Hamburg. Vor dem Spiel in Paderborn bekräftigt der HSV den eingeschlagenen Kurs. Allerdings könnte es eine taktische Neuerung geben.
Wer am frühen Donnerstagmorgen um die Alster spazierte, konnte möglicherweise Jonas Boldt entdecken. Der Sportvorstand des HSV war mal wieder mit seinen Lauffreunden unterwegs und ließ sich auch von Sturmtief „Ignatz“ nicht aus dem Gleichgewicht bringen.
Mit stürmischen Zeiten kennt sich Boldt ohnehin aus, seit er vor zwei Jahren nach Hamburg zog, um für den HSV zu arbeiten. In dieser Woche erlebte der 39-Jährige einmal mehr, was es bedeutet, im Volkspark Verantwortung zu tragen. „Der HSV vorm nächsten Scheitern. Wer ist schuld?“, titelte die „Bild“ und flankierte Boldts großes Konterfei mit dem Begriff „Flop-Planung!“ Auch die „Sport Bild“ stellte am Mittwoch bereits die Schuldfrage. Nach zehn Spieltagen. Der ganz normale HSV-Alltag eben.
Boldt kennt diese Dynamik mittlerweile und gibt sich entsprechend gelassen. Dass der Druck auf den HSV vor dem Spiel beim SC Paderborn an diesem Freitag (18.30 Uhr/Sky und im Liveticker auf abendblatt.de) nach den jüngsten Enttäuschungen in Aue (1:1) und gegen Düsseldorf (1:1) gestiegen ist, hat aber natürlich auch der Manager registriert. Platz acht und erst drei Siege aus zehn Spielen – das ist nicht der Anspruch des HSV. Doch welche Ansprüche darf man an den Club in dieser Phase stellen?
Holt Tim Walter zu wenig aus dem HSV heraus?
Über diese Frage wird seit dem Rückschlag gegen die Fortuna, als die Mannschaft in Überzahl eine Führung verspielte, rund um den HSV emotional diskutiert. Trainer Tim Walter und seine Spielidee stehen dabei im Mittelpunkt. Muss der Coach seine offensive Ausrichtung anpassen? Fehlt Walter ein Plan B? Wann kann man im Spiel des HSV eine Entwicklung erwarten?
Der Cheftrainer muss sich immer wieder denselben Fragen stellen. Intern hat er in dieser Woche von Boldt und Sportdirektor Michael Mutzel erneut Rückendeckung für den eingeschlagenen Weg erhalten. Walter ist bei aller Überzeugung von seinem Plan wiederum bereit, Kritik anzunehmen und Anpassungen vorzunehmen.
HSV-Aufsichtsrat steht zu Walter – vorerst
Ob der Aufsichtsrat der HSV Fußball AG um den Vorsitzenden Marcell Jansen diesen Weg ebenso bedingungslos mitträgt, bleibt allerdings eine andere Frage. Klar ist: Neben einer sportlichen Entwicklung will das Gremium auch Ergebnisse sehen. Für den HSV geht es in Paderborn und vor allem auch im Heimspiel in der Woche darauf gegen Walters Ex-Club Holstein Kiel darum, Punkte zu sammeln, um wiederum Vertrauen für den Weg zu gewinnen.
Insbesondere im Kontrollgremium wächst beim HSV schnell die Ungeduld. Noch aber bleibt der Aufsichtsrat ruhig. Schließlich haben sich auch die Kontrolleure für den Weg der Entwicklung entschieden.
Welche Fehler HSV-Coach Walter macht
Walter, das weiß er selbst, fehlen derzeit die Ergebnisse. Immerhin hat es der Trainer geschafft, seine Defensive nach den wilden Spielen zu Saisonbeginn zu stabilisieren. 16:12 lautet aktuell das Torverhältnis. Zum Vergleich: Vor einem Jahr waren es unter Daniel Thioune zum selben Zeitpunkt 19:15 Tore. Bei Christian Titz waren es vor drei Jahren 12:11 Treffer. Einzig unter Dieter Hecking war die Bilanz mit 22:8 deutlich besser.
Walter muss es nun aber auch schaffen, auf Spielverläufe zu reagieren. Selbst beim 2:0-Sieg im Nordderby in Bremen hätte es am Ende noch anders ausgehen können, weil der HSV sich trotz Dauerdrucks mit seinem riskanten Aufbauspiel zu eigenen Fehlern provozieren ließ.
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Paderborn-Coach und die Liebe des HSV
Von seinem Ballbesitzfußball wird Walter aber nicht abweichen. „Es gibt keine Mannschaft, die den Ball so sehr liebt wie der HSV“, sagt Paderborns Trainer Lukas Kwasniok, den Walter noch aus der Jugend des Karlsruher SC kennt und der dem HSV vor der Saison ebenfalls angeboten wurde, als die Hamburger noch einen neuen Cheftrainer suchten.
Kwasniok (40) kam vom Drittligisten Saarbrücken nach Paderborn und setzt dort die offensive Philosophie von Steffen Baumgart fort. „Es kann in den 90 Minuten ein heißes Auf und Ab geben“, sagt Kwasniok. „Es können sich alle auf eine spektakuläre Begegnung freuen.“ Die Benteler Arena wird mit 13.000 Zuschauern ausverkauft sein, 1100 Karten wurden an HSV-Fans verkauft.
HSV mit neuer Elf in Paderborn
Walter deutete im Training an, dass er ebenfalls auf eine offensive Ausrichtung setzt. Erstmals in dieser Saison könnte der HSV in Paderborn mit einer Doppelspitze spielen. Neben Robert Glatzel wird voraussichtlich Manuel Wintzheimer stürmen. Auch Robin Meißner dürfte nach seinem Startelfdebüt gegen Düsseldorf eine weitere Chance erhalten. Dagegen müssen Jan Gyamerah und Ludovit Reis wohl auf der Bank Platz nehmen. Für Gyamerah, der seinen Trainer gegen Düsseldorf mit mehreren Ballverlusten verärgerte, könnte Moritz Heyer rechts hinten in der Viererkette spielen.
Für Walter und den HSV geht es neben einer sportlichen Entwicklung und einer besseren Punkteausbeute auch darum, die zuletzt enttäuschten Fans wieder für den eingeschlagenen Weg zu gewinnen. Für die Fans wiederum geht es darum, sich nach den Vorkommnissen im Volksparkstadion wieder von einer besseren Seite zu präsentieren. Den Zuschauer, der gegen die Fortuna den Schiedsrichterassistenten mit einem Kugelschreiber bewarf, hat der Club identifiziert. Es war ein Düsseldorfer Anhänger. Auch einen Zuschauer, der Khaled Narey rassistisch beleidigt haben soll, scheint der HSV gefunden zu haben.
Am Freitag soll es aber wieder um Fußball gehen. Und für die Hamburger um den ersten Sieg seit fünf Wochen.
Die voraussichtlichen Aufstellungen:
- Paderborn: Huth – Schuster, Hünemeier, van der Werff, Collins – Schallenberg – Pröger, Stiepermann, Justvan – Platte, Michel.
- HSV: Heuer Fernandes – Heyer, David, Schonlau, Leibold – Meffert – Meißner, Suhonen, Kittel – Glatzel, Wintzheimer.