Bramberg. Wie sich der HSV-Trainer im Trainingslager verhält, um die Mannschaft zum Aufstieg zu führen. Mitunter wird es laut, sehr laut.
Zum Abschluss des Wochenendes wurde es musikalisch beim HSV. Beim gemeinsamen Teamabend im knapp 35 Minuten entfernten Jochberg in Tirol präsentierten die Neuzugänge Davie Selke, Daniel Elfadli und Adam Karabec ihre Gesangskünste. Die Songauswahl für die Beiträge zum Einstand soll gefühlvoll gewesen sein, davon verschafften sich auch die beiden Vorstände Stefan Kuntz und Eric Huwer einen persönlichen Eindruck. Mit dabei war natürlich auch das Trainerteam um Steffen Baumgart.
Der 52-Jährige gibt sich in diesen Tagen lockerer als in der abgelaufenen Rückrunde. Natürlich lastet auf einem Fußballlehrer in der spielfreien Zeit weniger Druck als während der Saison. Solange das erste Pflichtspiel, und irgendwann auch die erste Niederlage, aussteht, geben sich die Protagonisten im Fußball grundsätzlich gelassener.
Doch Baumgart führt faktisch mehr Einzelgespräche mit den Spielern und nimmt sich die notwendige Zeit für die Youngster Fabio Baldé (19), Bilal Yalcinkaya (18), Luis Seifert (20) und Omar Sillah (20). Dabei ist er auch immer wieder für einen Spaß zu haben. Wer den Chefcoach genau beobachtet, der sieht ihn häufiger lachen als zuletzt.
HSV-Profis verstehen Baumgart besser
Unverändert ist dagegen seine auffallend laute Ansprache auf dem Platz. „Ich habe den Trainer noch nie leise erlebt“, sagt Mittelfeldspieler Immanuel Pherai, der auf die Frage eines Reporters, warum sein Chef so laut gewesen sei, mit einer rhetorischen Frage antwortete: „Ist er das nicht immer?“
Natürlich ist er das. Der Unterschied zum ersten Teil seiner Amtszeit, die seit dem Beginn der Vorbereitung eine Art Neustart erlebt, ist jedoch, dass Baumgart von seinen Profis inzwischen besser verstanden wird. Spieler und Mitarbeiter wissen mit der Art des früheren Stürmers, dessen Ausdrucksweise nicht nur laut, sondern mitunter auch etwas derber ausfallen kann, inzwischen besser umzugehen. So hat sich in der Mannschaft herumgesprochen, dass es nicht negativ gemeint ist, wenn Baumgart schreit. Und Baumgart schreit häufiger.
Im Salzburger Land unterbricht er immer wieder eine Trainingseinheit, wenn ihm etwas nicht gefällt. Gerade im für Baumgarts Power-Fußball so wichtigen Anlaufverhalten der Offensivspieler läuft noch nicht alles wie geschmiert. Der HSV-Coach will seine Spieler dazu bringen, den richtigen Moment selbstständig zu ermitteln, indem alle Spieler geschlossen ins aggressive Pressing übergehen. Meistens ist dieser Zeitpunkt gekommen, wenn beim Gegner der Spieler mit den überschaubarsten fußballerischen Fähigkeiten an den Ball kommt. In den meisten Fällen ist es der Torwart.
HSV und Baumgart brauchten Kennenlernzeit
Baumgart erwartet, dass seine Profis den als „Pressingopfer“ ausgemachten Spieler im Vollsprint attackieren, um einen Ballverlust zu erzwingen. Wann immer die Spieler beim Anlaufen nicht voll durchziehen, ertönt ein Pfiff von Baumgart – gefolgt von ein, zwei deutlichen Takten.
In Bramberg am Wildkogel kam es auch schon vor, dass Baumgart seiner Mannschaft vormachte, wie er sich das Pressingverhalten vorstellt. Auch wenn er seine sprintstärksten Tage hinter sich, stimmte dabei unbestritten der Einsatz – und genau das erwartet der Coach auch von seinen Profis.
„Es ist wichtig, dass man sich im Trainingslager besser kennenlernt, damit jeder vom anderen weiß, wie dieser tickt und was er will“, sagte Baumgart in einem am Montag veröffentlichten Sky-Interview. Was er damit meint: Seine Spieler haben mittlerweile gelernt, mit der Art ihres Chef umzugehen. Sie wissen, wie Baumgart in welcher Situation reagiert und vor allem, wie es gemeint ist.
Baumgart muss eigene HSV-Bilanz verbessern
Der impulsive Trainer versteht sein Schreien als Motivation und Ansporn, um die Spieler zu Höchstleistungen zu bringen. Diese Art der Kommunikation wurde anfangs von vielen HSV-Profis missverstanden – zumal andere Trainer ihrer Laufbahn nur bei deutlicher Kritik geschrien hatten und eben nicht nur aus Motivationsgründen.
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Baumgart nutzt die Vorbereitung, um bei seinen Spielern mehr Vertrauen zu gewinnen und Abläufe besser einzustudieren. Dabei kommt ihm zugute, dass der Kader weitgehend zusammengeblieben ist. Von den Spielern mit einer Ausstiegsklausel, immerhin fünf an der Zahl, hat lediglich Laszlo Benes den HSV in Richtung Union Berlin verlassen. Der Rest um Zweitligatorschützenkönig Robert Glatzel ist geblieben.
Dieser Umstand erleichtert Baumgart die Arbeit, auf den Änderungen der unter Vorgänger Tim Walter praktizierten Spielidee aufzubauen und diese zu verfeinern, damit die Hamburger bessere Ergebnisse einfahren als in den ersten Monaten seiner Amtszeit. 20 Punkte holte Baumgart in seinen bisherigen zwölf Ligaspielen als HSV-Trainer. Damit es diesmal endlich mit dem Aufstieg klappt, muss der Coach seine Bilanz verbessern.
HSV: Baumgart spricht klar vom Aufstieg
Trotzdem fordert Baumgart weder öffentlich noch intern Verstärkungen und will stattdessen das vorhandene Spielerpersonal verbessern. Dazu passt, dass der Trainer auch Sportvorstand Stefan Kuntz weder offensiv noch subtil eine Streichliste mitgeteilt haben soll.
„Unser Weg hat ein ganz klares Ziel: Ich möchte ein Teil vom erfolgreichen HSV sein und den Club in die Bundesliga führen“, sagt Baumgart. Was passiert, wenn er diesen Plan in die Tat umsetzt, darüber lässt sich aktuell nur spekulieren. Möglicherweise wäre der HSV-Coach sogar dazu bereit, seine eigenen Gesangskünste preiszugeben. So wie einst im „Bild“-Podcast Phrasenmäher, als er Hello again von Howard Carpendale sang. Im Übrigen auch gar nicht mal schlecht.