Hamburg. Wie Walters taktische Veränderung für mehr Offensivpower sorgte. Der KSC sah Rot und der HSV freut sich schon auf den Pokal.
In der 89. Minute richteten die HSV-Fans schon mal den Blick auf den kommenden Dienstag. „Berlin! Berlin! Wir fahren nach Berlin!“, sangen die Anhänger auf der Nordtribüne in Vorfreude auf das Pokalhalbfinale gegen den SC Freiburg. Zu diesem Zeitpunkt führte der HSV bereits mit 3:0 (2:0) gegen den Karlsruher SC – und brachte dieses Ergebnis auch über die Zeit.
Mit Spielwitz, einem neuen System und mehr Zielstrebigkeit als zuletzt hat die Mannschaft von Trainer Tim Walter wieder den Weg in die Erfolgsspur gefunden. Vor 24.892 Zuschauern ließen die Hamburger von Beginn an keine Zweifel aufkommen, wer als Sieger vom Platz gehen wird. „Die Fans haben uns immer wieder nach vorne gepeitscht. Es hat Spaß gemacht heute“, sagte Kapitän Sebastian Schonlau.
HSV-Sieg enorm wichtig für Walter
Wirkte die Spielweise des HSV zuletzt phasenweise ermüdend und für den Gegner leicht durchschaubar, so zeigte Walters Mannschaft am Sonnabendabend wieder das Gesicht vergangener Tage, als die Hamburger zwischenzeitlich auf Aufstiegsplatz zwei gestürmt waren. Mit der Rückkehr in die Bundesliga hat das Team nach der nun gestoppten Negativphase von nur fünf Punkten aus sieben Spielen zwar voraussichtlich nichts mehr zu tun.
Und dennoch war der Heimsieg von immenser Bedeutung. Für Trainer Walter, dessen Ballbesitz-Fußball im Volkspark auf dem Prüfstand steht. Und für die Mannschaft, um Selbstvertrauen vor der historischen Chance am Dienstag im Pokal gegen ein Bundesliga-Spitzenteam zu sammeln. „Das Ding ist ausverkauft. Es ist das erste Mal, dass ich das erlebe“, schwelgte Schonlau in Nostalgie. „Die ganze Mannschaft freut sich auf dieses Highlight. Wir wollen einen riesigen Fight abliefern.“
HSV: Walter brachte erstmals Kaufmann
Gegen Karlsruhe veränderte Walter das bewährte, aber zuletzt oftmals statisch wirkende 4-3-3 zu einem 4-4-2 mit Mikkel Kaufmann als zweiter Spitze neben Torjäger Robert Glatzel. Dahinter bildeten Bakery Jatta, Anssi Suhonen und Faride Alidou eine offensive Dreierreihe. Für den Dänen Kaufmann war es der erste Startelfeinsatz in der Liga, nachdem er zuvor lediglich 21-mal eingewechselt wurde. Zudem begann Faride Alidou für den unter der Woche unter Knieproblemen leidenden Sonny Kittel.
Ohne seinen Spielmacher wirkte der HSV spielfreudiger als zuletzt. Und dank der zweiten nominellen Spitze war auch die Strafraumbesetzung eine bessere. Erste Wirkung zeigte diese taktische Maßnahme beim Führungstreffer per Kopf durch Robert Glatzel (23.), der nach einer Jatta-Flanke am zweiten Pfosten sträflich freigelassen wurde, als sich die KSC-Abwehr auf Kaufmann konzentrierte. Im Vergleich zu den vergangenen Wochen war es eine ungewohnte Situation, dass im Sechzehner gleich zwei Zielspieler lauerten. Walters Taktik ging auf. „Wir wollten unsere Präsenz im Strafraum mit Kaufi erhöhen. Der Junge ist ein Brecher, ich glaube, der Plan ging auf“, freute sich Schonlau.
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Gelb-Rot gegen KSC, HSV gierig auf Tore
Auffällig war auch der quirlige Suhonen, der immer wieder in den Strafraum eindrang, um Löcher in der gegnerischen Abwehr zu reißen. Mit der spielentscheidenden Situation hatte der kleine Finne allerdings nichts zu tun, als es für Karlsruhes 37 Jahre alter Innenverteidiger Daniel Gordon auf einmal zu schnell ging. Der bereits mit Gelb vorbelastete Abwehrspieler foulte den flinken Glatzel aus taktischen Gründen und kassierte Gelb-Rot (30.). „Eine vertretbare Entscheidung“, gab KSC-Kapitän Jerôme Gondorf ehrlich zu. „Wenn ich Gelb habe, darf ich so nicht hingehen. Er ist ja auch kein junger Spieler, sondern erfahren“, ergänzte der erboste Gästetrainer Christian Eichner.
Als dann auch noch Mario Vuskovic den anschließenden Freistoß aus 27 Metern traumhaft mit der Innenseite in den rechten Torwinkel versenkte (37.), war die Partie entschieden. Es war ein fulminanter Standard vom Kroaten, der davon profitierte, dass Platzhirsch Kittel nicht auf dem Platz stand. Gegenüber dem Abendblatt hatte Vuskovic erst im Februar bekannt gegeben, in der Freistoß-Hierarchie direkt nach Kittel zu folgen. „Wenn man Mario im Training schießen sieht, muss man sagen, es wurde auch mal Zeit, dass er so einen reinhaut. Er ist ein Wahnsinnsspieler“, schwärmte Schonlau.
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Zugutehalten muss man dem HSV, dass er trotz der komfortablen Situation, 2:0 gegen einen dezimierten und spielerisch klar unterlegenen KSC zu führen, weiterhin gierig auf Tore war. Doch sowohl Kaufmann (51.) als auch Jatta (59.) und Vagnoman (65.) verfehlten das Ziel nur knapp. Nach 66 Minuten glaubte auch der ehrgeizige Walter an den Heimsieg und schonte seine Besten Jatta und Glatzel für den Pokal.
Vagnoman macht alles klar für den HSV
Dass diese Entscheidung nicht zu voreilig kam, belegte kurz darauf Vagnoman mit seinem trocken ins linke Eck platzierten Abschluss (68.). Jetzt war auch der Arbeitstag für Jonas Meffert vorzeitig beendet und Jonas David erhielt etwas Spielpraxis auf der Sechs.
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Am Ergebnis änderte diese Maßnahme nichts mehr. Der HSV fuhr einen souveränen Heimsieg ein, darf diesen angesichts des schwachen und in Unterzahl spielenden Gegners aber auch nicht überbewerten. Am Dienstag kommt mit Freiburg ein ganz anderes Kaliber in den Volkspark. Möglicherweise wird dann wieder Kittel die Freistöße schießen.
Die Statistik:
- HSV: Heuer Fernandes – Heyer, Vuskovic, Schonlau, Vagnoman (72. Muheim) – Meffert (72. David) – Jatta (66. Kittel), Suhonen, Alidou (78. Chakvetadze) – Kaufmann, Glatzel (66. Wintzheimer). – Trainer: Walter
- KSC: Kuster – van Rhijn, Gordon, Kobald, Jakob – Breithaupt – Gondorf, Wanitzek (75. Lorenz) – Kaufmann (33. O'Shaughnessy), Goller (75. Batmaz) – Hofmann (66. Schleusener). – Trainer: Eichner
- Tore: 1:0 Glatzel (23.), 2:0 Vuskovic (32.), 3:0 Vagnoman (68.)
- Gelb-Rot: Gordon (30.)
- Schiedsrichter: Patrick Alt (Heusweiler)
- Zuschauer: 24.892
- Torschüsse: 24:3, Ecken: 6:2, Ballbesitz: 64:36 Prozent, Zweikämpfe: 83:75