Hamburg. Aufsichtsratschef Jansen sendet eine klare Botschaft an HSV-Trainer Walter. Wie geht es nach der Saison weiter?

Um Punkt 21.30 Uhr am Sonnabend hatte Tim Walter nach eigener Aussage richtig Spaß im Volksparkstadion. Mit einer beeindruckenden Flugbahn des Balles hatte HSV-Verteidiger Mario Vuskovic soeben einen Freistoß aus 27 Metern traumhaft direkt verwandelt und stürmte auf seinen Trainer zu. Walter ballte die Faust, schrie seine Freude heraus und schaffte es für den Bruchteil einer Sekunde sogar, die am Gesichtsausdruck ablesbare Leidenschaft des ebenfalls emotional aufgeladenen kroatischen Torschützen zu toppen.

„Wir hatten eine brutale Energie. Das hat man vor allem beim 2:0 gesehen, mit welcher Leidenschaft und Power die Jungs aufgetreten sind und sich gefreut haben“, sagte Walter nach dem 3:0-Erfolg des HSV gegen Karlsruhe über diese Szene. „Es ist ein tolles Gefühl, ein Teil dieser Truppe und dieses Vereins zu sein.“

Für das Fachmagazin „Kicker“ unterstrich dieser letzte Satz „ganz deutlich“, dass Walter die letzten Saisonspiele „als Bewerbungstour“ verstehe. Einhundertprozentig auflösen lässt sich diese These nicht. Klar ist aber, dass der HSV-Coach natürlich mitbekommen hat, wie sein Ballbesitz-Fußball nach zuletzt ausbleibenden Erfolgen sowohl von Beobachtern als auch von wichtigen Personen im Volkspark hinterfragt wird.

HSV: Hat Walter eine Zukunft? Jansen wägt ab

In den verbleibenden fünf Pflichtspielen bis Mitte Mai geht es für den 46-Jährigen daher längst nicht mehr darum, die nur noch theoretische Aufstiegschance zu wahren. Vielmehr muss er die Kritiker von seinem Weg überzeugen – und den gesamten HSV wieder hinter sich bringen. „Es wird spannend sein, wie die Entwicklung der Mannschaft in den nächsten Spielen weitergeht“, sagt nicht etwa Walter, sondern Marcell Jansen.

Der Aufsichtsratschef des HSV kontrolliert den Vorstand, in dem Jonas Boldt bislang bedingungslos seinem Trainer den Rücken stärkt. „Wir bleiben bei uns und Tim Walter bleibt bei uns“, wiederholte sich der Manager am Sonnabend. Doch Jansen will vor allem eine Weiterentwicklung sehen. Denn zuletzt ging es für den HSV wie so oft in der sogenannten Crunchtime sportlich eher zwei Schritte zurück als einen nach vorn. „Bei uns läuft es jedes Jahr gleich“, bemängelt Jansen, der wie alle im Club ambitionierte Ziele verfolgt. „Natürlich ist mittelfristig unser Ziel aufzusteigen.“

Nicht immer einer Meinung: Aufsichtsratschef Marcell Jansen (M.) und Sportvorstand Jonas Boldt (r.). Links: Neu-Vorstand Thomas Wüstefeld.
Nicht immer einer Meinung: HSV-Aufsichtsratschef Marcell Jansen (M.) und Sportvorstand Jonas Boldt (r.). Links: Neu-Vorstand Thomas Wüstefeld. © Witters | Unbekannt

Walters Taktik beeinflusst seine HSV-Zukunft

Wie die Entwicklung wieder positiv verlaufen kann, zeigte Walter mit seinen taktischen Maßnahmen gegen den KSC. Nachdem sich der HSV zuletzt in seinem Dauer-Ballbesitz-Fußball verlor und immer seltener Torgefahr ausstrahlte, stellte der Coach nun personell um und passte auch seine Spielidee an. Dank der lauffreudigen zweiten Spitze Mikkel Kaufmann hatten die Hamburger eine bessere Strafraumbesetzung und waren weniger ausrechenbar.

Davon profitierte in erster Linie Torjäger Robert Glatzel, der beim 1:0 fast schon sträflich frei zum Kopfball kam – weil die KSC-Abwehr überrascht wirkte, mehrere HSV-Profis in der gefährlichen Zone verteidigen zu müssen. Gepaart mit einer extrem offensiven Aufstellung und einem immer wieder in den Strafraum eindringenden Anssi Suhonen fand die Walter-Elf mehr Lösungen gegen einen abermals sehr tief stehenden Gegner als zuletzt.

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Diese taktischen Maßnahmen hätte der Coach möglicherweise schon vor zwei Wochen treffen sollen, als sich die Probleme bereits abgezeichnet hatten. Doch auch mit seiner leicht verspäteten Kurskorrektur zeigte Walter nun, dass er sich ebenfalls entwickeln kann. Genauso wie seine Mannschaft.

HSV: Jansens klare Botschaft an Walter

Jansen wird diese Beobachtung positiv notiert haben und mit in das anstehende Gespräch mit seinen Aufsichtsratskollegen nehmen. „Wir werden nach der Saison eine kritische Analyse durchführen. Es gibt Dinge, die passen gut: eine stabile Abwehr zum Beispiel. Das ist ein deutlicher Fortschritt im Vergleich zur vergangenen Saison“, sagte Jansen vor den drei Toren gegen den KSC und nahm anschließend wieder das Wort Aufstieg in den Mund. „Am Ende ist aber auch klar: Wir wollen uns weiterentwickeln und in den nächsten Jahren wieder angreifen, um mittelfristig aufzusteigen.“

Wie geht es weiter mit Walter?

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Bei der kommenden Aufgabe am Dienstag gegen Freiburg geht es aber erst einmal weniger um den Aufstieg, sondern um den möglichen Einzug ins Pokalfinale. Es ist eine historische Chance für den Zweitligisten, das weiß auch Walter. „An Mut mangelt es uns definitiv nicht. Den werden wir auch am Dienstag ausstrahlen. Wir würden gerne ins Finale kommen und den Wettbewerb gewinnen“, sagte der Coach vor dem Duell gegen die in der Bundesliga um die Champions-League-Plätze spielenden Breisgauer. „Diesen Ehrgeiz versuche ich auf meine Mannschaft und den ganzen Verein zu übertragen.“

Es ist eine Aussage, die Jansen gefallen haben dürfte. Doch dem Aufsichtsratschef nach sollten nun auch Taten auf dem Platz folgen. „In den nächsten fünf Spielen muss man eine Entwicklung sehen“, sagte er. Es war ein Schlusswort mit einer klaren Botschaft.