Hamburg. Der HSV-Vorstand muss sich am Dienstag den Gesellschaftern stellen. Investor Bohnhorst wünscht sich Veränderungen.
Eigentlich wollte Helmut Bohnhorst am Dienstag mit seiner Frau eine lange Radtour an der Ostsee unternehmen. Bereits am Montag reisten die beiden mit dem Auto ans Meer und genossen das schöne Wetter. Die heutige Tour wird allerdings etwas kürzer ausfallen. Bohnhorst will sich zuschalten in die Hauptversammlung der HSV Fußball AG.
Normalerweise lässt sich der Anteilseigner vom Finanzexperten seines Agrarunternehmens vertreten. Doch weil die Versammlung wegen der Corona-Pandemie erstmals digital stattfinden wird, nutzt Bohnhorst die Chance, sich persönlich anzuhören, wie die beiden HSV-Vorstände Frank Wettstein (Finanzen) und Jonas Boldt (Sport) die aktuelle Situation des Clubs erklären.
Investor Bonhorst vom HSV enttäuscht
Bohnhorst hatte 2015 unter der Führung von Clubchef Dietmar Beiersdorfer und dem Aufsichtsvorsitzenden Karl Gernandt für vier Millionen Euro 1,5 Prozent Anteile an der HSV Fußball AG gekauft. Der HSV-Fan wollte helfen, den Club wieder in bessere Zeiten zu führen. Genau wie Klaus-Michael Kühne, der verstorbene Alexander Margaritoff, die Familie Burmeister und vor einem halben Jahr Thomas Böhme mit seiner AMPri Handelsgesellschaft.
All diese Unternehmer investierten aus ihrer Liebe zum HSV in den Club. Doch statt der Rückkehr zu früheren Erfolgen erleben sie, wie die Hamburger nun ihr viertes Zweitligajahr planen. „Die Enttäuschung ist sehr groß“, sagte Bohnhorst am Montag im Gespräch mit dem Abendblatt. „Aber was sollen wir machen? Die Situation wird von Jahr zu Jahr schwieriger.“
Der 61-Jährige hat sich medial lange Zeit zurückgehalten und aus der niedersächsischen Ferne verfolgt, wie der HSV Saison für Saison seine sportlichen und wirtschaftlichen Ziele verfehlte. „Ich habe mich auf Herrn Kühne und Herrn Gernandt verlassen. Sie haben mir gesagt, dass der HSV nicht absteigen wird. Es kam leider anders“, sagt Bohnhorst. Am Dienstag werden Kühne, Bohnhorst und die weiteren Aktionäre hören, wie der Vorstand den HSV trotz aller Misserfolge in eine bessere Zukunft führen will.
HSV-Finanzen laut Wettstein solide
Geht es nach Finanzvorstand Wettstein, stehen die Hamburger angesichts der Corona-Krise nicht so schlecht da – zumindest im Vergleich zu anderen Clubs wie den beiden Bundesliga-Absteigern Werder Bremen und Schalke 04. Am Montag veröffentlichte die Deutsche Fußball Liga (DFL) die Finanzkennzahlen der 36 Proficlubs aus dem Geschäftsjahr 2019/20, in das die erste Phase der Corona-Pandemie fällt. Die fehlenden Zuschauereinnahmen trafen vor allem die großen Traditionsclubs hart.
Während Werder einen Verlust von 23,77 Millionen Euro verkraften musste, stand beim FC Schalke sogar ein Minus von 53,07 Millionen Euro zu Buche. Nach dem Abstieg wollen beide Clubs nun über eine Fananleihe Geld einsammeln, um den Finanzkollaps zu verhindern.
Vor allem Werder steht vor einem schweren Sommer. Während Sportchef Frank Baumann bleiben darf, traten vier Aufsichtsräte einschließlich des Vorsitzenden Marco Bode am Montag zurück. Zuletzt wurde bekannt, dass neben Schalke auch Bremen zur neuen Saison ein Abzug von sechs Punkten droht, sollten entsprechende Bedingungen nicht erfüllt werden. Doch davon geht aktuell keiner aus – auch nicht beim HSV.
HSV zahlt 3,6 Millionen an Berater
Dass die Hamburger im Vergleich aller Zweitligisten zwar am meisten Geld für Spielerberater bezahlten (3,6 Millionen Euro), gleichzeitig aber noch immer das beste Eigenkapital aufweisen, verdankt der Club seinen Aktionären, die sich am Dienstag bei der Hauptversammlung zusammenfinden. Doch die Zahl sinkt Jahr für Jahr, weil der HSV auch im laufenden Geschäftsjahr – zum dann elften Mal in Folge – ein Minus erwirtschaften wird.
Kurioserweise fällt das Ergebnis deutlich niedriger aus als befürchtet. Weil der HSV erneut den Aufstieg verpasste und dadurch seine Prämien spart, wird das Minus weit unter der zunächst von dem Aufsichtsrat prognostizierten Zahl von 21 Millionen Euro liegen, was ein Rekordminus bedeutet hätte.
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Sicherheit verschafft dem HSV der im vergangenen Jahr abgeschlossene Vertrag mit der Stadt Hamburg. Der Grundstücksverkauf über 23,5 Millionen Euro ermöglicht dem Club die nötige Liquidität, obwohl das Geld ausschließlich zur Renovierung des Volksparkstadions genutzt werden muss. Noch fehlt der Grundbucheintrag und damit auch das Geld, doch das soll noch in diesem Jahr passieren.
Wann der HSV auf neue Investoren hofft
Das Eigenkapital des HSV schrumpft dagegen Jahr für Jahr. Trotzdem rechnet man beim HSV intern damit, dass es auch durch die anhaltende Corona-Krise nicht aufgezehrt wird. Bevor der Vorstand ein negatives Eigenkapital verkünden müsste, würde er die Diskussion mit den Mitgliedern über weitere Anteilsverkäufe beschleunigen.
Schon jetzt nutzen Wettstein und Boldt immer mal wieder die Gelegenheit, ihr grundsätzliches Interesse an weiteren Kapitalerhöhungen zu äußern. „Der Club hat die Möglichkeit, durch Investoren später noch mal einen anderen Weg zu gehen“, hatte Boldt vor wenigen Wochen gesagt.
Auf einen zeitnahen Fall der 50+1-Regel, welche die Proficlubs vor der Übernahme durch Investoren schützt, kann der HSV aber nicht setzen. Das Bundeskartellamt bekräftigte am Montag im Auftrag der DFL den Bestand von 50+1. Der HSV hat den Anteilsverkauf in seiner eigenen Satzung ohnehin auf 24,9 Prozent begrenzt. Theoretisch könnte er noch 0,63 Prozent seiner Anteile verkaufen. Mehr als zwei Millionen Euro würde der Club damit aber nicht einnehmen. Trotzdem sucht der HSV weiter nach potenziellen Käufern. Zuletzt hatte AMPri-Geschäftsführer Böhme 0,68 Prozent der AG-Anteile gezeichnet.
Bohnhorst will mit HSV-Supporters sprechen
Helmut Bohnhorst will seine 1,5 Prozent Anteile zwar nicht weiter erhöhen, sie aber auch nicht verkaufen. Der Landwirt aus dem niedersächsischen Steimbke, der durch Uwe Seeler zum HSV-Fan wurde, hofft stattdessen auf Veränderungen beim HSV.
Bohnhorst will noch in diesem Sommer Kontakt zur neuen Supporters-Führung um Sven Freese suchen, um zur nächsten Mitgliederversammlung Anfang August neue Ideen einzubringen. „Wir müssen alle zusammen herausfinden, wie der HSV in der Zukunft besser aufgestellt werden kann“, sagt Bohnhorst, der einen simplen Vergleich zu erfolgreichen Wirtschaftsunternehmen zieht: „Die grundsätzliche Leistungsbereitschaft muss bei allen Mitarbeitern gegeben sein“, sagt Bohnhorst.
Mit diesem Credo hat er sein eigenes Unternehmen zum Erfolg geführt. Und so stellt er sich auch seinen HSV vor.