Hamburg. Gegen den HSV-Lieblingsgegner sollte die Spielweise passen. Doch danach könnte der Trainer noch einmal gefordert sein.
Am heutigen Dienstagnachmittag darf Tim Walter auf einen unerwarteten Trainingsteilnehmer hoffen. Denn wenn der Coach des HSV seine Spieler nach drei trainingsfreien Tagen wieder im Volkspark empfängt, wird auch Ludovit Reis mit dabei sein. Der Mittelfeldspieler hätte eigentlich am Abend im 360 Kilometer entfernten Deventer beim Spiel seiner niederländischen U-21-Auswahl in der EM-Qualifikation gegen den Schweizer Nachwuchs zum Einsatz kommen sollen. Doch Reis reiste bereits am Montagabend zurück nach Hamburg, nachdem er die Nationalmannschaft angeschlagen verlassen hatte.
Allerdings soll es sich um keine schwerwiegende Verletzung handeln. Sollte die medizinische Abteilung des HSV, die Reis vor der Einheit am Dienstag genauer untersuchen wird, keine Auffälligkeiten feststellen, ist sogar eine Teilnahme am Mannschaftstraining nicht ausgeschlossen.
In jedem Fall dürfte Reis bis zum kommenden Heimspiel am Sonnabend gegen den SC Paderborn (13.30 Uhr) rechtzeitig fit werden. Mit seiner Laufstärke und aggressiven Zweikampfführung nimmt der 21-Jährige als Balleroberer eine bedeutende Rolle in Walters System ein. Seine Qualitäten werden auch gegen Paderborn von Bedeutung sein. Einem Gegner, der mit 53 Prozent Ballbesitz in der Zweiten Liga das Spielgerät nach dem HSV (62 Prozent) und Holstein Kiel (55) am dritthäufigsten in den eigenen Reihen hält.
Warum der HSV so gerne gegen Paderborn spielt
Diese Statistik ist mit der offensivfreudigen Spielweise der Ostwestfalen zu erklären. Paderborns Trainer Lukas Kwasniok, seit dieser Saison im Amt, hat diese Herangehensweise weitestgehend von seinem Vorgänger Steffen Baumgart übernommen. Es ist eine taktische Ausrichtung, die dem HSV liegt. So ist es auch kein Zufall, dass Paderborn als Lieblingsgegner der Hamburger bezeichnet werden darf.
Seit dem Abstieg im Jahr 2018 hat der HSV sechs Pflichtspiele gegen den kommenden Gegner bestritten. Davon gingen die Hanseaten fünfmal als Sieger – viermal in der Liga, einmal im Pokal – und nur einmal als Verlierer vom Platz, was einer Siegquote von beachtlichen 83 Prozent entspricht. Erfolgreicher war der HSV tatsächlich gegen keinen anderen aktuellen Zweitligisten, gegen den seit dem Abstieg mindestens zweimal gespielt wurde. Selbst die Bilanz gegen Schlusslicht Ingolstadt fällt schlechter aus, da der HSV am 32. Spieltag vor zwei Jahren mit einer schmerzhaften 0:3-Heimpleite den Aufstieg verspielt hatte.
Normalerweise haben solche Statistiken nur bedingt Aussagekraft über den Ausgang des kommenden Aufeinandertreffens. Im Fall von Paderborn aber ist die positive Bilanz des HSV kein Zufall. Denn der mit seiner Abwehrreihe stets hochstehende Tabellenachte geht mit seiner forschen Spielweise bewusst ins Risiko. Wird Paderborns erste Pressingreihe überspielt, bieten sich gegnerischen Teams teilweise große Räume.
So wie im Hinspiel, als der HSV zwar erst durch den Treffer des inzwischen nicht mehr in Hamburg spielenden Tommy Doyle in der vierten Minute der Nachspielzeit mit 2:1 gewann, zuvor aber sagenhafte 23-mal aufs Tor schoss. Ein Wert, der nur beim 2:1-Heimsieg gegen Sandhausen (24) übertroffen wurde.
Muss Walter seine HSV-Taktik erneut anpassen?
Trainer Tim Walter betont immer wieder, wie wichtig ihm das Herausspielen einer Vielzahl von Torchancen ist, womit er die Wahrscheinlichkeit auf einen Treffer erhöhen will. Doch zuletzt geriet der Mannschaft diese spielerische Stärke etwas abhanden. In den sieglosen Partien in Sandhausen (11 Torschüsse), gegen Bremen (13), in Nürnberg (13) und in Düsseldorf (13) blieb der HSV jeweils unter seinem Saisonschnitt (14,27).
Es ist nur ein Hinweis, dass sich die Gegner zunehmend besser auf Walters System eingestellt haben. Eine Situation, die es in der Hinrunde schon einmal gab. Nach dem 1:1 im November beim Karlsruher SC, dem fünften Unentschieden aus sechs Spielen, hatte Walter seine Taktik modifiziert. Fortan agierte sein Team mit weniger Positionswechseln, es gestaltete den Spielaufbau mit weniger Risiko, und es sicherte Konter besser ab. Kurzum: Der HSV spielte nicht mehr ganz so wild wie noch zu Saisonbeginn.
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Nach der jüngsten Negativserie von vier Zweitligaspielen ohne Sieg könnte Walters Taktik nun wieder eine leichte Anpassung vertragen, um im Aufstiegskampf noch einmal voll mitzumischen. Wenn überhaupt, könnte es dazu aber wohl erst nach dem Paderborn-Spiel kommen. Denn im Anschluss dieses Heimspiels trifft der HSV mit Ausnahme der Auswärtspartie in Kiel (10. April) ausschließlich auf tief stehende Mannschaften, die zuletzt Anschauungsunterricht erhielten, was man Walters Offensivspektakel defensiv entgegensetzen muss.
HSV steht gegen Paderborn vor Spektakel
Gegen die Räume anbietenden Paderborner sollte es dem HSV zunächst aber wieder leichter als zuletzt fallen, sich Torchancen zu erspielen. Insbesondere dem pfeilschnellen, aber technisch nicht immer fehlerfreien Flügelstürmer Bakery Jatta kommt es zugute, wenn seine Gegenspieler nicht nur seine ligaweit gefürchteten Tempoläufe verhindern wollen, sondern sie sich auch offensiv einschalten.
So wie Paderborns ebenfalls schneller Linksverteidiger Jamilu Collins, mit dem es Jatta auf der Außenbahn zu tun bekommen wird. Angesichts der offensiven Herangehensweise beider Mannschaften dürfen sich die Zuschauer auf das nächste Spektakel im Volkspark freuen. Ein Spektakel, bei dem auch Reis mitwirken will.