. Als der kleine Adam drei Jahre alt war, zog er mit seinen Eltern und seinem älteren Bruder von Prag in das Dorf Vrané nad Vltavou 20 Minuten von der tschechischen Hauptstadt entfernt. „Mein Vater war immer mein größter Unterstützer. Er hat jedes Training verfolgt und mich immer gefahren. Er wollte immer, dass ich mehr mache als andere Kinder“, sagt Karabec, der mit vier Jahren im Verein begann. Mit zwölf Jahren hatte er seinen ersten Berater und wechselte zu Sparta Prag, mit 16 wurde er auf die große Bühne gehoben.

Karabec zieht Vegleich zu Lamine Yamal und dessen Karrierestart

Karabec hat bei der EM daher besonders auf Lamine Yamal geachtet, der mit 16 die Fußballwelt verzückte und mit Spanien kurz nach seinem 17. Geburtstag den EM-Titel gewann. „Ich habe mit 16 in der ersten Liga in Tschechen gespielt. Er spielt bei Barcelona und gewinnt die EM. Das ist eine andere Welt“, sagt Karabec, der trotzdem Parallelen zieht. „Ich kann mich erinnern, wie ich in dem Alter war. Du denkst nicht viel nach. Die Erwartungen sind gering, du hast keine Verantwortung. Beim mir war es auch so, dass du eine gute Aktion im Spiel hattest, und die Leute haben von einem super Spiel gesprochen.“

Das aber sollte sich ändern. „Je älter du wirst, desto mehr Gedanken machst du dir.“ Und Karabec machte sich viele Gedanken, als er für Sparta immer seltener von Beginn an spielte. Es reifte der Entschluss, in diesem Sommer ein neues Kapitel zu starten. Als der HSV Ersatz für Laszlo Benes suchte, erfuhr Sportdirektor Claus Costa von der Option Karabec. Er fuhr persönlich nach Prag und traf sich mit dem Linksfuß und dessen Berater. Mit Sparta-Sportdirektor Rosicky einigte sich Costa schnell auf ein Leihgeschäft. Zudem sicherte sich der HSV eine Kaufoption in Höhe von rund drei Millionen Euro. „Ich habe gefühlt, dass ich raus musste aus der Komfortzone. Darüber habe ich auch mit Tomas Rosicky gesprochen“, sagt Karabec. Rosicky war 2001 selbst im Alter von 20 Jahren von Sparta Prag zu Borussia Dortmund gewechselt. Die Ablöse von damals 25 Millionen Mark bedeuteten den bis dahin teuersten Transfer der Bundesligageschichte.

Tomas Rosicky öffnete Karabec die Tür für Transfer

Heute ist Rosicky Manager bei Sparta und öffnete Karabec die Tür zum HSV. „Ich bin alleine mit meinem Berater nach Hamburg gefahren. Jetzt bin ich hier ganz alleine, aber das ist völlig okay. Hier in Hamburg will ich einfach nur Fußball spielen“, sagt Karabec, der schon in der Champions League gegen den FC Liverpool spielte. Den Wechsel in die Zweite Liga sieht er aber nicht als Rückschritt. „Wenn wir unser Ziel erreichen und ich viel spiele, ist das ein großer Schritt.“

Karabec spricht reflektiert und in sehr gutem Englisch, weil er in Prag zuletzt mit Brian Priske einen dänischen Trainer hatte und in der Kabine nur Englisch gesprochen wurde. Darüber hinaus wirkt Karabec schon sehr reif. „Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich früh mit Erwachsenen gespielt und viel Zeit mit ihnen verbracht habe“, sagt Karabec und grinst.

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In der kommenden Woche startet für ihn beim HSV der Deutschunterricht. Anschließend spielt er gegen Hertha BSC das erste Mal im Volksparkstadion. Sein Karriereweg soll nun wieder nach oben gehen. In die Bundesliga und dann in die Nationalmannschaft. „Ich war schon dabei, aber ich habe mich nicht als Nationalspieler gefühlt. Es waren ungewöhnliche Bedingungen in der Corona-Zeit. Aber die Nationalelf ist natürlich mein Ziel.“

Karabec könnte den Weg von Jarolim einschlagen und als HSV-Profi für Tschechien spielen. Dann hängt er womöglich selbst irgendwann an der Wand in der Schiedsrichterkabine des HSV-Stadions.

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