Nürnberg. Nach nur einem Punkt aus drei Spielen verliert der HSV den Anschluss im Aufstiegsrennen. Doch wo bleibt die Panik?
Am Sonntag war keiner der Spieler oder Verantwortlichen des HSV im Volkspark anzutreffen. Nach einer intensiven englischen Woche und einer strapaziösen nächtlichen Rückreise mit dem Charterflieger aus Nürnberg zum einzigen norddeutschen Flughafen ohne Nachtflugverbot nach Hannover, brachte der Mannschaftsbus den HSV-Tross um 3.30 Uhr zurück nach Hamburg.
Dort angekommen, ordnete Trainer Tim Walter zwei freie Tage an, damit sich die Profis die physische und mentale Frische zurückholen. Frische, die am Sonnabend beim 1. FC Nürnberg fehlte.
1:2 (1:1) verloren die Hamburger das intensive, aber selten hochklassige Zweitliga-Topspiel. Drei Tage nach der Pokal-Party gegen Karlsruhe folgte nun der schnelle Liga-Kater. Denn nach nur einem Punkt aus drei Spielen und den Siegen der Konkurrenz scheint der HSV den Anschluss im Aufstiegsrennen verloren zu haben. „Das entspricht nicht unseren Ansprüchen“, klagt Kapitän Sebastian Schonlau. Mitspieler Jonas Meffert fordert nun eine Serie.
Warum der HSV diesmal nicht einbricht
Nach Bremens 2:1-Sieg am Sonntag gegen Dresden beträgt der Rückstand auf die Spitze bereits sieben Punkte. Darmstadt und St. Pauli liegen sechs Zähler vor dem HSV. Trotz dieser nun entstandenen Punktelücke ist die Tabellensituation für Sportdirektor Michael Mutzel weiterhin „unfassbar eng“. Und so werde es nach seiner Einschätzung auch bis zum 34. Spieltag bleiben. „Uns darf man ganz sicher nicht abschreiben.“
Hoffnung macht Mutzel, dass sich die Topteams in direkten Duellen noch gegenseitig die Punkte wegnehmen, während der HSV bereits zweimal gegen alle Aufstiegsanwärter gespielt hat.
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Doch Tabellenführer Bremen hat in der Rückrunde bereits zehn Punkte mehr als der HSV geholt und droht zu enteilen. Schnell könnten jetzt die üblichen Reflexe einsetzen und Parallelen zu den bisherigen Zweitligajahren gezogen werden, als der HSV nach einer starken Hinrunde stets zuverlässig in der Rückserie einbrach und den Aufstieg verspielte. Doch Anzeichen, dass der Club nun erneut auf sein gewohntes Schicksal in der Hochphase der Saison taumelt, gibt es keine. „Man sieht, dass die Mannschaft nie aufhört, sondern lebt. Deshalb wird jetzt nichts einbrechen“, sagt Mutzel.
HSV – war alles super in Nürnberg?
Nach einem Kaderumbruch im vergangenen Sommer wirkt die Mannschaft deutlich widerstandsfähiger. Mit Rückschlägen wie dem 0:1 in Nürnberg durch Pascal Köpke (15.) – einem Zufallsprodukt – weiß der HSV in dieser Saison besser umzugehen. „Nürnberg trifft aus dem Nichts, das hat uns aber nicht aufgehalten“, analysierte Abwehrspieler Schonlau, der aus der Ferne beobachtete, wie Ludovit Reis keine zehn Minuten später zum Ausgleich traf (25.).
Im Anschluss gehen die Meinungen jedoch etwas auseinander. Während sowohl Schonlau als auch Mutzel eine „richtig gute“ erste Halbzeit und Walter „richtig viele herausgespielte Torchancen“ gesehen haben, räumte Jonas Meffert offen und ehrlich ein, dass die Leistung in Nürnberg einfach zu wenig war, um als Sieger vom Platz zu gehen.
HSV-Coach Walter liefert sich TV-Scharmützel
Eine Erklärung hierfür dürfte in den kräftezehrenden 120 Pokalminuten vom Mittwochabend zu finden sein. „Bei uns hat am Ende die Frische gefehlt, wir waren müde vom Kopf her. Das hat uns in manchen Momenten etwas gekostet“, sagte Walter. Und trotzdem wechselte er erst in der 82. Minute. Weil ihm gerade im Angriff, wo der torlose Mikkel Kaufmann und der sich rückwärts entwickelnde Manuel Wintzheimer im Vergleich zum Stammpersonal eine Qualitätslücke bilden, die Alternativen fehlen.
Ein Vorwurf, den Walter öffentlich nie äußern würde, weshalb er eine Frage von Sky-Moderator Stefan Hempel nach den späten Wechseln süffisant konterte. „Am Ende ist man immer schlauer. Darum seid ihr heute die Schlauen und ich bin der Dumme“, sagte der HSV-Trainer. Als sich Hempel gegen diese These wehrte („Nein, nein, so krass kann man das nicht sagen, Tim!“), antwortete Walter: „Doch, doch. Genauso ist es. Aber damit habe ich überhaupt kein Problem.“
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Qualität wird zum HSV-Problem
Ein Problem hat Walters HSV dagegen, wenn die Leistungsträger in der Offensive nicht ihr Leistungslimit erreichen. In Nürnberg war dies vor allem bei Torjäger Robert Glatzel, Spielmacher Sonny Kittel und Flügelflitzer Bakery Jatta der Fall. „Das geht jeder Mannschaft so, wenn wichtige Spieler nicht ihren besten Tag haben“, entgegnete der für den Kader verantwortliche Mutzel.
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„Natürlich wünschen wir uns von Bobby (Glatzel) und Sonny, dass sie den Unterschied ausmachen. Das hat uns heute gefehlt“, ergänzte Walter, der sich ansonsten aber wie eine Löwenmama vor sein junges Team stellte. Zum Beispiel bei seiner Analyse über das 1:2 durch Nürnbergs Tim Handwerker (88.), der von Manuel Wintzheimer nicht mal Begleitschutz bekam und vom Fehlgriff des sonst so starken HSV-Torhüters Daniel Heuer Fernandes profitierte. „Wir haben einen überragenden Teamspirit, deshalb wirft uns so etwas nicht um“, sagte Walter. „Wir gewinnen zusammen und wir verlieren zusammen.“
Nach drei sieglosen Ligaspielen wird es zu Hause gegen Aue nun mal wieder Zeit, gemeinsam zu gewinnen.