Hamburg. Der Gambier stahl sich gegen den VfB fast unbemerkt vorzeitig vom Platz – und sorgte bei einem Teamkollegen für Ungläubigkeit.
Für Bakery Jatta ist es nach den Spielen immer das gleiche: der Spielertunnel, einmal nach rechts abbiegen, an den Journalisten vorbei marschieren, höflich lächeln, nichts sagen und wenige Sekunden später hinter der rettenden Kabinentür verschwinden. So ist sein normaler Ablauf. Nur am Sonnabend war rein gar nichts normal.
6:2 hatte der HSV gerade das Spitzenspiel gegen Stuttgart gewonnen. Ein Tor hatte Jatta erzielt, zwei Treffer herrlich eingeleitet und auch vor dem vierten Tor hatte er entscheidend gestört. Zweifellos hatte Jatta „ein sehr, sehr gutes Spiel“ (Dieter Hecking) gemacht. Doch überraschend war weniger Jattas Leistung im als eher seine Performance nach dem Spiel. Denn Jatta machte das, was er sonst nie macht: er ließ seinen Taten auch Worte folgen.
Jatta verließ das Feld unter Schmerzen
„Ich fühle mich richtig gut“, sagte also Jatta, als er erstmals nach all dem Trubel um seine angeblich gefälschte Identität wieder über das redete, über das Fußballer ohnehin am liebsten reden: über Fußball. Ein sehr gutes Spiel von der ganzen Mannschaft sei es gewesen, gab der herausragende Flügelflitzer zu Protokoll. „Wir haben geliefert.“
Nur den wenigsten der begeisterten HSV-Fans unter den 57.000 Zuschauer war aufgefallen, dass Jatta schon vor dem Abpfiff den Rasen verlassen hatte. Der HSV hatte dreimal gewechselt, doch der Gambier konnte nicht mehr. „Ich hatte ein bisschen Schmerzen“, sagte Jatta. „Ich konnte keinen einzigen Schritt mehr gehen.“
Bakery Jattas Werte im Spiel HSV gegen den VfB Stuttgart:
- Tore: 1
- Torschüsse: 3
- Torschussvorlagen: 1
- Laufleistung: 11,4 km (zweithöchster Wert nach Adrian Fein/11,62 km)
- Ballkontakte: 56 (dritthöchster Wert nach Josha Vagnoman/62 und Tim Leibold/60)
- Gespielte Pässe: 34
- Angekommene Pässe: 23
- Fehlpässe: 11
- Passquote: 68%
- Zweikampfquote: 53%
- Foul/Hand gespielt: 3
- Gefoult worden: 1
Van Drongelen traut bei Jatta seinen Augen nicht
Dabei war er zuvor im Spiel gegen Stuttgart auch nicht gegangen. Er war gesprintet. Immer wieder. 50 intensive Läufe zählten die Statistiker, die Jatta mit der Maximalgeschwindigkeit von 33,30 km/h blitzten. „Ich habe gerade schon zu Jerry Dudziak gesagt: Wie gut war der Baka heute?“, berichtete Rick van Drongelen, der nach dem 6:2 nur ein paar Meter von Jatta entfernt stand und gleichzeitig von den Medienvertretern zum Spiel befragt wurde.
Die Antwort lieferte unter anderem der Kicker: Er war ziemlich gut. Die Kollegen des Fachmagazins benoteten Jatta mit einer glatten 1 und kürten ihn auch zum "Spieler des Tages" in der Zweiten Liga. Dadurch fand Jatta auch erstmals Platz in der Kicker-Elf des Tages.
„Baka lag die erste Halbzeit schon am Boden. Ich dachte, er ist schon müde. Wenn du dann siehst, wie er die zweite Halbzeit noch abgeht, ist das unglaublich", sagte van Drongelen.
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Kittel prognostiziert Jatta eine große Zukunft
Auf der Suche nach dem Spieler des Spiels war man sich schnell einig. „Baka ist brutal wichtig für uns“, lobte auch Sonny Kittel, der trotz seiner zwei Treffer mehr über Jatta als über sich selbst sprach: „Der Junge hat so eine Power und so eine Geschwindigkeit. Er ist noch so jung, hat aber noch eine große Karriere vor sich“, so Kittel.
Diese große Karriere traut auch Hecking seinem Musterschüler zu. „Ich finde schon, dass Baka noch mal eine Entwicklung genommen hat“, lobte der Coach. „Ich habe seinen Weg verfolgt. Die Pässe vor dem 1:0 und dem 3:1, das sind Aktionen die man von ihm noch nicht so kannte. Aber wir legen auch viel Wert auf das saubere, scharfe Passspiel in die engen Räume. Das tut ihm gut.“
Und im Spaß fand Hecking noch einen Grund für Jattas Formhoch: „Er hat ja auch eine große Schuhgröße und eine große Trefferfläche für den Ball.“
DFB-Präsident Keller will Jatta für Deutschland
Ob man beim Deutschen Fußball-Bund mittlerweile Jattas genaue Schuhgröße kennt, ist nicht bekannt. Klar ist aber, dass man beim DFB auch weiterhin auf eine Einbürgerung und eine deutsche Länderspielkarriere des Gambiers hofft.
U-21-Trainer Stefan Kuntz hatte mehrfach betont, dass er Jatta unbedingt bei einer Einbürgerung helfen wolle und verwies am Sonntag auf Nachfrage auf Joti Chatzialexiou, den sportlichen Leiter der Nationalmannschaften.
Und auch Neu-DFB-Präsident Fritz Keller hat sich nach Abendblatt-Informationen intern klar für eine Einbürgerung Jattas ausgesprochen. Doch am Montag dann die Ansage: Der DFB wird sich nicht weiter für ein entsprechendes Verfahren einsetzen.
Jatta bleibt wegen Gambia noch entspannt
Bleibt nur die Frage, was nach der Nominierung für Gambia eigentlich Jatta will. Am Donnerstag hatte Gambias Trainer Tom Saintfiet den Hamburger für den erweiterten 36-Mann-Kader für die Länderspiele gegen Angola (13.11.) und gegen den Kongo (18.11.) nominiert – allerdings ohne bislang beim HSV Bescheid zu geben.
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Viel mehr als ein „Ich muss mich noch entscheiden, was ich möchte“ konnte daher auch der 21-Jährige selbst nicht sagen. Das alles sei momentan gar nicht das Thema. Aber: „Natürlich will jeder für eine Nationalmannschaft spielen. Deutschland? Gambia? Sportlich kann ich nur sagen: Let it flow… Ich spiele einfach weiter Fußball und gucke, was passiert.“
Die HSV-Gala gegen den VfB Stuttgart in Bildern:
Auch Leibold findet Lob für Jatta
Geht es nach van Drongelen, könnten aus dem Mitspieler schon bald auf dem internationalen Parkett ein Gegenspieler werden. „Das wäre geil“, antwortet der Niederländer auf die Frage, ob er sich Jatta bei der deutschen U21 vorstellen könnte. „Aber ich denke, dass Gambia ihn auch gerne haben will.“
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Man darf gespannt bleiben, ob und für welches Nationalteam Jatta die Schnürsenkel seiner großen Schuhe schnürt. Tim Leibold, der eher auf kleinem Fuß lebt, hält fest: „Was Baka in den letzten Wochen spielt, ist einfach nur herausragend. Man muss ihm nach seinen schweren Wochen einen Riesenrespekt zollen – von uns als Mannschaft, aber auch vom ganzen Verein.“
Spätestens am Dienstag würde Jatta aber gerne wieder zur Normalität zurückfinden. Und die heißt in seinem Fall: Taten statt Worte sprechen lassen.