Hamburg. An der Tabellenspitze wird es immer enger. Diesmal soll der Aufstieg nicht verspielt werden. Was den HSV zuversichtlich stimmt.
Sonntagvormittag, 11.15 Uhr, blauer Himmel, strahlender Sonnenschein – und plötzlich ist Kevin Keegan im Volkspark. Natürlich nicht leibhaftig, aber zumindest gefühlt. „Wisst ihr noch...?“, fragt am Morgen nach dem 0:0 des HSV gegen Greuther Fürth ein Trainingszuschauer – und berichtet lebhaft über das Geburtstagskind, das am Sonntag seinen 70. Ehrentag feierte. Früher, 1977, da habe der HSV richtig mies gespielt. Da sei man nur wegen Kevin „Mighty Mouse“ Keegan ins Stadion gegangen. „Der war etwas besonderes“.
So besonders, dass ein Medienvertreter wenig später seine erste Frage an Sportdirektor Michael Mutzel nicht zum 0:0 gegen Fürth, sondern zu dem englischen Zauber-Fußballer stellt. Ob dem HSV am Vortag einer wie Keegan vielleicht gefehlt hätte, will der TV-Journalist wissen. „Mighty Mouse war zwar vor meiner Zeit“, antwortet Mutzel lächelnd, „aber ich denke schon, dass er dem HSV in der Zweiten Liga gut getan hätte.“
Eine höfliche Antwort. 32 Tore hat der Engländer in seinen drei Jahren in Hamburg erzielt. Und genau das, was Keegan Ende der glamourösen 70er wie kein Zweiter konnte, hat dem HSV im eher tristen Zweitliga-Alltag am Sonnabend tatsächlich gefehlt: einfach mal aus dem Nichts ein Tor machen.
HSV: Terodde lässt plötzlich Chancen liegen
Das verwundert insofern, als dass die Hamburger zwar keinen Keegan mehr in ihren Reihen haben. Aber mit Simon Terodde immerhin den mit Abstand treffsichersten Zweitligastürmer dieses Planeten. 19 Tore hat dieser Terodde in dieser Saison schon wieder erzielt. Doch im Top-Spiel des Spieltags war auch bei dem Top-Torjäger irgendwie der Wurm drin. Gleich drei Top-Chancen ließ Terodde aus, warum nach 90 Minuten zwar ziemlich viel top war, doch das Ergebnis eher wie ein Flop daherkam.
„Wir haben in der vergangenen Woche (3:3 in Aue, die Red.) unnötigerweise nicht gewonnen und gegen Fürth überflüssigerweise. Deshalb nagt es ein wenig“, gab Trainer Daniel Thioune nach dem Remis gegen Fürth unumwunden zu.
Die kuriose Situation:
- Einerseits ist das HSV-Glas bis zum Anschlag voll. Die Hamburger sind Tabellenführer, seit elf Spielen ungeschlagen – und spielen bisweilen sogar noch sehr ansehnlichen Fußball.
- Andererseits scheint das HSV-Glas nicht einmal halbvoll. Nachdem die Thioune-Mannschaft drei der vergangenen vier Spiele nicht gewinnen konnte, in der Rückrundentabelle nur den achten Platz belegt und zuletzt einen komfortablen Vier-Punkte-Vorsprung verspielte, werden bereits wieder Erinnerungen an die vergangenen beiden Jahre wach. Da verspielte der HSV jeweils in der Rückrunde den Aufstieg.
Aufstieg? Das stimmt den HSV zuversichtlich
„Unser Weg ist gut, da gibt es gar nichts dran zu rütteln“, entgegnet der „Das-Glas-ist-mindestens-halbvoll“-Sportdirektor Mutzel. Und seine Argumente klingen stichhaltig: „Wir bekommen weniger Gegentore nach Standards, sind robuster und verteidigen mehr“, sagt er. „Und im Vergleich zu den Vorjahren haben sich unsere Zweikampfwerte verbessert. Gut verteidigen ist mit das Wichtigste in der Zweiten Liga.“
HSV im Spitzenspiel gegen Greuther Fürth
Mutzel liegt natürlich richtig – und falsch zu gleich. Denn das Allerwichtigste – Mighty Mouse lässt grüßen – bleibt natürlich das Toreschießen. Und da stand am Sonnabend auf beiden Seiten trotz einer halben Stunde in Überzahl, 19:6 Schüssen und 12:1 Torchancen am Ende die Null. „Ich sehe keinen Grund zur Sorge. Unser Kader hat sich sehr gut entwickelt“, entgegnete Thioune. „Aber die anderen Mannschaften eben leider auch.“
HSV hofft jetzt auf Dudziak-Rückkehr
Und genau hier liegt der Casus knacksus. Denn trotz einer guten Spielanlage und einer gefühlten Ewigkeit ohne Niederlage müssen die Hamburger derzeit nicht nur wegen der Frösteltemperaturen zittern. Mit Bochum (2:0 gegen Braunschweig) und Kiel (1:0 gegen Würzburg) teilen sich zwei Mannschaften mit dem HSV die Tabellenführung, die allesamt 42 Punkte sammeln konnten.
Und direkt dahinter lauert nach dem 0:0 in Unterzahl weiter Fürth, das nur drei Zähler Rückstand hat. „Es wird definitiv bis zum Ende der Saison spannend bleiben“, prognostiziert Thioune. „Das macht diese Liga so interessant.“
- Aufstiegskampf spitzt sich zu: HSV auf Rekordjagd, aber ...
- Einzelkritik: Tiki-Taka von Leibold und Kittel – hübsch, aber ohne Wert
- HSV will im Sommer zwei Stürmer verpflichten
Am kommenden Sonntag ist für den HSV beim Schlusslicht Würzburg ein Sieg natürlich Pflicht. Dabei darf sich Trainer Thioune einerseits darüber freuen, dass Mittelfeldchef Jeremy Dudziak wieder dabei sein wird. Andererseits gehen dem Coach durch die Gelbsperre für Stephan Ambrosius die Innenverteidiger aus. „Uns wird schon was Gescheites einfallen“, sagt Mutzel, der auch für die Abteilung Attacke Zuversicht verbreitet: „Wir werden wieder Tore schießen.“
Im Zweifel auch ohne Kevin Keegan.