Hamburg. Die Aufstiegsrivalen punkten so viel wie seit Jahren nicht mehr. Der HSV übertrift seinen eigenen Bestwert – und muss trotzdem zittern.

Es ist schon eine skurrile Situation, in der sich der HSV aktuell befindet. Seit elf Zweitliga-Spielen ist die Mannschaft von Trainer Daniel Thioune mittlerweile ungeschlagen und stellte damit ihren eigenen Bestwert aus der Saison 2018/19 ein. Und dennoch (Bochum siegte am Sonntag 2:0 gegen Braunschweig) ist der Vorsprung auf den Relegationsplatz auf 0 Punkte und eine bessere Tordifferenz um fünf Tore gegenüber Kiel geschmolzen. Durch das 0:0 am Sonnabend gegen Greuther Fürth wurde zumindest der Drei-Punkte-Vorsprung auf die viertplatzierten Franken gehalten.

Trotzdem ist spätestens seit dem Wochenende klar: Die Zeit der Unentschieden ist vorbei, will der HSV am Saisonende aufsteigen. „Wir haben in der vergangenen Woche (3:3 in Aue; d. Red.) unnötigerweise nicht gewonnen und gegen Fürth überflüssigerweise. Deshalb nagt es ein wenig", sagte Thioune, relativierte jedoch sofort wieder: „Das ist aber nicht ganz so schlimm, wir sind immer noch oben."

HSV: Aufstiegskampf spitzt sich zu

Noch grüßt der HSV von der Tabellenspitze. Doch den Verantwortlichen ist bewusst, dass sich dieser Zustand schnell ändern könnte. Mit den Hamburgern, Kiel und Bochum liegen nun drei Mannschaften punktgleich auf den ersten drei Plätzen, wobei Platz drei bekanntermaßen lediglich zur Teilnahme an der Relegation berechtigt. Dahinter üben Fürth und Karlsruhe (5.) mächtig Druck aus (siehe nachfolgende Tabelle).

Schon drei Monate vor dem Saisonende scheint klar, dass der HSV erneut bis zum letzten Spieltag um den Aufstieg kämpfen muss. „Es wird definitiv bis zum Ende der Saison spannend bleiben", prognostiziert Thioune. „Das macht diese Liga so interessant. Und wir haben gezeigt, dass wir zu Recht da oben stehen."

Auch wenn der HSV den Vorsprung von vier beziehungsweise fünf Punkten auf Platz drei und vier nach zwei Unentschieden verspielt hat, bleibt der Club trotzig – und optimistisch. „Wir sind beharrlich und geben weiter Vollgas. Die vergangenen Wochen geben uns recht, dass wir auf dem richtigen Weg sind", sagt Thioune. „Unser Kader hat sich sehr gut entwickelt, aber die anderen Mannschaften eben leider auch."

Aufstieg? HSV sieht sich stabiler als zuvor

Als hätte sich der Coach mit seinem Chef, Sportdirektor Michael Mutzel, abgesprochen, antwortete dieser am Sonntag nahezu mit denselben Worten. „Die Art und Weise stimmt uns zuversichtlich, dass wir auf dem richtigen Weg sind", sagte der Manager und ging anschließend vorsichtig in die Tiefe. „Wir spielen aus meiner Sicht einen sehr guten und attraktiven Fußball. Ich sehe überhaupt keinen Grund, dass das jetzt aufhören sollte."

Damit sprach Mutzel direkt die größte Sorge einiger HSV-Fans an. Nach zwei Jahren, in denen der Aufstieg jeweils nach einem Einbruch in der Rückrunde verspielt worden war, hoffen die Anhänger nun, dass sich der Club im dritten Anlauf im entscheidenden Saisonabschnitt stabiler präsentiert. Die Voraussetzung hierfür sieht Mutzel gegeben. „Wir kriegen weniger Gegentore nach Standards, sind robuster und verteidigen mehr", sagte er. „Im Vergleich zu den Vorjahren haben sich unsere Zweikampfwerte verbessert, das stimmt mich zuversichtlich. Und gut zu verteidigen ist mit das Wichtigste in der Zweiten Liga. Das machen wir aktuell sehr gut."

HSV im Spitzenspiel gegen Greuther Fürth

HSV gegen Fürth: Was jetzt, Sonny Kittel?
HSV gegen Fürth: Was jetzt, Sonny Kittel? © Witters | Unbekannt
Das wär's gewesen: 1:0 Tor nach Videobeweis annulliert
Das wär's gewesen: 1:0 Tor nach Videobeweis annulliert © Witters | Unbekannt
Sah schon mal glücklicher aus: Daniel Thioune
Sah schon mal glücklicher aus: Daniel Thioune © Getty Images | Unbekannt
Gideon Jung
Gideon Jung © Getty Images | Unbekannt
HSV-Torwart Sven Ulreich
HSV-Torwart Sven Ulreich © Imago / Zink | Unbekannt
Anton Stach (4.v.r.) steigt auf um auf das Hamburger Tor zu köpfen.
Anton Stach (4.v.r.) steigt auf um auf das Hamburger Tor zu köpfen. © dpa | Unbekannt
Branimir Hrgota gegen Jan Gyamerah
Branimir Hrgota gegen Jan Gyamerah © Witters | Unbekannt
Havard Nielsen, Gideon Jung (HSV) und Hans Nunoo Sarpei
Havard Nielsen, Gideon Jung (HSV) und Hans Nunoo Sarpei © Witters | Unbekannt
Offensivstark: Tim Leibold
Offensivstark: Tim Leibold © Witters | Unbekannt
Ganz stark von Beginn an: Aaron Hunt (HSV)
Ganz stark von Beginn an: Aaron Hunt (HSV) © Witters | Unbekannt
Hans Nunoo Sarpei und Gideon Jung
Hans Nunoo Sarpei und Gideon Jung © Witters | Unbekannt
Marco Meyerhoefer und Sonny Kittel
Marco Meyerhoefer und Sonny Kittel © Oliver Hardt/Getty Images | Unbekannt
Sonny Kittel ging positiv-aggressiv zu Werke
Sonny Kittel ging positiv-aggressiv zu Werke © Witters | Unbekannt
HSV-Trainer Daniel Thioune im Spiel gegen Greuther Fürth
HSV-Trainer Daniel Thioune im Spiel gegen Greuther Fürth © Valeria Witters/Witters | Unbekannt
Eiskalt im Volksparkstadion: Bei tiefen Minustemperaturen wurde das Spiel gegen Greuther Fürth angepfiffen.
Eiskalt im Volksparkstadion: Bei tiefen Minustemperaturen wurde das Spiel gegen Greuther Fürth angepfiffen. © Getty Images | Unbekannt
1/15

HSV und die außergewöhnliche Tabelle

Also kein Grund zur Panik? Klar ist, dass der HSV trotz seiner beeindruckenden Serie an ungeschlagenen Spielen dringend wieder drei Punkte benötigt. Denn die Konkurrenz um den Aufstieg erlaubt sich in diesen Tagen keine Schwächen. „Alle Mannschaften da oben haben eine hohe Punktzahl", sagt Mutzel. Ein „außergewöhnlicher" Zustand für den Sportdirektor.

Tatsächlich ist es unüblich, dass gleich drei Mannschaften nach 21 Spieltagen einen aufstiegsreifen Punkteschnitt von 2,0 aufweisen. In der vergangenen Saison war der HSV zu diesem Zeitpunkt der Saison Zweiter mit 40 Punkten, also zwei Zählern weniger. Ein Jahr zuvor waren die Hamburger mit 43 Punkten Tabellenführer. Union Berlin hatte als damaliger Dritter „nur" 37 Zähler auf dem Konto – und stieg im Gegensatz zum HSV am Ende der Spielzeit über den Umweg Relegation auf.

Ein derart umkämpfter und von der Punkteausbeute her qualitativ hochwertiger Aufstiegskampf wie in diesem Jahr war zuletzt vor neun Jahren in der Saison 2011/12 der Fall. Damals führte Düsseldorf die 2. Liga nach 21 Spieltagen mit 44 Punkten an, es folgten Fürth (43 Punkte) auf Platz zwei, Frankfurt (43) auf Platz drei sowie St. Pauli und Paderborn (jeweils 42) auf den Plätzen vier und fünf. Am Ende stiegen die oberen drei Teams auch auf – Düsseldorf (62 Punkte) gelang der Sprung in die Bundesliga über die Relegation gegen Hertha BSC. Zwei Endspiele, die der FC St. Pauli wegen der um vier Tore schlechteren Tordifferenz verpasste.

Mehr zum Thema:

HSV vor den Wochen der Wahrheit

Ein solches um zwei Spiele verlängertes und nervenaufreibendes Saisonfinale will der HSV naturgemäß verhindern. Voraussetzung dafür wären wohl gleich zwei Siege in den kommenden beiden Auswärtsspielen beim Tabellenletzten Würzburg und beim Stadtrivalen FC St. Pauli, ehe die richtungweisenden Duelle gegen die Aufstiegskonkurrenten Kiel (H) und Bochum (A) anstehen.

Ein Programm, das es in sich hat. „Wir freuen uns auf die nächsten Wochen", entgegnet Mutzel. Auch Thioune bleibt gelassen und optimistisch. „Entscheidend wird sein, dass wir weiter beharrlich bleiben", sagte der Coach und benannte damit eine Qualität, an der der HSV in den vergangenen beiden Spielzeiten gescheitert war. Und diesmal?